Bis zu welchem Ausmaß geht blinder Gehorsam? Genau mit dieser Frage beschäftigt sich das Milgram Experiment. Alles Wichtige dazu erfährst du in unserem Beitrag!

Inhaltsübersicht

Was ist das Milgram Experiment?

Mit dem Milgram Experiment zur Untersuchung des menschlichen Gehorsams lieferte der amerikanische Psychologe Stanley Milgram 1961 schockierende Ergebnisse: Beinahe drei Viertel der Durchschnittsbevölkerung folgten den Anweisungen einer vermeintlichen Autorität, einem fremden Menschen Schaden zuzufügen.

Dabei wies im Rahmen des sozialpsychologischen Experiments eine Autoritätsperson, der Versuchsleiter, die Probanden in der Rolle eines Lehrers dazu an, einem Schüler Fragen zu stellen. Antwortete dieser falsch, wurde der Lehrer aufgefordert, ihm Stromschläge zu verpassen.

Milgrams Ziel: Er wollte herausfinden, wie lange und unter welchen Bedingungen sich die Versuchspersonen den Anordnungen des Versuchsleiters fügen, bevor sie den Gehorsam verweigern.

Ausschlaggebend für das Experiment waren die Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten . Sie brachten Stanley Milgram zum Nachdenken: Waren Nazis schlichtweg schlechte Menschen ohne Gewissen, oder würden auch „normale“ Menschen unter bestimmten Umständen so handeln?

Die Antwort auf diese Frage und wie genau das Milgram Experiment ablief, erfährst du jetzt und in unserem Video !

Sozialpsychologie

Das Gebiet der Sozialpsychologie erforscht, wie das Denken, Fühlen und Verhalten einer einzelnen Person durch die Anwesenheit ihrer Mitmenschen beeinflusst wird. Auch die Beziehungen zwischen Individuen und Gruppe sowie die Dynamiken innerhalb einer Gruppe werden in der Sozialpsychologie untersucht.

Das Milgram Experiment Aufbau

Für sein Experiment wählte Stanley Milgram insgesamt 40 Testpersonen aus. Ihnen erklärte ein vermeintlicher Versuchsleiter (V) — in Wahrheit ein engagierter Schauspieler –, dass im Rahmen des Experiments der Zusammenhang von Lernerfolg und Bestrafung untersucht werden soll.

Daraufhin wurden unter den Teilnehmenden die Rollen des Schülers (S) und des Lehrers (L) verlost. Dabei war das Losen jedoch so organisiert, dass die Aufgabe des Schülers ebenfalls an beauftragte Schauspieler ging. In Wirklichkeit war also der Lehrer der einzige, der getestet wurde. Darüber war er sich allerdings nicht bewusst.

Nachdem die Rollen verteilt waren, beschrieb der Versuchsleiter den Ablauf des Milgram Experiments: Der Lehrer würde dem Schüler Fragen stellen. Antwortete dieser falsch, sollte der Lehrer ihn mit einem Elektroschock bestrafen. Bei jeder weiteren falschen Antwort müsse die anfängliche Stromstärke von 45 Volt schrittweise gesteigert werden. Dass die Elektroschocks nicht real waren, wurde dem Lehrer allerdings verschwiegen.

Klassische Variante des Milgram Experiments

Das Milgram Experiment wurde in unterschiedlichen Varianten durchgeführt. Den ursprünglichen Versuchsaufbau des Stromschlag Experiments erklären wir dir jetzt.

Um die Stärke eines Schocks einschätzen zu können, erhielt der Lehrer noch vor dem Start des Experiments selbst einen elektrischen Schlag mit 45 Volt — die Voltzahl, mit der die Bestrafung der Schüler anfangen würde.

