Tarifautonomie
Du möchtest wissen, was die Tarifautonomie ist? Hier und in unserem Video erfährst du es!
Inhaltsübersicht
Was ist die Tarifautonomie?
Die Tarifautonomie ist die Freiheit von Gewerkschaften (Vertreter der Arbeitnehmer) und Arbeitgeberverbänden (Vertreter der Arbeitgeber), die Arbeitsbedingungen selbst vertraglich zu regeln, ohne dass der Staat eingreift.
Das funktioniert so: Die Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber treffen sich und verhandeln zum Beispiel über die Höhe des Lohns oder die Anzahl der Urlaubstage. Wenn sie sich einigen, halten sie die Ergebnisse ihrer Verhandlung in einem sogenannten Tarifvertrag fest.
Können sie sich nicht einigen, fangen die Arbeitnehmer oft an zu streiken. Die Arbeitgeber könnten wiederum die Arbeitnehmer aussperren, ihnen also den Zugang zum Betrieb zu verweigern. Beide Mittel gehören zum Arbeitskampf.
Der Staat muss sich dabei heraushalten. Das gewährleistet das Grundgesetz (mit der sogenannten „Koalitionsfreiheit“). Nur die Arbeitsgerichte überprüfen wie ein Schiedsrichter, ob sich auch alle Parteien fair verhalten.
Die Tarifautonomie im Gesetz
Die Tarifautonomie ist im Grundgesetz Artikel 9 Absatz 3 verankert. Dort heißt es, dass jeder das Recht darauf hat, Vereinigungen zu gründen, um für seine Arbeitsbedingungen einzustehen:
„Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet (Art. 9 Abs. 3 GG)“
Mit Vereinigungen meint der Gesetzgeber die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, also die Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Tarifvertragsgesetz
Etwas genauer sind die Vorschriften der Tarifautonomie im Tarifvertragsgesetz (TVG) geregelt. Dort steht zum Beispiel genau, für wen Tarifverträge gelten oder was darin vereinbart werden darf.
Zwar steht es den Arbeitnehmern und Arbeitgebern weitestgehend frei, was sie im Tarifvertrag regeln. Allerdings hat die Tarifautonomie einige Grenzen. Und zwar dort, wo es gesetzliche Mindeststandards gibt. Zum Beispiel beim Mindesturlaub oder dem Mindestlohn.
Ein Tarifvertrag dürfte daher nicht regeln, dass die Angestellten weniger als den Mindestlohn verdienen.
Der Tarifvertrag
Der Tarifvertrag ist das Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden. Es ist ein Vertrag, der allgemein für alle Beteiligten die Arbeitsbedingungen festlegt. Also zum Beispiel, was die Arbeitszeiten sind, wie viel Gehalt gezahlt wird oder wie lang die Kündigungsfrist ist.
Beispiel: Max schließt für sein Unternehmen, der Max Mustermann GmbH, mit einer Gewerkschaft einen Tarifvertrag. Darin ist geregelt, dass seine Mitarbeiter eine 4-Tage-Woche haben und insgesamt 40 Tage Urlaub im Kalenderjahr bekommen.
Der Tarifvertrag gilt dann für alle Arbeitnehmer in der Gewerkschaft. Ein Arbeitgeber kann allerdings auch mit einem Arbeitnehmer außerhalb der Gewerkschaft vereinbaren, dass für das Arbeitsverhältnis die Bedingungen des Tarifvertrages gelten sollen. Sie schreiben dann in den Arbeitsvertrag, dass sie sich auf den Tarifvertrag beziehen.
Arten von Tarifverträgen
Es gibt unterschiedliche Arten von Tarifverträgen, die jeweils etwas anderes regeln, oder einen anderen Geltungsbereich haben. Hier haben wir für dich einen Überblick über die verschiedenen Tarifverträge:
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Flächentarifverträge werden zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden auf Branchenebene abgeschlossen. Sie gelten für alle Unternehmen der Branche. Sie legen allgemeine Arbeitsbedingungen, Löhne und Gehälter für die gesamte Branche fest.
Beispiel: IG Metall Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie
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Haustarifverträge werden zwischen einem einzelnen Unternehmen und einer Gewerkschaft geschlossen. Sie regeln speziell die Bedingungen für das Unternehmen und sind daher genau auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter und des Unternehmens zugeschnitten. Vor allem große Unternehmen haben ihre eigenen Haustarifverträge.
Beispiel: Die Max Mustermann GmbH schließt für ihr Unternehmen einen Haustarifvertrag ab.
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Manteltarifverträge behandeln allgemeine Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeitregelungen, Urlaubstage, Kündigungsfristen, Sozialleistungen. Sie dienen oft als Ergänzung von Flächentarifverträgen.
