Gitterfehler
Kristallgitter haben eine sehr große Vielfalt und sind nur in der Theorie perfekt. In der Natur treten sie mit sogenannten Gitterfehlern auf. Diese Gitterbaufehler lassen sich in null-, ein -, zwei – und dreidimensionalen Fehler kategorisieren. In unseren Videos erklären wir dir jede Dimension in unter 5 Minuten, schau doch mal rein!
Inhaltsübersicht
Gitterfehler Definition
Gitterfehler oder auch Defekte werden über ihre direkte Umgebung definiert. Hat ein Atom A eine andere Umgebung als ein Referenzatom B, so wird von einem Defekt gesprochen. Es handelt sich also um Unregelmäßigkeiten in einem sonst periodischen Kristallgitter. Die Fehler sind von großer Bedeutung für viele Eigenschaften eines Kristalls.
Nulldimensionale Gitterfehler
Nulldimensionale Gitterfehler oder auch Punktdefekte kann man in intrinsische und extrinsische Defekte unterteilen. Intrinsische Defekte entstehen im Kristall selbst. Der häufigste intrinsische Gitterbaufehler ist die sogenannte Leerstelle. Hier handelt es sich um eine unbesetzte Stelle im Gitter. Als Kennzahl für den Defekt wird häufig die Leerstellenkonzentration angegeben. Diese ist definiert als der Quotient der Leerstellen durch die Gesamtzahl der Atome im Kristall.
Ein weiteres Beispiel für Punktdefekte ist das Eigenzwischengitteratom. Bei diesem Gitterfehler handelt es sich um ein zusätzliches Atom zwischen besetzten Gitterplätzen. Ist dieses zusätzliche Atom ein Fremdatom so fällt der Fehler in die Kategorie der extrinsischen Gitterfehler und das Teilchen wird als interstitielles Fremdatom bezeichnet. Falls hingegen dieses Atom ein reguläres Gitteratom ersetzt, so wird es als substitutionelles Fremdatom bezeichnet.
Diffusion
Unter Diffusion versteht man die Bewegung von Atomen in Kristallen. Um sie zu begreifen, musst du dir die Temperaturabhängigkeit von Kristallen in Erinnerung rufen. Je höher die Temperatur ist, desto stärker beginnen die Atome zu schwingen. Insgesamt gibt es zwei verschiedene Diffusionsmechanismen.
Zum einen gibt es die Diffusion von Leerstellen und zum anderen die Diffusion von Zwischengitterplätzen.
Bei der Diffusion von Leerstellen können diese durch den Platzwechsel mit Gitteratomen wandern. Als Beispiel kann das Kristallgitter von Silizium, in das Phosphor eindringen soll, hergenommen werden. Dies gelingt natürlich erst, wenn eine Leerstelle in der Nähe der Oberfläche diffundiert. So können die Atome ins Innere des Kristalls wandern und werden erst weiterbewegt, wenn sich wieder eine Leerstelle in der Nähe zeigt. Dieser Vorgang kommt bei höheren Temperaturen öfter vor.
Die Diffusion von Zwischengitterplätzen (interstitiell) kann nur stattfinden, wenn Atome zu schwingen beginnen. Dadurch kann genügend Platz zwischen den Gitteratomen entstehen und die Fremdatome können wandern. Auch hier läuft die Diffusion bei höheren Temperaturen schneller ab, da die Teilchen stärker schwingen.
Versetzungen
Neben den nulldimensionalen Defekten gibt es auch die eindimensionalen Gitterfehler, sogenannte Versetzungen. Versetzungen sind für die Industrie enorm wichtig, da sie für alle plastischen Verformungen von Materialen aus Kristallen verantwortlich sind. Diese Art des Gitterbaufehlers findet entlang einer Linie statt.
Stufenversetzung
Als Erstes betrachten wir die Stufenversetzung im kubisch primitiven Gitter. Zuerst definieren wir uns einen bestimmten Bereich im Kristallgitter für den sogenannten Burgers-Umlauf. Um die Scherung und somit auch die Versetzung zu erzeugen, legen wir eine Schubspannung τ an. Wenn du nicht mehr weißt, was die Schubspannung ist, dann schau dir unser Video dazu an.
Durch diese Schubspannung gleitet ein Teil des Kristalls ab und bildet einen Gitterbaufehler. Dies wird als eingeschobene Halbebene symbolisiert. Dadurch wird dann auch der Umlauf kleiner. Die Verbindung unten umfasst nun statt fünf, vier Atome. Der Umlauf hat sich damit genau um eine Atomabstandslänge verkürzt. Diese Länge ist jetzt unser Burgersvektor . Er gibt uns also die Länge und die Stärke der Versetzung an.