Außerdem zeigte der Versuchsleiter den Probanden den Raum, in dem die Schüler während des Experiments an einer Art elektrischem Stuhl befestigt sein würden. Danach ging die Versuchsperson in der Rolle des Lehrers mit dem Versuchsleiter in einen separaten Nebenraum. Zu dem Schüler bestand dann nur noch per Mikrofon Kontakt.

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Versuchsaufbau des Milgram Experiments

Während des Milgram Experiments las der Lehrer dem Schüler Wortpaare vor, wobei die Fehler in deren Zusammensetzung gefunden werden sollten. Bei jeder falschen Antwort sollte der Lehrer — unter Beobachtung des Versuchsleiters — den Schüler mit Elektroschocks ab 45 Volt bis zu maximalen 450 Volt bestrafen. Die Schalter des Schockgeräts waren dabei mit Aufschriften versehen, die von „leichtem Schock“ bis zu „bedrohlichem Schock“ reichten.

Ohne Wissen des Probanden reagierten die als Schüler und Versuchsleiter engagierten Schauspieler nach bestimmten Vorgaben:

  • Der Schüler begann ab einer scheinbaren Stromstärke von 75 Volt, ein leises Knurren von sich zu geben und sich leicht zu beschweren. Bei zunehmender Stromstärke gab er immer lautere und schmerzerfüllte Schreie von sich und äußerte die Verweigerung an der weiteren Teilnahme am Experiment. Bei vermeintlichen 330 Volt gab er schließlich keinen Laut mehr von sich.
  • Der Versuchsleiter antwortete auf die Zweifel des Lehrers mit festgelegten Sätzen. Beispielsweise wiederholte er immer wieder „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen„, „Sie müssen unbedingt weitermachen“ oder „Auch wenn die Elektroschocks schmerzhaft sind, das Gewebe wird keine dauerhaften Schäden davontragen, also machen Sie bitte weiter“. Außerdem garantierte der Versuchsleiter, dass er die volle Verantwortung übernehme.

Varianten des Milgram Experiments

In verschiedenen Variationen des klassischen Milgram Experiments veränderten Psychologen die Nähe des Schülers zum Lehrer:

  • Der Lehrer kann den Schüler weder sehen noch hören.
  • Der Lehrer kann den Schüler nur hören, aber nicht sehen.
  • Lehrer und Schüler befinden sich im selben Raum.
  • Lehrer und Schüler sitzen so nah beieinander, dass sie sich berühren können.

Auch die Anwesenheit der Autoritätsperson variierte in Stanley Milgrams Experimentvarianten. So war der Versuchsleiter entweder selbst mit dem Lehrer im Raum, nur telefonisch mit ihm in Kontakt oder völlig abwesend. Dann spielte ein Tonband seine Anweisungen lediglich als Aufnahmen ab.

Teilweise wurde auch das Geschlecht der Autoritätsperson ausgewechselt und statt des Versuchsleiters eine Versuchsleiterin vorgestellt.

In wieder anderen Versuchsaufbauten schlossen Schüler und Versuchsleiter zu Beginn und in Anwesenheit des Lehrers einen mündlichen Vertrag. Dieser garantierte dem Schüler, dass er nur solange am Experiment teilnehmen müsse, wie er will.

Das Hinzufügen ein oder zwei zusätzlicher Testpersonen — die in Wirklichkeit ebenfalls nur eingeweihte Darsteller waren — auf der Seite des Lehrers war Teil weiterer Varianten des Milgram Experiments.

Das Milgram Experiment Ergebnisse

Die Ergebnisse des Milgram Experiments überraschten und schockierten die Menschen. Denn von den 40 Probanden führten 26 Versuchspersonen das Experiment bis zum maximalen, und unter realen Bedingungen extrem gefährlichen, Stromschlag von 450 Volt durch. Ganze 65 % folgten also den Anweisungen der Autoritätsperson — trotz moralischer Zweifel oder Gewissensbissen und obwohl sie sich der möglicherweise tödlichen Auswirkungen der Stromschläge auf den Schüler bewusst waren.

