Prinzip vom kleinsten Zwang
Warum wird das Prinzip von Le Chatelier auch ‚das Prinzip des kleinsten Zwanges‘ genannt? Was es besagt und bedeutet, erfährst du hier und in unserem Video !
Inhaltsübersicht
Prinzip vom kleinsten Zwang einfach erklärt
Das ‚Prinzip des kleinsten Zwanges‚ oder auch ‚Prinzip von Le Chatelier‚ wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Henry Le Chatelier und Ferdinand Braun formuliert:
„Wird auf ein System, das sich im chemischen Gleichgewicht befindet, ein äußerer Zwang ausgeübt, verschiebt sich die Lage des Gleichgewichts so, dass die Wirkung des Zwanges minimal wird.“
Äußere Zwänge, die du ausüben kannst, sind unter anderem der Druck, die Temperatur und die Stoffmengenkonzentration der Ausgangstoffe und der Produkte. Am Beispiel eines Behälters mit Stickstoff-Gas (N2) und Wasserstoff-Gas (H2), kannst du das Prinzip von Le Chatelier gut sehen.
Erhöhst du jetzt den Druck auf die Gase im Behälter passiert folgendes: das Stickstoff-Gas und das Wasserstoff-Gas werden zusammengedrückt und haben weniger Platz. Sie reagieren dann bevorzugt zu Ammoniak (NH3), da das weniger Platz im Gefäß einnimmt. Die Gasteilchen beugen sich also dem Zwang (=Druck), indem sich das Gleichgewicht in Richtung der Produkte verschiebt.
Prinzip von Le Chatelier – Druckänderung
Wenn du auf ein Gleichgewichtssystem eine Druckänderung, also einen Zwang, ausübst, verschiebt sich das chemische Gleichgewicht der Reaktion nach dem Prinzip von Chatelier. Es werden dann je nach Änderung entweder bevorzugt die Ausgangsstoffe (Edukte) oder die Produkte gebildet:
- Bei einer Druckerhöhung wird die Reaktion gefördert, die das Volumen verkleinert (= volumenverkleinernde Reaktion).
Beispiel: Wenn du ein Behältnis mit Teilchen zusammendrückst, bei denen das Produkt weniger Platz einnimmt als die Edukte, wird vermehrt das Produkt gebildet. - Bei Druckerniedrigung wird hingegen die Reaktion gefördert, die das Volumen vergrößert (= volumenvergrößernde Reaktion).
Beispiel: Wenn du den Teilchen in einem Behältnis mehr Platz lieferst, haben diese keinen Grund mehr zum platzsparenden Produkt zu reagieren. Das Gleichgewicht verschiebt sich dann auf die Seite der Ausgangsstoffe.
Druckänderung Beispiel
Den Einfluss der Druckänderung beim Prinzip von Le Chatelier kannst du am Beispiel von Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2) in einem geschlossenen System , also einem undurchlässigen Behälter, erkennen. Vier Gasmoleküle — genauer gesagt ein Molekül Stickstoff und drei Moleküle Wasserstoff — können dabei miteinander zu zwei Molekülen Ammoniak (NH3) reagieren:
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g)
Durch eine Druckänderung kannst du das Gleichgewicht beeinflussen:
- Druckerhöhung: Drückst du den geschlossenen Behälter zusammen, wird sich vermehrt das Produkt, also Ammoniak, bilden. Das liegt daran, dass aus 4 Edukten nur 2 Produkte entstehen. Sie benötigen weniger Platz und das System kann dem äußeren Zwang (= Druck) ausweichen.
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g)
- Druckerniedrigung: Zieht du das Behältnis allerdings auseinander, werden vermehrt die Ausgangsstoffe gebildet. Das liegt daran, dass im System mehr Platz ist und die Edukte sich ‚ausbreiten‘ können.
