Huygenssches Prinzip
Huygenssches Prinzip erlaubt eine visuelle und geometrische Erklärung von Phänomen, wie die Reflexion. Wie das funktioniert und was das Huygenssche Prinzip ist, erfährst du hier.
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Inhaltsübersicht
Huygenssches Prinzip einfach erklärt
Im Jahre 1678 hat Christiaan Huygens eine Konstruktionsvorschrift entwickelt, mit derer Hilfe er die Ausbreitung von Licht beschreiben wollte. Diese Vorschrift heißt Huygenssches Prinzip (kürzer auch Huygens-Prinzip).
Die Konstruktion nach Huygenssches Prinzip basiert auf folgende Überlegungen: Jeder Punkt auf der Wellenfront einer sich ausbreitenden Welle ist ein Zentrum für kugel- beziehungsweise kreisförmige Elementarwellen, die sich im selben Medium mit der gleichen Geschwindigkeit und Frequenz wie die ursprünglich Welle ausbreiten. Die Wellenfront, betrachtet zu einem späteren Zeitpunkt, ist dann als die Einhüllende aller Elementarwellen bezeichnet.
Die ursprüngliche Formulierung des Huygensschen Prinzips hat nur die Ausbreitung der Elementarwellen in Vorwärtsrichtung berücksichtigt. Erst im Jahre 1991 konnte David A. B. Miller die Problematik der sich rückwärts ausbreitenden Elementarwellen auflösen.
Huygenssches Prinzip: Ausbreitung einer Welle
Huygenssches Prinzip besagt also, dass jeder Punkt auf einer sich ausbreitenden Wellenfront als Ausgangspunkt von Elementarwellen gleicher Frequenz und Wellenlänge betrachtet werden kann, die sich ebenfalls mit der gleichen Ausbreitungsgeschwindigkeit ausbreiten. Die Wellenfront zu einem späteren Zeitpunkt ist die Einhüllende aller Elementarwellen.
Was aber ist unter einer Wellenfront überhaupt zu verstehen und was ist mit Einhüllende genau gemeint? Die Antwort dazu findest du in diesem Abschnitt. Wir werden dafür zwar elektromagnetische Wellen betrachten, die Aussagen gelten aber auch für mechanische Wellen, wie etwa Seilwellen.
Wellenfront und Einhüllende
Zunächst einmal etwas Terminologie, die du im Zusammenhang mit dem Huygensschen Prinzip vorfinden kannst. Die Welle, von der aus dann alle Punkte weitere Wellen aussenden, heißt auch Primärwelle. Die Wellen, die von diesen Punkten emittiert werden, bezeichnet man als Elementar– oder Sekundärwellen.
Vielleicht weißt du, wie eine elektromagnetische Welle charakterisiert wird. Eine elektromagnetische Welle ist durch ihre räumliche Periode (Wellenlänge ), ihrer zeitlichen Periode (Frequenz ), der Ausbreitungsrichtung und der Amplitude der jeweiligen Feldkomponente (das sind zwei Zahlen für das elektrische und das magnetische Feld) charakterisiert. Eine Welle ist allgemein ein periodisches Phänomen sowohl im Raum als auch in der Zeit. Deshalb kannst du einer Welle nicht nur eine zeitliche Periode sondern auch eine räumliche Periode zuordnen.
Wellenfront
Was genau diese ganzen Begriffe auch bedeuten mögen, spielt erst einmal keine Rolle. Wichtig ist nur, dass du dadurch an einem bestimmten Punkt im Raum zu einem bestimmten Zeitpunkt genau weißt, was die Welle macht. Schwingt sie hoch oder schwingt sie nach unten, wie hoch schwingt sie überhaupt und so weiter. Das ist aber die Information nur an einem einzigen Punkt.
Wie sieht es aber aus, wenn du zum Beispiel den Zeitpunkt gleich lässt, dich aber senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle etwas bewegst. Wieder müsstest du anhand der ganzen Parameter bestimmen, wie sich die Welle nun an diesem Punkt verhalten würde. Das gilt natürlich für alle anderen Punkt auch, die du durch Bewegung im Raum erreichen kannst.
