Kerbwirkung
In diesem Beitrag erklären wir dir was die Kerbwirkung ist, wie sie im Bauteil hervorgerufen wird und was mit der Kerbspannung gemeint ist.
Inhaltsübersicht
Erklärung der Kerbwirkung in einem Rundstab
Stell dir vor du hast vor Kurzem ein neues Regal gebaut, das aber immer wieder zusammenbricht. Ein Grund dafür, dass es nicht zusammenhält, könnte sein, dass die Stützen an der Stelle an der die Bretter eingesetzt wurden, zu dünn sind. Dadurch, dass sich der Querschnitt der Stützen ändert, wird automatisch eine Kerbwirkung hervorgerufen.
Betrachten wir dazu zunächst zwei Rundstäbe – einen ungekerbten, also glatten, Rundstab und einen gekerbten Rundstab. Gekerbt bedeutet, dass auf die Stirnflächen des Rundstabs eine Zugkraft aufgebracht wird, wodurch der Körper auseinander gezogen wird. Zeitgleich zieht er sich aber durch die Querkontraktion in der Mitte zusammen und der Querschnitt verändert sich.
Wenn wir nun die Kraftlinien, also die Linien, an denen die aufgebrachte Kraft im Körper entlangläuft, betrachten, dann sehen sie im unbelasteten Fall noch schön geordnet aus. Wenn wir den Stab belasten, dann müssen die Kraftlinien jedoch näher zusammenrücken, um an der einschnürenden Stelle bei kleinerem Querschnitt Platz zu haben.
Verteilung der Spannung im ungekerbten und gekerbten Rundstab
Wie du bereits weißt, führt jede Belastung zu einer Spannung im jeweiligen Körper. Beim ersten Stab, bei dem der Durchmesser unverändert ist, ist die Spannungsverteilung noch gleichmäßig. Je mehr sich der Körper einschnürt und je enger die Kraftlinien verlaufen, desto höher wird auch die Spannung an den betroffenen Stellen. Diese ist also nicht mehr gleichmäßig verteilt und es entstehen sogenannte Spannungsspitzen. Dabei ist die höchste Spannung die an einer Kerbe auftritt die Kerbspannung σk. Auf diese Spannungsspitzen musst du aufpassen, denn sie können schnell die zulässige Spannung überschreiten und dann das Bauteil schädigen oder zerstören. So wird es wahrscheinlich auch bei deinem Regal gewesen sein.
Doch nicht nur eine Einschnürung bei einem glatten Rundstab führt zu einer Kerbwirkung. Wenn dein Bauteil zum Beispiel schon allein durch die Geometrie eine Querschnittsänderung hervorruft, wird der Verlauf der Kraftlinien beeinflusst. Eine Durchmesseränderung bei einer Welle oder aber eine runde oder eckige Nut im Bauteil können ein Grund dafür sein. Bei diesen ändert sich jeweils die Fläche und die Kraftlinien müssen verdichtet werden. Diese rufen wieder Spannungsspitzen an den gekerbten Stellen hervor. Dabei solltest du noch wissen, dass nicht nur die Tiefe der Kerbe, sondern auch die Form für die Größe der Spitzen verantwortlich ist. Bei einer runden Kerbe werden die Kraftlinien langsam in den dünneren Querschnitt übertragen. Bei spitzen Kerben dagegen müssen sich die Kraftlinien schlagartig verdichten und die Spannung wird deshalb größer.
Kerbwirkung beim Biegemoment
Auch bei anderen Belastungsfällen wie Torsion oder Moment, wirkt sich eine Kerbe negativ auf das Bauteil aus. Beim Biegemoment zum Beispiel sieht die Spannungsverteilung so aus: Wenn man den Stab links und rechts nach unten biegt, wird die obere Seite auseinandergezogen und die untere gestaucht. Durch diese wird wieder eine Spannung im Körper hervorgerufen. Je weiter man von der Mittelachse, der sogenannten neutralen Faser des Stabes, entfernt ist, desto stärker ist die Dehnung, beziehungsweise Stauchung und deshalb auch die Spannung. Die Pfeile, die die Richtung der Spannungsverteilung anzeigen, verlaufen in den beiden Hälften entgegengesetzt, weil eine Zugkraft immer positiv dargestellt wird und eine Druckkraft immer negativ. Denn diese entsteht ja, wenn man die Kraft des Zuges umkehrt.
Bei einem gekerbten Rundstab verläuft das Moment nicht mehr so schön diagonal durch das Bauteil. Bei der neutralen Faser ist die Spannung zwar wieder Null und nach außen wird sie immer größer, allerdings nimmt die Spannung nicht mehr linear zu. Durch die Kerbe wird wieder der Querschnitt verändert, die Kraftlinien werden verdichtet und es entstehen höhere Spannungen an den gekerbten Stellen. Die Spannungsspitzen sind also auch hier wieder vorhanden.
Damit solche Spannungsspitzen nicht oder nur gering auftreten, gilt schon bei der Konstruktion des Bauteils Kerben zu vermeiden. Wenn das nicht geht, dann sollte darauf geachtet werden, dass es keine scharfkantigen Kerben sind. Zudem ist wichtig, dass die Belastung nicht direkt auf die Kerbe aufgebracht wird. Eine weitere Möglichkeit wäre einen anderen Werkstoff zu verwenden.
Die Kerbwirkung tritt also bei unter Belastung stehenden gekerbten Bauteilen auf. Die Kerbspannung σk ist dabei die höchste Spannung, die an einer Kerbe auftritt. Damit das Bauteil nicht zu stark belastet wird, sollte bei der Konstruktion von Bauteilen möglichst auf Kerben verzichtet werden, um eine Kerbwirkung zu vermeiden.