Einen bestimmten Bindungstyp entwickeln Kinder bereits durch ihre ersten Erfahrungen. Wie die Typen entstehen und welche Auswirkungen sie auf das Erwachsenenalter haben, zeigen wir dir hier und im Video!

Inhaltsübersicht

Was sind Bindungstypen?

Bindungstypen beschreiben, wie Kinder emotionale Beziehungen zu ihren wichtigsten Bezugspersonen aufbauen. Meistens sind das ihre Eltern, es können aber auch Erzieher, Geschwister oder andere Familienmitglieder sein. Diese emotionalen Verbindungen beeinflussen, wie Kinder sich selbst und andere sehen. Zudem haben die Bindungen direkte Auswirkungen auf den Umgang mit Nähe und Distanz in Beziehungen

Die ersten Lebenserfahrungen mit der Bezugsperson prägen außerdem, wie Beziehungen als Erwachsener erlebt werden. Es bestimmt, ob jemand eher vertrauensvoll, zurückhaltend, distanziert oder anhänglich ist. All das hängt mit dem Bindungstypen zusammen.

Insgesamt gibt es vier verschiedene Bindungstypen:
– Bindungstyp A: Unsicher-vermeidende Bindung
– Bindungstyp B: Sichere Bindung
– Bindungstyp C: Unsicher-ambivalente Bindung
– Bindungstyp D: Unsicher-desorganisierte Bindung

Die Bindungstheorie

Die Grundlagen der Bindungstypen, also die Bindungstheorie, wurde von dem britischen Kinderpsychiater John Bowlby gelegt. Er erkannte die entscheidende Bedeutung der ersten Beziehung im Leben eines Kindes.

Urvertrauen

Laut der Bindungstheorie ist das erste Lebensjahr entscheidend für die Entwicklung eines Kindes. Dort bildet sich nämlich das Urvertrauen. Es handelt sich um das grundlegende Gefühl, dass sich ein Kind auf seine Bezugsperson verlassen kann. Es entsteht, wenn die Bedürfnisse des Kindes zuverlässig und liebevoll von den Bezugspersonen erfüllt werden.

Bowlbys Theorien wurden später durch die Forschungen der Psychologin Mary Ainsworth ergänzt. Die Psychologin testete die Theorie an einem Experiment — dem Fremde-Situation-Test. Dabei wurden Kinder kurzzeitig von ihren Bezugspersonen getrennt und dann wieder vereint. Ainsworth beobachtete dabei, wie die Kinder auf Trennung und Wiedersehen reagieren. Daraus leitete sie das Bindungsverhalten ab.

Gleichzeitig betrachtete sie, wie die Kinder frei erkundeten und spielten, wenn ihre Bezugsperson abwesend war. Das nannte sie das Explorationsverhalten. Aus der Kombination des Bindungs- und Explorationsverhalten ergaben sich die vier Bindungstypen.

Bindungstyp A: Unsicher-vermeidende Bindung

Kinder mit einer unsicher-vermeidenden Bindung zeigen sich oft unbeeindruckt, wenn ihre Bezugsperson den Raum verlässt oder zurückkommt. Sie spielen alleine weiter, ohne sichtbar traurig zu sein oder Trost zu suchen. Bei der Rückkehr ignorieren sie diese manchmal sogar. Dieses Verhalten deutet nicht auf echte Unabhängigkeit hin. Es zeigt, dass diese Kinder gelernt haben, ihre Bedürfnisse nach Nähe und Zuwendung zu unterdrücken

Das Verhalten der Bezugsperson

Die Bezugsperson reagiert oft zurückhaltend auf die Bedürfnisse des Kindes, zeigt wenig emotionale Wärme und leht Nähe ab. Kinder in dieser Situation lernen, dass das Zeigen von Gefühlen oder das Suchen nach Trost wenig Erfolg bringt. Sie passen sich an und tun so, als bräuchten sie keine Hilfe oder Zuwendung.

Bindungstyp B: Sichere Bindung

Sicher gebundene Kinder zeigen ein ausgeglichenes Verhalten und trauen sich ihre Emotionen zu zeigen. Wenn ihre Bezugsperson den Raum verlässt, können sie zwar kurzzeitig traurig sein. Aber sie beruhigen sich relativ schnell und kehren zum Spielen zurück.