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g)
Prinzip von Le Chatelier – Temperaturänderung
Das Prinzip von Le Chatelier lässt sich auch auf die Temperatur als Zwang anwenden, denn auch durch eine Änderung der Temperatur kannst du die Gleichgewichtslage in einem System maßgeblich beeinflussen:
- Durch eine Temperaturerhöhung wird die wärmeaufnehmende, also endotherme
, Reaktion begünstigt. Auf diese Weise kann mehr Wärme vom System aufgenommen werden.
Beispiel: Wenn du Teilchen in einem Behältnis erhitzt, wird bevorzugt die Reaktion stattfinden, die Wärme ins System aufnimmt und nicht die, die zusätzliche Wärme abgibt. - Bei einer Temperaturerniedrigung wird die wärmeabgebende, also exotherme
, Reaktion begünstigt. So versucht das System der Temperaturerniedrigung entgegenzuwirken.
Beispiel: Wenn du Teilchen in einem Behältnis abkühlst, wird bevorzugt die Reaktion stattfinden, die Wärme ins System aufnimmt und nicht die, die zusätzliche Wärme abgibt.
Temperaturänderung Beispiel
Ein Beispiel für ein chemisches Gleichgewicht, welches durch Temperaturänderung beeinflusst werden kann, ist das Gasgemisch aus braunem Stickstoffdioxid (NO2) und farblosem Distickstofftetraoxid (N2O4). Bei Raumtemperatur verschiebt sich das Gleichgewicht der chemischen Reaktion dabei auf die Produktseite, da sie unter Wärmeabgabe, also exotherm, stattfindet:
NO2 (g) + NO2 (g) N2O4 (g) + Wärme
Durch die Temperaturerhöhung bzw. -erniedrigung passiert nach dem Prinzip vom kleinsten Zwang folgendes:
- Temperaturerhöhung: Wenn du das Gasgemisch erhitzt, wird die wärmeaufnehmende (= endotherme) Reaktion bevorzugt. In unserem Beispiel bedeutet das, dass das Edukt (NO2) bevorzugt hergestellt werden. Grund dafür ist das Bestreben des Systems das Gleichgewicht wiederherzustellen. Dabei wird die zugeführte Wärme aufgenommen. Als Ergebnis kannst du beobachten, dass das Gasgemisch immer brauner wird, da sich das farblose Distickstofftetraoxid (N2O4) zersetzt.
- Temperaturerniedrigung: Wenn du die Temperatur stattdessen erniedrigst, wird die wärmeliefernde (= exotherme) Reaktion bevorzugt. Das liegt daran, dass in dem Fall weniger Wärme vorhanden ist und somit auch weniger Wärme aufgenommen werden kann. In unserem Beispiel führt das dazu, dass das Produkt vermehrt gebildet wird und die Eduktherstellung reduziert wird, das Gleichgewicht verschiebt sich also zu den Produkten. Dieser Effekt zeigt sich daran, dass das Gasgemisch sich langsam entfärbt.
Prinzip von Le Chatelier – Konzentrationsänderung
Durch eine Änderung der Konzentration der Stoffmengen lässt sich das Gleichgewicht einer chemischen Reaktion beeinflussen. Dabei kann sowohl die Stoffmengenkonzentration der Edukte als auch die der Produkte verändert werden:
- Eine Konzentrationserhöhung der Edukte verschiebt das Gleichgewicht eines Systems zu der Eduktseite. Um das Gleichgewicht wieder zu erreichen, findet dann bevorzugt die Produktbildung statt.
- Bei einer Konzentrationserniedrigung der Produkte sieht es sehr ähnlich aus. Hier wird das Gleichgewicht ebenfalls zur Eduktseite verschoben, allerdings nicht durch Hinzufügen von Edukten, sondern durch Entfernen von Produkten. Auch hier findet bevorzugt die Produktbildung statt.
Da sich die Gleichgewichtsreaktionen dem Zwang der geänderten Stoffmengenkonzentration beugen, handelt es sich auch hierbei um einen Beleg für das Prinzip des kleinsten Zwanges.