Danach wird in dem defekten Kristall noch die Versetzungslinie, auch Versetzungsvektor genannt, eingezeichnet. Um die Linie baut sich daraufhin das Spannungsfeld der Versetzung auf. Diese ist übrigens das Ende der Halbebene. Außerdem musst du dir noch merken, dass bei Stufenversetzungen der Burgers-Vektor immer senkrecht zum Versetzungsvektor steht. Diese beiden Vektoren spannen eine Gleitebene auf, in der der Fortschritt der Gleitbewegung beobachtet werden kann.
In unserem Beispiel rückt die Versetzung eine Stufe nach rechts:
Am Ende der Gleitbewegung hat die Versetzung den Kristall verlassen und rechts entsteht eine Stufe. Das ist auch der Grund für den Namen Stufenversetzung.
Schraubenversetzung
Bei dem nächsten eindimensionalen Gitterfehler verläuft der Burgersvektor parallel zur Versetzungslinie. Jener Zusammenhang wird als Schraubenversetzung bezeichnet.
Plastische Verformung
Schraubenversetzungen und auch Stufenversetzungen sind extreme Versetzungsarten. In der Realität findet man Mischungen der beiden Gitterfehler . Man nennt diese „gemischte Versetzungen“. Doch was hat das alles mit der plastischen Verformung zu tun? Durch das Abgleiten der Versetzung über die Gleitebene kann sich die Struktur des Metalls verschieben. Es findet also eine Verformung statt. Spröde Metalle haben sehr hohe Festigkeiten, da weniger starke Versetzungen stattfinden. Bei größeren Belastung entstehen so Risse oder sogar Brüche. Versetzungen haben also einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften von Metallen!
Flächendefekte
Nachdem wir die null – und eindimensionalen Gitterfehler besprochen haben, geht es jetzt mit den Flächendefekten, wie zum Beispiel Korngrenzen, weiter. Es kann insgesamt in drei verschiedene Arten von Flächendefekten unterschieden werden. Die erste ist die Phasengrenze, dann die Korngrenze und zuletzt der Stapelfehler.
Zur Erinnerung: Ein Defekt liegt vor, wenn die Umgebung eines Atoms A, anders als die Umgebung eines Referenzatoms B ist.
Phasengrenzen
Phasengrenzen treten zwischen verschiedenen Phasen auf. Doch was versteht man wieder unter einer Phase? Das ist eine unterschiedliche Anordnung desselben Materials. Wichtig dabei ist, dass sie die gleiche chemische Zusammensetzung haben. Betrachten wir zur Verdeutlichung Silizium. Es kommt in kristalliner und amorpher Form vor. Alle Grenzen zwischen diesen beiden Formen innerhalb eines Kristalls können somit als Phasengrenzen verstanden werden, da wir zwei unterschiedliche Anordnungen betrachten.
Korngrenzen
Die Korngrenze trennt in einem Kristall Gebiete, die eine unterschiedliche Ausrichtung derselben Kristallgitterstruktur haben. Korngrenzen treten als Gitterfehler in allen natürlichen Polykristallen auf. Darunter versteht man Kristalle, die aus vielen kleinen Einzelkristallen mit unterschiedlicher Orientierung bestehen. Im Gegensatz dazu haben Einkristalle, also Monokristalle, keine Korngrenzen. Sie besitzen also ein einheitliches, homogenes Kristallgitter. In der Natur kommen Korngrenzen beispielsweise in Diamanten vor, technisch macht man sich Einkristalle bei der Herstellung von Microchips oder Solarzellen zunutze.
Eine Besonderheit der Korngrenze ist die sogenannte Zwillingskorngrenze als Gitterbaufehler. Eine solche Grenze hat aufgrund ihrer hohen Symmetrie eine niedrige Energie. Sie kennzeichnet sich dadurch, dass es eine Korngrenze zwischen zwei unterschiedlich orientierten Kristallgittern gibt. Diese unterschiedlichen Gitter sind aber spiegelbildlich zueinander angeordnet und bilden so einen zweidimensionalen Gitterfehler.
Stapelfehler
Um diesen Gitterfehler zu verstehen, musst du dir den Kristall als verschieden geschichtete Ebenen vorstellen. Diese Ebenen bestehen aus vielen Atomen, die sich so dicht wie möglich aneinanderreihen. Das nennt man dann die dichteste Kugelpackung.
Zur Vereinfachung nennen wir die erste Ebene A-Ebene. Die zweite Ebene würde sich in die Lücken der ersten legen, um sie zu schließen und die Dichte zu erhöhen. Wir bezeichnen diese als B-Ebene.
