Kernfusion
Die Kernfusion soll die Zukunft der Energieversorgung auf der Erde werden. In diesem Beitrag erfährst du unter anderem, was die Kernfusion ist und welche Bedeutung sie für unser Leben hat.
In unserem Video zur Kernfusion findest du alles, was du dazu wissen musst, in kürzester Zeit erklärt.
Inhaltsübersicht
Kernfusion einfach erklärt
Ohne die Kernfusion gäbe es auf der Erde kein Leben. Die Wärme und das Licht der Sonne sind das Ergebnis der Kernfusion.
Die Kernfusion ist eine Kernreaktion, bei der zwei Kerne zu einem größeren Kern verschmelzen und dabei unfassbare Energiemengen freigesetzt werden.
Interessanter Fakt: Die Kernfusion von einem einzigen Gramm Wasserstoff setzt die gleiche Energiemenge frei wie die Verbrennung von acht Tonnen Erdöl oder elf Tonnen Kohle.
Damit es zur Kernfusion kommen kann, müssen die Kerne sehr dicht beieinander gebracht werden. Auf der Erde werden dafür enorme Temperaturen in der Größenordnung von 100.000.000 °C gebraucht. Die dafür erfolgversprechendsten Kerne sind die Wasserstoffisotope Deuterium (H) und Tritium (H), die bei einer Kernfusion unter Freisetzung von Energie zu Helium (He) verschmelzen.
Was ist eine Kernfusion?
Bei der Kernfusion handelt es sich um eine Kernreaktion. Bei chemischen Reaktionen ordnen sich nur die Valenzelektronen der beteiligten Atome um, wenn chemische Bindungen geformt oder gebrochen werden. Die Atome selbst bleiben aber unverändert. Bei Kernreaktionen kommt es hingegen zu Änderungen der Teilchen innerhalb des Atomkerns selbst. Dadurch kommt es zu einem Wechsel von einem Element zu einem anderen.
Prinzipiell passiert bei der Kernfusion folgendes: Zwei kleine Atomkerne kombinieren zu einem größeren Atomkern. Das mag zwar nach einem sehr faszinierenden Phänomen klingen, aber welchen Nutzen hat er und wie kann es überhaupt zur Kernfusion kommen?
Kernfusion Zustandekommen
Aber, wie kann es denn überhaupt zu einer Kernfusion kommen? Dafür müssen sich die Atomkerne sehr dicht beieinander befinden. Das ist aber nicht leicht, denn die Atomkerne sind positiv geladen und somit existiert zwischen den Kernen eine elektrische Abstoßung . Diese sogenannte Coulombbarriere muss überwunden werden, damit die Anziehung durch die starke Wechselwirkung zwischen den Kernen überwiegt; es kommt zur Kernfusion. Der Abstand der dazu notwendig ist, beträgt . Auf der Erde versucht man diese Abstände zu erreichen, indem man Temperaturen in der Größenordnung von 100.000.000 °C erzielt. In der Sonne herrschen aufgrund des enormen Drucks Temperaturen von „nur“ 15.000.000 °C im Sonnenkern. Die Sonne bekommt diese Abstände durch Ausnutzen des sogenannten Tunneleffekts hin. Mehr dazu aber in späteren Abschnitten.
Damit du ein Gefühl dafür bekommst, welche enorme Kräfte überwunden werden müssen, sind hier ein paar Zahlen. Bei Abständen, die zur Fusion notwendig sind, wirkt auf die Protonen eine abstoßende elektrische Kraft von 230 N, was auf der Erde einer Masse von etwa 23 kg entspricht. Du kannst dir das also so vorstellen, als würde eine Masse von 23 kg an den Protonen hängen, die sie auseinanderzieht. Und für einen Proton ist eine solche Kraft unglaublich groß. Wenn wir diese Kraft auf einen Menschen mit einem Gewicht von 80 kg skalieren, erhalten wir eine Kraft von N.
Kernfusion Nutzen
Nun weißt du wie es zur Kernfusion kommen kann. Aber wieso sollte man überhaupt eine solche Kernfusion herbeiführen? Das beantworten wir dir jetzt.
Wiegst du die Atomkerne vor der Fusion und das Atomkern nach der Fusion, wirst du feststellen, dass das kombinierte Gewicht der einzelnen Kerne größer ist als das Gewicht der fusionierten Kerne. Wieso es zu dieser Beobachtung kommt, ist eine andere Frage, die wir später beantworten werden. Wichtiger ist die Tatsache, dass es passiert.
Diese Differenz in den Massen wird als Massendefekt bezeichnet. Bei der Kernfusion wird eine zum Massendefekt proportionale Energiemenge freigesetzt. Und genau das möchten sich Forscher zu Nutze machen, um die Energieversorgung auf der Erde zu revolutionieren. Die Hoffnung steckt in der Kernfusion der Wasserstoffisotope Deuterium (H) und Tritium (H) zu Helium (He).