Darüber hinaus weigerte sich in keiner Version des Milgram Experiments auch nur ein einziger Proband, überhaupt einen Stromschlag zu verteilen. Im Gegenteil: Erst ab einer Stromstärke von 300 Volt begannen wenige der Testpersonen, den Versuch frühzeitig abzubrechen.

Auch in anderen Kulturen und mit sowohl weiblichen als auch männlichen Probandinnen und Probanden wurde Stanley Milgrams Experiment durchgeführt. Doch weder Kulturkreise noch Geschlecht der Testpersonen änderten das Ergebnis maßgeblich.

Änderung der Ergebnisse durch die Varianten des Milgram Experiments

Aus den weiteren Versuchsaufbauten des Milgram Experiments ging hervor, dass die räumliche Nähe zum Opfer die Probanden in ihrem Handeln beeinflusste. Je näher sie dem Schüler waren, desto geringer war die durchschnittliche Stärke der gegebenen Elektroschocks. Nichtsdestotrotz blieben 30 % der Teilnehmer, die sich sogar in Berührungsnähe des Schülers befanden, bis zu den maximalen 450 Volt gehorsam.

Eine größere Bedeutung erkannte Stanley Milgram in der Anwesenheit des Versuchsleiters. Hielt sich die Autoritätsperson nicht persönlich mit dem Lehrer im selben Raum auf, so verweigerten insgesamt 77,5 % die Befehle. Außerdem gaben viele Probanden eine geringere Stromstärke als von ihnen gefordert wurde — auch wenn sie das vor dem Versuchsleiter geheim hielten.

Bei den Varianten, in denen zu Beginn ein mündliches Abkommen zwischen Schüler und Versuchsleiter geschlossen wurde, nahm die Verweigerung des Gehorsams durch den Lehrer nur leicht zu.

Dagegen übte der Gruppendruck einen sehr starken Einfluss auf die Probanden aus. Nahmen Schauspieler als zwei weitere gleichrangige Versuchspersonen neben dem Lehrer teil und missachteten beide die Anweisungen des Versuchsleiters, verweigerten ganze 90 % der tatsächlich Getesteten ihren Gehorsam. Führten allerdings beide Gleichrangigen die Befehle aus, so befolgten sie auch 90 % der Lehrer.

Fazit: Das erschreckende Ergebnis des Milgram Experiments lautet also: Unter bestimmten Bedingungen ist die Mehrheit aller Menschen bereit, gegen ihr eigenes Gewissen zu handeln und stattdessen blind einer Autorität zu gehorchen.

Milgram Experiment — häufigste Fragen

  • Was ist das Ziel des Milgram Experiments?
    Mit seinem Experiment untersuchte Stanley Milgram die Bereitschaft zum Gehorsam gegenüber einer Autorität im Konflikt mit der eigenen Moral.

  • Wie läuft das Milgram Experiment ab?
    Im Milgram Experiment stellten die Probanden in der Rolle eines Lehrers einem Schüler Fragen. Wenn dieser falsch antwortete, sollten die Probanden ihn mit einem Elektroschock bestrafen. Bei jeder falschen Antwort sollten sie die Stromstärke erhöhen.

  • War das Milgram Experiment echt?
    Die Stromschläge, die im Milgram Experiment dem Schüler verpasst wurden, waren nicht echt. Sie waren lediglich vorgetäuscht, wovon die Testperson jedoch erst nach dem Experiment erfuhr.

Loyalität

Das Milgram Experiment untersuchte den menschlichen Gehorsam. Oft wird dieser übrigens mit Loyalität gleichgesetzt — fälschlicherweise wohlgemerkt. Denn Loyalität und blinder Gehorsam sind auf keinen Fall zu verwechseln! Was du tatsächlich unter Loyalität verstehst, erfährst du in unserem Beitrag dazu!

Zum Video: Loyalität
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