Du erkennst sicher schon, dass du für die nächste Ebene zwei Möglichkeiten hast. Du kannst sie auf genau die gleichen Stellen der A-Ebene legen (damit erzeugst du eine neue A-Ebene) oder aber du entscheidest dich für eine neue Ebene, die auf keiner der beiden vorhandenen Ebenen liegt (dies führt zu einer C-Ebene).
Bleiben wir einmal bei der zweiten Möglichkeit. Stapeln wir nun konsistent weiter in diesem Muster, erhalten wir die Stapelfolge ABC. Dieses Muster wird im Kristall immer wieder wiederholt. Es entsteht so die Anordnung ABCABCABC und so weiter. Das entspricht dann genau dem fcc-Gitter.
Tritt nun entlang einer Grenzfläche zweier Kristalle eine Struktur auf, die vom ABC-Muster abweicht, spricht man von einem Stapelfehler.
Man unterscheidet dabei zwischen intrinsischen und extrinsischen Stapelfehlern. Bei intrinsischen Stapelfehlern fehlt eine Ebene. In unserem Fall ist es die blaue C Ebene. Bei extrinsischen Fehlern hat das Gitter eine Ebene zu viel. Hier wurde eine zusätzliche gelbe A Ebene hinzugefügt.
Volumendefekte
Da drei Dimensionen ein Volumen aufspannen, wird diese Art der Defekte auch dreidimensionale Gitterfehler oder Volumendefekte genannt. Es handelt sich also um räumliche Fehler. Sie lassen sich in Hohlräume und sogenannte Ausscheidungen unterteilen. Doch was versteht man jetzt genau unter einem Hohlraum oder einer Ausscheidung?
Hohlräume
Die Hohlräume als dreidimensionale Defekte in Kristallen werden auch oft mit dem Begriff void bezeichnet.
Bei einem Punktfehler handelt es sich um einen Gitterfehler an einer Stelle innerhalb des Kristalls. Wird der Defekt nun in alle drei Dimensionen ausgeweitet, entsteht ein Hohlraum. Es handelt sich also, um einen sehr großen Punktdefekt. Dieser ist in der Regel mit einem Vakuum gefüllt. Es kann aber auch sein, dass ein Gas eingeschlossen ist. Der Hohlraum kann theoretisch beliebige Formen annehmen, passt sich aber oft der Kristallstruktur an. So kann es beispielsweise sein, dass sich im oktaedrischen Kristall auch oktaedrische Hohlräume befinden.
Ausscheidungen
Der letzte dreidimensionale Gitterfehler wird als Ausscheidung bezeichnet. Hier werden die Hohlräume einfach mit einem Festkörper gefüllt. Selbstverständlich kann es sich dabei nicht um die gleiche Struktur des eigentlichen Kristalls handeln. Für eine Ausscheidung notwendig ist eine sich unterscheidende Phase. Doch wie entstehen diese Ausscheidungen nun?
Erhitzt du einen Werkstoff sehr stark, beginnt sich die feste Struktur zu lösen oder sogar zu brechen. Beim Abkühlen der Schmelze können sich Teile der Struktur dann neu anordnen oder verschieben. So können Ansammlungen von Fremdatomen oder anderen Phasen im Kristall entstehen.
Du siehst, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen Defekten fließend sind. Ein Punktdefekt wird über Diffusion schnell zum Volumendefekt. Ist der Volumendefekt sehr dünn, kann es sich wiederum um einen Flächendefekt handeln.
Zusammenfassung der Gitterfehler
Zum Abschluss noch einmal die wichtigsten Gitterfehler:
- Nulldimensionale Gitterfehler/ Punktdefekte: Leerstellen, Eigenzwischengitteratome, Fremdatome auf Zwischen-gitterplätzen und substituierte Fremdatome.
- Eindimensionale Gitterfehler/Versetzungen: Hier gibt es Stufenversetzungen und Schraubenversetzungen. Beide entstehen durch Krafteinwirkung und sind verantwortlich für das elastische Verhalten von Werkstoffen.
- Zweidimensionale Gitterfehler/ Flächendefekte: Hier gilt es an die verschiedenen Phasen zu denken. Daraus entstehen Phasengrenzen. Bei gleicher Phase, aber verschiedener Anordnung spricht man von Korngrenzen. Stapelfehler sind Fehler in der Reihenfolge der Atomebenen.
- Dreidimensionale Gitterfehler/ Volumendefekte: Diese Gitterfehler unterteilt man in Hohlräumen und gefüllten Hohlräumen. Man nennt diese dann Ausscheidungen.