Kernfusion Physik
Bei der Kernfusion kommt es also irgendwie zu einem Massendefekt und dadurch zu einer zu diesem Massendefekt freigesetzten Energie. In diesem Abschnitt erklären wir dir, wieso es zu diesem Massendefekt kommt und wie sich die freigesetzte Energie berechnen lässt.
Bindungsenergie und Masse-Energie Äquivalenz
Nehmen wir als Beispiel den Kern des Heliumatoms her, das aus zwei Protonen und zwei Neutronen besteht. Wenn du es einfach vor dir liegen lässt, wird nichts passieren. Insbesondere wird es sich nicht spontan dazu entscheiden, in seine einzelnen Bestandteile zu zerfallen. Man spricht auch davon, dass der Kern stabil ist.
Bindungsenergie
Möchtest du aber den Kern in seine Bestandteile zerlegen, musst du eine gewisse Arbeit aufbringen. Mit dieser Arbeit ist eine Energie verbunden, die du bei diesem Prozess aufwenden musst. Nun ist die Energie eine sehr besondere Größe in der Physik. Es handelt sich um eine Erhaltungsgröße . Vor Allem bedeutet das, dass die Gesamtenergie vor und nach dem Zerlegen des Heliumkerns die Gleiche ist. Wir haben also
Energie des Heliumkerns + Energie zum Zerlegen = Gesamtenergie der einzelnen Bestandteile
oder umgeformt auf die Energie des Heliumkerns
Energie des Heliumkerns = Gesamtenergie der einzelnen Bestandteile – Energie zum Zerlegen.
Das Minuszeichen auf der rechten Seite ist hier entscheidend. Damit ist die Energie des Heliumkerns kleiner als die Summe der Energien der einzelnen Bestandteiles dieses Kerns. Die „Energie zum Zerlegen“ wird auch als Bindungsenergie bezeichnet.
Äquivalenz von Masse und Energie und Massendefekt
Was hat das aber mit der Kernfusion und insbesondere mit der freigesetzten Energie zu tun? Die Antwort liegt in der wohl bekanntesten Formel der Physik
oder wie Einstein sie ursprünglich formulierte
.
Hier ist die Masse eines Objekts und die Lichtgeschwindigkeit. Der Buchstabe stellt die Ruheenergie dar, also die Energie des Objekts, wenn es nicht in Bewegung ist.
Diese Äquivalenz von Masse und Energie ist eine unfassbare Aussage. Um dir ein anschauliches Beispiel zu geben, stell dir eine Autobatterie vor. Nach Einstein wiegt sie, wenn sie voll geladen ist, mehr als im entladenen Zustand. Der Grund dafür ist, dass die geladene Batterie mehr chemische Energie enthält als die entladene Batterie. Gemäß der Äquivalenz von Masse und Energie geht dieser Überschuss an chemischer Energie mit einer größeren Masse einher. Die Lichtgeschwindigkeit ist aber so groß, dass die Differenz zwischen den beiden Massen im Alltag nicht bemerkbar wäre.
Zurück zu unserem Heliumkern. Da seine Energie kleiner ist als die Gesamtenergie der einzelnen Bestandteile, ist auch seine Masse kleiner. Diese Differenz entspricht gerade der Bindungsenergie dividiert durch die Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat und heißt Massendefekt. Es gilt also
.
Hier ist die Masse des Neutrons, die des Protons, die des Heliumkerns und das Symbol für die Bindungsenergie. Der Faktor 2 vor den Massen des Neutrons und Protons kommt daher zustande, dass der Heliumkern zwei Protonen und zwei Neutronen enthält.
Freigesetzte Energie
Bisher haben wir uns den Fall angesehen, dass wir den Heliumkern durch Aufwand von Arbeit in seine Bestandteile zerlegt haben. Umgekehrt können aber die einzelnen Bestandteile zu einem Heliumkern fusionieren. Auch bei diesem Prozess ist die Masse des Heliumkerns kleiner als die Gesamtmasse der zwei Protonen und Neutronen. Aus der Äquivalenz von Masse und Energie wissen wir, dass dann auch die Energie nach der Fusion kleiner ist. Und genau diese Differenz in den Energie vor und nach dem Zerlegen wird bei der Kernfusion freigesetzt.
Wenn wir den Massendefekt mit bezeichnen, dann erhalten wir für die freigesetzte Energie
.
Damit die Kernfusion überhaupt Energie freisetzt, muss die Bindungsenergie des Elements nach der Kernfusion größer sein als die Bindungsenergien der Elemente vor der Kernfusion. Dadurch kann nur unter Verschmelzung von leichten Kernen Energie freigesetzt werden, denn die Bindungsenergie nimmt nur bis zum Isotop Fe des Eisens zu.
Kernfusion der Sonne
Die Wärme, die du spürst, und das Licht, das du siehst, ist das Resultat der Kernfusion innerhalb des Kerns der Sonne. Ohne die Kernfusion gäbe es also auf unsere Erde kein Leben. Wie aber macht das die Sonne?