Hier hilft dir die Wellenfront. Was die Wellenfront macht, ist alle Punkte miteinander zu verbinden, bei denen die Welle zu einem bestimmten Zeitpunkt das exakt gleiche Verhalten aufweist. Bewegst du dich also entlang der Wellenfront, wird sich das Verhalten der Welle nicht ändern. Wenn du dich zum Beispiel auf einen Hügel der Welle befindest, dann wirst du dich entlang der dazugehörigen Wellenfront immer auf einen Hügel der exakt gleichen Höhe befinden. Dieses „exakt gleiche Verhalten zu einem bestimmten Zeitpunkt“ wirst du manchmal auch unter den Namen Phase finden. Wichtig ist hier die visuelle Information, die du durch die Wellenfronten erhältst. Nicht nur teilen dir die Wellenfronten mit, wie sich die Welle verhält, sondern auch in welcher Richtung sie sich ausbreitet. Die Ausbreitungsrichtung der Welle steht nämlich immer senkrecht zu den Wellenfronten.
Einhüllende
Jetzt weißt du, was eine Wellenfront ist. Dieses Wissen wollen wir direkt nutzen. Schauen wir uns dazu eine Wellenfront an, die zufällig die Form einer vertikalen Linie hat. Eine solche Wellenfront ist charakteristisch für eine Welle, die ebene Welle heißt. Entlang dieser Linie emittiert nach Huygenssches Prinzip jeder Punkt Sekundärwellen. Die Wellenfronten dieser Sekundärwellen sind keine Linien sondern Halbkreise. Solche Wellen heißen Kreis– bzw. Kugelwellen.
Wir warten nun eine gewisse Zeit und interessieren uns dann, wo die neue Wellenfront der sich ausbreitenden Primärwelle sein wird. Die kreisförmigen Wellenfronten der Sekundärwellen werden einen Radius von haben, wobei die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle ist. Da die Wellenfront am Anfang eine vertikale Linie war, besitzen alle Halbkreise entlang dieser Linie die gleiche Orientierung. Wenn wir jetzt an jedem dieser Halbkreise eine gemeinsame Tangente anlegen, bekommen wir eine neue vertikale Linie. Diese neue vertikale Linie ist gerade die Wellenfront der Primärwelle zu einem späteren Zeitpunkt. Statt „Gemeinsame Tangente an den Halbkreisen“ findest du auch die kürzere Bezeichnung Einhüllende aller Elementarwellen manchmal auch nur Einhüllende.
Wenn die Primärwelle selbst keine ebene Welle, sondern eine Kreiswelle ist, dann liegt der Unterschied nur in der Orientierung der Halbkreise. Die gemeinsame Tangente ist dann nicht mehr eine gerade Linie, wie du es vielleicht von Tangenten gewohnt bist, sondern eine gebogene Linie.
Was du letztendlich bei der Konstruktion der Einhüllende machst, ist folgendes: Du zeichnest ein paar Halbkreise ein, deren Zentren auf der Wellenfront der Primärwelle liegen und deren Radius proportional zur verstrichenen Zeit ist. Dann suchst du nach einer Linie, ob gebogen oder nicht, die jeden Kreis berührt aber nicht schneidet. Diese Linie ist dann die Einhüllende und somit die neue Wellenfront zu einem späteren Zeitpunkt.
Huygenssches Prinzip: Reflexion
Wenn wir Huygenssches Prinzip für die Beschreibung der Reflexion (später auch für die Brechung) verwenden möchten, dann müssen wir an der Konstruktion der Einhüllende eine kleine Änderung vornehmen. Die Zentren der Elementarwellen befinden sich nicht mehr auf der Wellenfront der Primärwelle, sondern auf der Grenzfläche zwischen zwei Medien, auf die die Primärwelle trifft.
Huygenssches Prinzip wird zunächst auf die Reflexion verwendet. Die Wellenfront trifft mit einem Einfallswinkel von relativ zum Lot im Punkt F auf die Grenzfläche. Wie wir im Abschnitt zur Wellenfront erwähnt hatten, ist die Ausbreitungsrichtung zu jedem Zeitpunkt senkrecht zur Wellenfront. Dies wird mit den Pfeilen veranschaulicht. Ohne das Vorhandensein der Grenzfläche AB, würde sich die Wellenfront CE zur Wellenfront JL fortpflanzen. Der Punkt E durchläuft dabei die Punkte H und L. Während des Zeitintervalls in dem sich der Punkt E von H nach L fortpflanzt, würde sich der Punkt D von G nach K bewegen. Dabei stößt der Punkt D im Punkt I auf die Grenzfläche, der nun das Zentrum für eine Elementarwelle mit dem Radius IK bildet. Auf ähnliche Weise würde sich im selben Zeitintervall der Punkt C nach F und anschließend nach J bewegen, trifft jedoch im Punkt F auf die Grenzfläche. Eine Elementarwelle mit Punkt F als Zentrum würde deshalb zum Zeitpunkt, in dem sich Punkt E nach L bewegt hat, den Radius FJ besitzen. Die neue Wellenfront LN lässt sich dann als Tangente zu den beiden Kreisen konstruieren und gibt die neue Ausbreitungsrichtung vor (Normale zur Wellenfront LN). Die reflektierte Welle breitet sich dann mit dem Reflexionswinkel relativ zum Lot aus.
