Zeitstandversuch
In diesem Beitrag zum Zeitstandversuch erklären wir dir, wie es zu Verformungen von Werkstoffen unter konstanter Belastung kommt und wie man die Ergebnisse in unterschiedlichen Zeitstandschaubildern festhalten kann.
Inhaltsübersicht
Aufbau und Durchführung des Zeitstandversuchs
Stell dir vor du möchtest dir eine neue Kleiderstange für deinen Schrank kaufen. Die gute Nachricht ist: Jede Stange, die du im Baumarkt erhältst, wird die Belastung deiner Klamotten aushalten. Warum das so ist? Für jede Art von Kleiderstange wurde, bevor sie auf den Markt ging, ein Test mit einer Probe durchgeführt. Dieser Test wird in der Messphysik als sogenannter Zeitstandversuch durchgeführt.
Er zeigt, dass die Stange unter längerer Belastung definitiv nicht nachgibt. Er wird meistens für Kunststoffe aber auch für metallische Werkstoffe eingesetzt. Da der Zeitstandversuch ein zerstörendes Werkstoffprüfverfahren ist, wird nicht jede einzelne Stange geprüft, sondern sogenannte Probestäbe. Diese bestehen aus demselben Material wie später die Kleiderstange und können sowohl ein Rundstab als auch ein flacher Körper mit rechteckigem Querschnitt sein.
Der Probestab wird für die Prüfung in eine Prüfmaschine oben und unten eingespannt und dann mit einer konstanten Kraft belastet, indem der Körper auseinandergezogen wird. Durch die Zugkraft wird in dem Probestück eine konstante Spannung erzeugt. Die Spannung, beziehungsweise die Kraft, wird eine Zeit lang gehalten, bevor sie auf die nächste Laststufe umschaltet. Die Prüfung kann bei Temperaturen im Bereich zwischen 23°C bis 150°C durchgeführt werden. Im Verlauf der Prüfung wird die Dehnung des Probekörpers aufgezeichnet.
Übertragung der Ergebnisse in Zeitstandschaubilder
Die Ergebnisse solcher Langzeitprüfungen können in unterschiedlichen Diagrammen dargestellt werden. Je nachdem ob die Kriechdehnung oder die Spannung ermittelt wurden, lassen sich in sogenannten Zeitstandschaubildern die jeweiligen Kriechkurven abtragen. Von diesen Zeitstandschaubildern gibt es zwei verschiedene, je nachdem was genau untersucht werden soll. Entweder man prüft das Relaxationsverhalten eines Werkstoffes, auch Zeitstandfestigkeit genannt, oder das Retardationsverhalten. Das Relaxationsverhalten zeigt die Spannung in einem Körper gegenüber der Zeit. Das Retardationsverhalten dagegen stellt die Dehnung gegenüber der Zeit dar.
Anhand des Retardationsversuchs wollen wir dir das Werkstoffverhalten einmal anschaulich erläutern. Bei der Retardation wird zum Zeitpunkt t0 ein Probekörper mit einer konstanten Kraft beaufschlagt. Zunächst stellt sich eine spontane Dehnung ein. Aus langjähriger Erfahrung weiß man, dass bei elastischen Werkstoffen die Dehnung gleichbleibt, während bei viskoelastischen Werkstoffen, wie zum Beispiel Kunststoffen, die Dehnung mit der Belastungszeit zunimmt. Der Grund dafür ist, dass die viskoelastischen Werkstoffe in einem gewissen Maß der Last durch Kriechen nachgeben.
Kriechvorgang und Kriechmodul
Das Kriechen bezeichnet innere Fließvorgänge im Werkstoff. Kunststoffe bestehen aus mehreren verknäuelten Molekülketten. Wenn man an diesen Ketten zieht, fängt der Werkstoff an zu fließen und das Knäuel wird sich entwirren. Am Anfang werden die einzelnen Ketten nicht viel gedehnt, da sich die Belastung auf das ganze Knäuel verbreiten kann. Erst wenn dieses durch die ständige Belastung entwirrt ist, dann geht die Belastung ganz auf die einzelnen Fasern. Diese dehnen sich dann viel mehr als vorher.
Der Kriechmodul ist dabei definiert als das Verhältnis zwischen Spannung und der zeitabhängigen sich einstellenden Verformung .
Als wichtiger Materialkennwert gibt er damit die Neigung eines Werkstoffs zum Kriechen wieder.
Weiterer Fall: Isochores Spannungs-Dehnungs-Diagramm
Wir haben vorhin von mehreren unterschiedlichen Diagrammen gesprochen, in denen die Ergebnisse dargestellt werden können. Jetzt fragst du dich bestimmt, was es neben dem Zeitstandschaubild noch gibt. Ein weiteres Diagramm ist das sogenannte isochore Spannungs-Dehnungs-Diagramm. Bei dieser Darstellung ist die Zeit t konstant und die Spannung σ abhängig von der Dehnung ε. Aus dem Diagramm kannst du dann beispielsweise herauslesen, dass bei einer zulässigen Dehnung ε2 und einer Belastungsdauer t1 die Beanspruchung höchstens σ1 betragen darf.
Mit dem Zeitstandversuch wird also geprüft wie stark ein Probestab bei einer konstanten Belastung gedehnt werden kann bis er bricht. Die Ergebnisse werden in Zeitstandschaubildern festgehalten, die Aufschluss über das Relaxations- oder das Retardationsverhalten eines Werkstoffes geben.