Grob gesprochen, stoßen eine Unmenge an Wasserstoffkerne aneinander, fusionieren dabei zum schwereren Helium, wodurch eine unglaublich große Menge an Energie freigesetzt wird. Wir können also die Frage konkretisieren: Wie schafft es die Sonne, die Wasserstoffkerne so nah einander zu bringen, dass es zur Kernfusion kommt?
Durch die Gravitation entstehen im Kern der Sonne enorme Temperaturen, die etwa in der Größenordnung von 15.000.000 °C liegen. Eine unfassbare hohe Temperatur, die aber erstaunlicherweise nicht zur Kernfusion ausreicht. Die Sonne macht sich ein quantenmechanisches Phänomen zu Nutze: den Tunneleffekt. Anschaulich gesprochen, besitzt jedes Proton eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es sich auf der anderen Seite der Coulombbarriere befindet. Das Proton hat die Barriere also überwunden oder „durchtunnelt“.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zwischen zwei Protonen zum Tunneleffekt kommt ist zu . Nur um dir ein Vergleich zu geben: Es ist wahrscheinlicher, dass du in einem Jahr viermal von einem Blitz getroffen wirst. Die Sonne selbst besteht, bezogen auf die Masse, aus 71% Wasserstoff, 27% Helium und 2% anderer Elemente. Die Masse des Wasserstoffs ist aber viel geringer als die der anderen Bestandteile. Bezogen auf die Elementanzahl ist die Verteilung anders: Die Sonne besteht zu 91,2% aus Wasserstoff, 8,7% aus Helium und 0,1% aus anderen Elementen. In der gesamten Sonne kannst du daher Protonen vorfinden und im Sonnenkern . Die Anzahl an Protonen, die potenziell miteinander fusionieren können, ist also unbegreiflich groß. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit des Tunneleffekts sehr gering ist, wird diese in gewisser Weise durch die enorme Anzahl an Protonen kompensiert.
Kernfusion Technische Umsetzung
In diesem letzten Abschnitt schauen wir uns die Schwierigkeiten bei der technischen Anwendung der Kernfusion an, welches Ziel verfolgt wird und was für Vorteile eine Energieversorgung durch Kernfusion bringen würde.
Schwierigkeiten und Ziele
Auf der Erde lässt sich die enorme Menge an Protonen wie im Sonnenkern nicht reproduzieren. Damit muss die Kernfusion auf eine andere Art und Weise stattfinden. Die Forscher stehen prinzipiell vor der Problematik, dass die sich abstoßenden Atomkerne so eng beieinander gebracht werden müssen, dass die starke Wechselwirkung zwischen den Kernen überwiegt. Das grundlegende Ziel dabei ist es, dass die bei der Kernfusion freigesetzte Energie größer ist als diejenige, die zum Erreichen der Verschmelzung aufgewandt wurde.
Um das zu ermöglichen, müssen die Atomkerne auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden. In bereits existierenden Beschleunigern wäre das in der Tat machbar. Leider wird dabei mehr Energie benötigt als bei den Zusammenstößen freigesetzt wird. Daher ist diese Methode nicht zielführend.
Die Alternative dazu, der sich die bekannten Forschungsprojekte ITER und JET widmen, ist das Erheizen der Kerne. Bei Temperaturen in der Größenordnung von 100.000.000 °C (also in etwa zehnmal heißer als im Sonnenkern) können bereits die zufälligen thermisch bewirkten Kollisionen zu einer Kernfusion führen. In einem solchen Temperaturbereich enstehen Plasmas: Ein Gemisch aus sich frei bewegenden positiven Ionen und Elektronen.
Dieses Plasma versucht man aufrechtzuerhalten, sodass es zur Kernfusion kommen kann. Die Sonne schafft das durch ihre enorme Gravitationskräfte. Im Labor soll dieser Einschluss durch Magnetfelder stattfinden. Es ist in diesem Zusammenhang auch die Rede von einer Fusion mittels magnetischen Einschlusses.
Vorteile
Die Kernfusion bietet im Vergleich zur Kernspaltung drei wesentliche Vorteile
- Ressourcenmengen: Die Hoffnung steckt in der Kernfusion der Wasserstoffisotope Deuterium (H) und Tritium (H) zu Helium (He). Deuterium kommt in den Ozeanen der Erde praktisch in unerschöpflichen Mengen vor. Tritium lässt sich in einem Fusionsreaktor durch das Lithiumisotop Li selbst herstellen. Auch dieses Isotop kommt in der Erde in sehr hohen Menge vor.
- Gefahr: Anders als bei der Kernspaltung ist die Gefahr einer unkontrollierten Kettenreaktion unwahrscheinlich. Sollte in einem Fusionsreaktor etwas schief gehen, würde das Plasma sofort abkühlen.
- Radioaktiver Abfall: Im Vergleich zur Kernspaltung besitzt der radioaktive Abfall bei der Kernfusion eine wesentlich geringere Halbwertszeit. Damit würde sich dieser eine bedeutende Zeit kürzer unterhalb der Erde befinden.