Huygenssches Prinzip: Brechung
Die Änderung des Brechungsindex führt zur Änderung der Ausbreitungsgeschwindigkeit. Daher verändert sich auch der Radius der Elementarwellen im Gebiet mit dem Brechungsindex . Genau diese Änderung führt zur Beobachtung der Brechung, was wir dir in diesem Abschnitt, Huygenssches Prinzip: Brechung, zeigen.
Dazu nehmen wir willkürlich an, dass der Brechungsindex größer ist als der Brechungsindex . Ein größerer Brechungsindex eines Mediums geht einher mit einer geringeren Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle innerhalb dieses Mediums. Ohne die Grenzfläche AB würde die Wellenfront CE zur Wellenfront JL werden, wenn der Punkt E den Punkt L erreicht hat. Im Fall der Reflexion würde die Elementarwelle um den Punkt F, nachdem sich der Punkte E nach L bewegt hat, den Radius besitzen. Da wir angenommen haben, ist der Radius der Elementarwelle im zweiten Medium um den Faktor kleiner als der Radius der gleichen Elementarwelle im ersten Medium.
Die Konstruktion der neuen Wellenfront im zweiten Medium ähnelt daher der Konstruktion im Fall der Reflexion. Der Unterschied liegt nur darin, dass die Kreise einen kleineren Radius besitzen. Damit ergibt sich erneut die neue Wellenfront LN der Welle im zweiten Medium als Tangente zu den beiden Kreisen. Ebenfalls erhältst du die neue Ausbreitungsrichtung durch Zeichnen von senkrechten Linien an dieser Wellenfront. Die gebrochene Welle breitet sich im zweiten Medium unter den Winkel relativ zum Lot im Punkt F aus. Du erkennst, dass dieser Winkel kleiner ist als der Reflexionswinkel. Die Ursache dafür ist gerade die geringere Ausbreitungsgeschwindigkeit aufgrund des höheren Brechungsindex.
Huygenssches Prinzip: Beugung
Zum Abschluss zeigen wir dir, wie Huygenssches Prinzip uns hilft, die Beugung von Wellen geometrisch zu erklären.
Dazu nehmen wir an, dass wir eine ebene Welle betrachten, die auf eine Öffnung trifft. Von Interesse ist nur der Teil der Wellenfront, die sich innerhalb der Öffnung befindet. Die Wellenfront außerhalb der Öffnung wird „blockiert“ und spielt daher keine Rolle.
Huygenssches Prinzip instruiert uns nun, entlang der Wellenfront innerhalb der Öffnung Punkte auszusuchen, die als Zentrum für Elementarwellen wirken. Wir entscheiden uns willkürlich für ein paar Punkte und zeichnen die kreisförmigen Wellenfronten für eine Anzahl an verschiedenen Zeitpunkten.
Ebenso sagt Huygenssches Prinzip aus, dass die neue Wellenfront der Primärwelle zu einem späteren Zeitpunkt gerade die Einhüllende der Elementarwellen ist. Deshalb hören wir zu einem Zeitpunkt auf, Halbkreise zu zeichnen, und suchen dann nach einer Linie, die alle Kreise berührt aber nicht schneidet. Diese Linie ist dann die gesuchte Wellenfront. Zeichnest du jetzt senkrecht zur Wellenfront ein paar weitere Linien ein, findest du die Ausbreitungsrichtung der Welle nach der Öffnung. Was kannst du erkennen? Die Welle nach der Öffnung scheint sich in Bereiche auszubreiten, die nicht auf der geradlinigen Bewegung der ebene Welle liegen würden. Und genau diese Abweichung von der „geradlinigen Bewegung“ heißt Beugung. Du findest auch die Bezeichnung „die Welle breitet sich im geometrischen Schatten aus“.
Was das alles letztendlich bedeutet, ist folgendes: Würdest du die Öffnung zu einem Rechteck erweitern, dann heißt alles außerhalb dieses Rechtecks „geometrischer Schatten“. Wenn du dir jetzt statt der ebenen Welle, horizontale Linien vorstellst, die die Ausbreitungsrichtung vorgeben, würdest du erwarten, dass sie innerhalb des Rechtecks bleiben. Das ist aber nicht der Fall und diese Beobachtung nennt man Beugung. Huygenssches Prinzip erlaubt eine visuelle Erklärung dieser Beobachtung.