Konzentrationsänderung Beispiel
Schauen wir uns den Einfluss der Konzentrationsänderung beim Prinzip von Le Chatelier am Beispiel der chemischen Herstellung von Butter (Fett) an. Ihr Bestandteil Tributyrin wird durch Veresterung von Buttersäure (Fettsäure) mit Glycerol (Alkohol) gebildet:
Buttersäure + Glycerol Tributyrin + Wasser
Bei der Herstellung gibt es jedoch das Problem, dass nicht die gesamten Ausgangsstoffe reagieren. Um die Ausbeute an Produkt (Butter) zu erhöhen, gibt es zwei Möglichkeiten:
- Konzentrationserhöhung der Edukte: Wird die Stoffmengenkonzentration von Buttersäure und Glycerol erhöht, wird das Gleichgewicht des Systems gestört. Um das wiederherzustellen, findet die Hinreaktion verstärkt statt. Einfach gesagt nimmt die Produktion von Tributyrin also zu, um das entstandene Ungleichgewicht auszugleichen.
- Konzentrationserniedrigung der Produkte: Hierbei werden Produkte aus dem System entnommen, um das Gleichgewicht zu stören und die Reaktion in Richtung Produktherstellung zu verstärken. Das funktioniert, da das System das Bestreben hat das Gleichgewicht wiederherzustellen. Entfernst du beispielsweise immer wieder Butter aus der Reaktion, muss diese nachproduziert werden um das Gleichgewicht zu erhalten. Buttersäure und Glycerol werden also dazu gezwungen vermehrt zu reagieren.
Dieser Einfluss ist auch auf andere Stoffe übertragbar, die mithilfe der Veresterung bzw. Hydrolyse hergestellt werden:
R–COOH + R‘–OH R–COO–R‘ + H2O
Kombination Temperatur-, Druck- und Konzentrationsänderung
In der Industrie wird sich das Prinzip von Le Chatelier häufig zunutze gemacht, um die Produktausbeute von chemischen Reaktionen zu steigern. Dabei werden die drei Zwänge — also Druck, Temperatur und Konzentration — oft in Kombination auf chemische Gleichgewichtsreaktionen ausgeübt.
Ein bekanntes Beispiel für die Kombination von Temperatur-, Druck- und Konzentrationsänderungen ist das sogenannte Haber-Bosch-Verfahren, welches zur Herstellung von Ammoniak verwendet wird.
Beispiel: Haber-Bosch-Verfahren
Das Haber-Bosch-Verfahren ist ein Verfahren, bei welchem große Mengen an Ammoniak (NH3) aus Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2) hergestellt werden. Die dazugehörige Reaktionsgleichung lautet:
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g)
Der Druck, die Temperatur und die Stoffmengenkonzentration werden bei dem Verfahren folgendermaßen beeinflusst:
- Druck: Durch eine Druckerhöhung auf 300 bar kann die Ausbeute des Produkts (Ammoniak) erhöht werden. Wie du bereits erfahren hast, liegt das daran, dass das Produkt weniger Platz im System einnimmt.
- Temperatur: Die Produktausbeute kann auch durch eine Temperaturerhöhung vergrößert werden. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden die Temperatur nicht zu stark zu erhöhen, weil die Reaktion bei Raumtemperatur ohnehin stark exotherm ist. Da sich das Gleichgewicht durch eine starke Temperaturerhöhung auf die Eduktseite verschieben würde, müssen die Temperatur und der Druck sehr fein abgestimmt sein. In der Regel wird das Verfahren bei einer Temperatur von etwa 550 °C durchgeführt.
- Stoffmengenkonzentration: Die Ausbeute bei der Herstellung von Ammoniak kann dadurch erhöht werden, dass Produkt aus der Reaktion entnommen wird. Denn das erzeugt ein Ungleichgewicht und kurbelt wiederum die Ammoniak-Produktion an.
Durch die Anpassung der Reaktionsbedingungen verschiebt sich das Reaktionsgleichgewicht auf die Produktseite:
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g)
Wenn du noch mehr über den Einfluss der drei Faktoren und auch den genauen Ablauf des Haber-Bosch-Verfahrens wissen musst, schau dir noch unser Video dazu an!