Wie wird Sprache gelernt? Hier und im Video  erfährst du alles zu den vier wichtigsten Spracherwerbstheorien.

Inhaltsübersicht

Spracherwerbstheorien einfach erklärt

Spracherwerbstheorien sind wissenschaftliche Ansätze und Ansichten, die versuchen zu erklären, wie ein Mensch Sprache lernt. Die vier wichtigsten Spracherwerbstheorien sind:

  1. Behaviorismus
  2. Nativismus
  3. Kognitivismus
  4. Interaktionismus

Die vier Spracherwerbstheorien beziehen sich auf den Erstspracherwerb bei Kindern. Das ist die erste Sprache, die ein Kind lernt. Dabei sollen die Theorien beschreiben, wie der Prozess des Spracherwerbs überhaupt abläuft.

In der Spracherwerbsforschung setzen Wissenschaftler voraus, dass Sprache im engeren Sinn nur beim Menschen vorkommt. Kinder brauchen gewisse Voraussetzungen, um überhaupt Sprachen zu lernen. Dabei ist vor allem die kognitive Entwicklung wichtig. Aber auch das Umfeld ist entscheidend und kann sich auf den Spracherwerb auswirken.

Behaviorismus

Der Spracherwerb im Behaviorismus  hat folgenden Ansatz: Das Kind, das Sprache erlernt, wird als unbeschriebenes Blatt (lat. Tabula rasa) gesehen. Es wird erst durch Einflüsse der Umwelt, zum Beispiel durch das Interagieren mit den Eltern, geprägt. 

Der behavioristische Ansatz ignoriert innere Prozesse wie die Kognition oder Emotionen und betrachtet das Innenleben des Kindes als eine Black-Box. Im Behaviorismus schaut man nicht direkt in diese Box, sondern konzentriert sich darauf, wie sich ein Kind auf äußere Reize hin verhält.

Die behavioristische Spracherwerbstheorie wurde vom Psychologen John B. Watson eingeführt und von Burrhus F. Skinner weiterentwickelt. Skinner erklärte den Spracherwerb so: Kinder lernen Sprache durch Reaktionen ihrer Umwelt. Das kann Lob bei „richtigen“ Lautäußerungen oder negative bzw. neutrale Rückmeldung bei Fehlern sein. Den Prozess nennst du auch operante Konditionierung.

Beispiel: Eltern klatschen oder jubeln, wenn ihr Kind ein Wort richtig ausspricht. Das Wort festigt sich im Vokabular des Kindes. Deshalb erlernt ein Kind Wörter vor allem durch Imitation und Verstärkung.

Kritik am Behaviorismus

Der Behaviorismus wird häufig dafür kritisiert, dass er den Spracherwerb zu stark auf äußere Reize und Belohnungen reduziert und innere kognitive Prozesse vernachlässigt. Außerdem kann die Theorie nicht erklären, wie Kinder komplexe grammatikalische Strukturen und kreative Ausdrucksweisen lernen.

Nativismus

Der Nativismus baut darauf auf, dass der Spracherwerb im Inneren des Kindes abläuft. Die Theorie stellt eine Art Gegenbewegung zum Behaviorismus dar. Entwickelt wurde sie vom amerikanischen Sprachwissenschaftler Noam Chomsky. Er argumentierte, dass Sprache zu komplex sei, um sie allein durch äußere Einflüsse erlernen zu können.

Der Spracherwerb funktioniert laut Chomskys Nativismus so: Kinder kommen mit angeborenen sprachspezifischen Fähigkeiten auf die Welt. Die angeborenen Begabungen werden auch als vorprogrammierte mentale Schablonen bezeichnet. Außerdem sind Kinder mit einer Art Universalgrammatik ausgestattet. Das sind angeborene grammatikalische Kompetenzen, die sie auf alle Sprachen anwenden können.

Beispiel: Ein Kind hört eine Sprache, leitet daraus selbst Regeln ab und wendet diese an.