Beispiel: Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
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Entgelttarifverträge regeln, wie hoch die Löhne und Gehälter
der Mitarbeiter sein sollen.
Beispiel: Tarifvertrag der Deutschen Bahn für Lokführer
Tarifverhandlungen
Doch wie kommt es überhaupt zu den Tarifverträgen? Dafür gibt es die Tarifverhandlungen. Sie laufen in etwa so ab:
- Zu Beginn stellen die Gewerkschaften erst einmal ihre Forderungen. Sie möchten zum Beispiel eine Lohnerhöhung um 10 %.
- Dann sind die Arbeitgeber an der Reihe. Die Gewerkschaften erwarten, dass der Arbeitgeberverband ihnen ein Gegenangebot macht oder zumindest bereit ist, mit ihnen zu verhandeln. Er bietet der Gewerkschaft zum Beispiel eine Erhöhung um 5 % an.
- Das ist der Gewerkschaft zu wenig, daher müssen die Parteien neu verhandeln. Können sie sich nicht einigen, kann es zum Arbeitskampf kommen. Dabei fangen dann die Arbeitnehmer an, ihre Arbeit niederzulegen (zu streiken). Der Arbeitgeber könnte reagieren, indem er den Betrieb stilllegt.
Beachte: Der Arbeitskampf hat strenge Voraussetzungen, damit es fair bleibt und nicht eine Seite der anderen etwas aufzwingen kann. Die Vorschriften dafür findest du im Tarifvertragsgesetz.
- In einer zweiten Verhandlungsrunde können die Parteien sich auf eine Erhöhung von 7,5 % verständigen. Das legen sie nun in einem Tarifvertrag fest, sodass die Erhöhung beschlossen ist. Der Staat hält sich hier heraus. Er kann den Tarifvertrag allerdings für allgemein verbindlich erklären, dieser gilt dann für alle Unternehmen.
Veränderungen der Tarifautonomie
Die Einführung des Mindestlohns hat die Tarifautonomie in Deutschland verändert. Denn der Staat hat eine Untergrenze für das Gehalt aller Arbeitnehmer gestellt. Das war eigentlich die Aufgabe der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, allerdings kamen in vielen Branchen keine Tarifverträge mehr zustande, weswegen der Staat hier eingriff.
Auch sonst werden Tarifverträge seltener und schwieriger, denn immer weniger neue Unternehmen schließen sich Arbeitgeberverbänden an. Auf der anderen Seite treten auch weniger Arbeitnehmer Gewerkschaften bei. Dadurch wird es zunehmend schwieriger für die Tarifparteien, Tarifverhandlungen führen zu können.
Vor- und Nachteile der Tarifautonomie
Die Tarifautonomie hat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Die wichtigsten haben wir dir hier zusammengefasst:
Vorteile | Nachteile |
✓ Verhandlung auf Augenhöhe: Bessere Verhandlungsposition für Mitarbeiter in der Gewerkschaft ✓ Allgemeine Gültigkeit: ✓ Flexibilität: ✓ Dynamik: ✓ Kündigungsschutz: |
✗ Keine Individualität: ✗ zu hohe Löhne: ✗ schwierigere Aufstiegsmöglichkeiten: |
Tarifautonomie — häufigste Fragen
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Warum gibt es die Tarifautonomie?
Durch die Tarifautonomie können Tarifverträge so geschlossen werden, dass sie die Arbeitsbedingungen optimal regeln, ohne die Arbeitgeber oder Arbeitnehmer vor unangemessene Voraussetzungen zu stellen. Sonst würde die Wirtschaft gefährdet und Arbeitsplätze könnten verloren gehen.
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Was versteht man unter Tarifautonomie?
Die Tarifautonomie bezeichnet die Freiheit, dass Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände die Arbeitsbedingungen frei in einem Tarifvertrag verhandeln dürfen, ohne dass sich der Staat einmischt.
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Für wen gilt die Tarifautonomie?
Die Tarifautonomie ist im Grundgesetz geregelt und gilt grundsätzlich für jeden. Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände verhandeln als Vertreter der Arbeitgeber und -nehmer die Arbeitsbedingungen autonom, also ohne staatliche Eingriffe.
Wirtschaftspolitik
Super! Jetzt kennst du die Definition der Tarifautonomie und weißt, dass der Staat sich hierbei heraushalten soll. Im Wirtschaftsgeschehen hat er dafür aber genügend andere Aufgaben zu erfüllen. Wie die staatliche Wirtschaftspolitik im Optimalfall aussehen soll, erfährst du hier.