Bei der Wiedervereinigung suchen und akzeptieren sie aktiv den Trost und die Nähe ihrer Bezugsperson. Diese Kinder fühlen sich sicher genug, ihre Umgebung zu erkunden. Gleichzeitig wissen sie aber auch, dass sie eine verlässlicheBasis“ haben, zu der sie zurückkehren können.

Das Verhalten der Bezugsperson

Ursache für diesen Bindungstyp ist ein einfühlsames Verhalten der Bezugspersonen. Sie reagieren konsistent auf die Bedürfnisse des Kindes, bieten Trost und Unterstützung und fördern gleichzeitig die Selbstständigkeit des Kindes. Das gibt dem Kind ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen.

Bindungstyp C: Unsicher-ambivalente Bindung

Beim unsicher-ambivalenten Bindungstyp zeigen Kinder ein sehr anhängliches Verhalten gegenüber ihrer Bezugsperson. Sie reagieren stark beunruhigt auf die Trennung, was auch ihr Explorationsverhalten stark einschränkt. Sie finden schwer Trost, selbst wenn die Bezugsperson zurückkehrt. Manchmal zeigen sie auch Widerstand und Ärger, etwa durch Schlagen oder Abwenden — als wären sie verärgert über die Trennung.

Das Verhalten der Bezugsperson

Gekennzeichnet ist das Verhalten der Bezugsperson durch die inkonsistente Reaktion auf die Bedürfnisse des Kindes. Manchmal sind sie übermäßig fürsorglich und reagieren empathisch. Zu anderen Zeiten sind sie hingegen desinteressiert oder wirken abgelenkt. Diese Unberechenbarkeit führt dazu, dass Kinder verunsichert sind, ob ihre emotionalen Bedürfnisse erfüllt werden können. Das macht sie extrem abhängig von der physischen Anwesenheit ihrer Bezugsperson.

Bindungstyp D: Unsicher-desorganisierte Bindung

Kinder mit einer unsicher-desorganisierten Bindung verhalten sich besonders auffällig. Sie wirken verwirrt und zeigen oft widersprüchliche Reaktionen auf die An- oder Abwesenheit ihrer Bezugsperson. Diese Kinder können beispielsweise gleichzeitig Annäherungsversuche starten und sich dann abrupt abwenden, wenn die Bezugsperson zurückkehrt. Oder sie zeigen Verhaltensweisen, die nicht zur Situation passen, wie z. B. Erstarren, bizarre Bewegungen oder direktes Ignorieren der Bezugsperson.

Das Verhalten der Bezugsperson

Oft reagieren Bezugspersonen widersprüchlich, Furcht einflößend oder auch extrem unaufmerksam im Umgang mit dem Kind. In einigen Fällen können traumatische Erfahrungen, wie Missbrauch oder Vernachlässigung, Teil der Beziehungsgeschichte sein. Diese Kinder sehen ihre Bezugspersonen nicht als Quelle von Sicherheit und Schutz, sondern als Quelle von Angst und Verwirrung. 

Bindungstypen — Übersicht

Hier siehst du nochmal eine zusammenfassende Übersicht der Verhaltensweisen der Kinder und der Bezugspersonen für jeden Bindungstyp: 

Bindungstyp Verhalten Kind Verhalten Bindungsperson
A: unsicher-vermeidend
  • kein Urvertrauen in Bezugsperson
  • zeigen wenig Emotionen bei Trennung/Wiedersehen
  • starkes Explorationsverhalten
  • reagiert zurückweisend
  • emotional distanziert
  • ignoriert Bedürfnisse des Kindes
B: sicher
  • starkes Urvertrauen in Bezugsperson
  • erkunden Umgebung sicher
  • suchen Trost bei Rückkehr und drücken Gefühle offen aus
  • reagiert einfühlsam
  • konsistente Reaktionen auf Bedürfnisse des Kindes
  • unterstützt & fördert Unabhängigkeit
  • gibt Kind „sicheren Hafen“
C: unsicher-ambivalent
  • kein Urvertrauen in Bezugsperson 
  • mehrdeutiges Verhalten: suchen Nähe und zeigen Wut bei Wiederkehr
  • starkes Bindungsverhalten und Vermeidung von Trennungen
  • manchmal überfürsorglich
  • manchmal distanziert
  • inkonsistente Reaktionen auf Bedürfnisse des Kindes
  • unvorhersehbares Verhalten
D: unsicher-desorganisiert
  • kein Urvertrauen in Bezugsperson
  • emotional widersprüchliches und teilweise unvorhersehbares Verhalten
  • eventuelle psychische Probleme
  • Schwankung zwischen Passivität und Aggressionen im Verhalten
  • oft furchteinflößendes, verwirrendes, traumatisierendes Verhalten
  • Quelle der Angst
  • schlechte/keine Bindung zum Kind

Bindungstypen im Erwachsenenalter

Der Bindungstyp, den du als Kind entwickelst, beeinflusst auch deine Beziehungen im Erwachsenenalter. Dabei ergeben sich bestimmte Bindungstypen für Erwachsene:

  • Ängstlich vermeidende Bindung (aus Bindungstyp A)
  • Sichere Bindung (aus Bindungstyp B)
  • Anklammernde Bindung (aus Bindungstyp C)
  • Abweisende Bindung (aus Bindungstyp D)

Ängstlich vermeidende Bindung

Erwachsene mit einer ängstlich-vermeidenden Bindung haben oft ein negatives Bild von sich selbst und von anderen. Sie haben Schwierigkeiten, Nähe zuzulassen, da sie Zurückweisung und Verletzungen vermeiden wollen. Deshalb wahren Personen mit diesem Typ emotionalen Abstand zu ihren Partnern, um sich selbst zu schützen.

Sichere Bindung

Personen mit einer sicheren Bindung fühlen sich in Beziehungen wohl und sind in der Lage, sowohl Nähe als auch Unabhängigkeit zu genießen. Sie kommunizieren offen und ehrlich über ihre Bedürfnisse und Gefühle. Außerdem zeigen sie Empathie und Unterstützung für ihre Partner und bewältigen Konflikte konstruktiv.

Anklammernde Bindung

Beim anklammerndem Bindungstyp haben Betroffene häufig ein negatives Selbstbild, aber sehen andere positiv. Sie zweifeln an ihrem eigenen Wert und suchen daher Bestätigung durch ihre Beziehung. Solche Personen können sehr sensibel auf Anzeichen von Distanzierung reagieren und neigen dazu, ihre Partner mit Aufmerksamkeit und Liebe zu überschütten. Denn sie haben eine tiefe Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden. Deshalb werden Personen mit einer anklammernden Bindung auch schnell eifersüchtig.

Abweisende Bindung

Erwachsene mit einer abweisenden Bindung haben oft tiefe Vertrauensprobleme und Schwierigkeiten, sich emotional zu öffnen. Sie betrachten andere als unzuverlässig oder als potenzielle Quellen von Enttäuschung und Schmerz. Deshalb versuchen sie emotionale Nähe zu vermeiden und betonen dabei ihre Unabhängigkeit. Das kann oft zu Spannungen in Beziehungen führen.

Bindungstypen — häufigste Fragen

  • Was sind die Bindungstypen?
    Bowlby und Ainsworth haben mit ihrer Bindungstheorie 4 Bindungstypen identifiziert:
    • Bindungstyp A: unsicher-vermeidende Bindung
    • Bindungstyp B: sichere Bindung
    • Bindungstyp C: unsicher-ambivalente Bindung
    • Bindungstyp D: unsicher-desorganisierte Bindung
       
  • Wodurch zeichnet sich die unsicher-vermeidende Bindung aus?
    Die unsicher-vermeidende Bindung zeichnet sich bei Kindern durch Distanzierung und Unabhängigkeit aus. Sie haben gelernt, dass ihre Bezugspersonen ihre Bedürfnisse nicht verlässlich erfüllen. Deshalb tun sie so, als würde es sie nicht stören, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt.
     
  • Wodurch zeichnet sich die unsicher-ambivalente Bindung aus?
    Kinder mit einer unsicher-ambivalenten Bindung zeigen intensive Bindungsbedürfnisse, gepaart mit Angst vor Zurückweisung. Sie reagieren überempfindlich auf Trennung von der Bindungsperson durch Schreien oder Weinen. Bei dessen Rückkehr suchen sie aktiv nach Nähe, können aber auch Widerstand zeigen.

Entwicklungspsychologie

Wie Menschen emotionale Bindungen aufbauen, ist ein wichtiger Teil der Entwicklungspsychologie. Was noch dazu gehört und wie sie deine Entwicklung beeinflussen, zeigen wir dir hier!

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