Kritik am Nativismus

Der Nativismus wird kritisiert, weil er die Idee einer angeborenen Universalgrammatik nicht ausreichend belegt und die Vielfalt der menschlichen Sprachen nicht angemessen berücksichtigt. Außerdem lässt die Theorie wenig Raum für den Einfluss der Umwelt und sozialer Interaktionen auf den Spracherwerb.

Kognitivismus

Im Kognitivismus wird der Spracherwerb als eine spezielle Form des Lernens betrachtet. Er nimmt an, dass Kinder aktiv Wissen konstruieren und ihre Umgebung durch Denkprozesse verstehen. Hier spielen unter anderem die Wahrnehmung eines Kindes, das Erkennen von Wörtern und das Gedächtnis eine wichtige Rolle.

Der Schweizer Biologe Jean Piaget sieht den kognitiven Spracherwerb als Teil der gesamten geistigen Entwicklung eines Kindes an. Sprache kann laut ihm nicht isoliert betrachtet werden. Sie entwickelt sich erst, wenn das Denkvermögen eines Kindes entsprechend ausgebildet ist. Dadurch erlangen Kinder die Fähigkeit, abstrakt über konkrete Gegenstände oder Ereignisse nachzudenken und zu sprechen. Sie müssen die Umwelt somit erst mit all ihren Sinnen erfahren.

Beispiel: Ein Kind begreift, dass Symbole für verschiedene Dinge stehen können (Symbolverständnis). Es versteht beispielsweise, dass die Zahl 3 für drei Äpfel stehen kann.

Kritik am Kognitivismus

Kritiker bemängeln, dass sich der Kognitivismus zu sehr auf die geistigen Fähigkeiten konzentriert und soziale und emotionale Aspekte des Spracherwerbs vernachlässigt. Auch genetische Einflüsse und die Entwicklung körperlicher Fertigkeiten werden nicht miteinbezogen.

Interaktionismus

Der Interaktionismus wurde vom Psychologen Jerome Bruner entwickelt. Laut dieser Theorie haben Kinder eine angeborene Lernfähigkeit, lernen aber auch durch den Einfluss ihrer Umwelt. Der interaktionistische Ansatz kombiniert also den Nativismus und den Kognitivismus.

Besonders ist an dieser Theorie allerdings, dass die Umwelt auch mit dem Kind interagiert. Damit sind vor allem die Eltern eines Kindes gemeint. Sie passen sich bei der Kommunikation sprachlich dem Entwicklungsstand des Kindes an.

Beispiel: Erwachsene verwenden beim Sprechen mit Kleinkindern oft die „Ammensprache“. Sie erhöhen dabei ihre Tonlage, betonen manche Wörter stärker und verwenden kurze Sätze und Wiederholungen. Das dient dazu, den Spracherwerb des Kindes zu fördern.

Kritik am Interaktionismus

Es wird kritisiert, dass der Interaktionismus auf biologische Grundlagen des Spracherwerbs zu wenig Wert legt und die Rolle genetischer Faktoren unterschätzt.

Spracherwerbstheorien Tabelle

Es gibt einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Spracherwerbstheorien. Sie können beispielsweise den Inside-Out- oder Outside-In-Modellen zugeordnet werden.

  • Inside-Out: Der Ansatz besagt, dass sprachliche Fähigkeiten angeboren sind oder dass dafür eine Veranlagung besteht.
     
  • Outside-In: Das sind Theorien, die behaupten, dass sprachliches Wissen ähnlich wie andere Fähigkeiten erlernt wird. Hierbei wird das Lernen durch Umweltreize angetrieben.

Die folgende Tabelle der Spracherwerbstheorien zeigt dir die Eigenschaften im Vergleich.

Theorie Spracherwerb Denkrichtung Vertreter Lernprozess
Behaviorismus Imitation und Konditionierung Outside-In Burrhus F. Skinner

Wiederholen und Einprägen von Wörtern durch Lob/Strafe

Nativismus angeborene Fähigkeiten Inside-Out Noam Chomsky Anwenden und Erweitern der angeborenen Universalgrammatik
Kognitivismus erlernte kognitive Fähigkeiten  Outside-In Jean Piaget geistige Entwicklung und aktives Verarbeiten der Umweltreize
Interaktionismus soziale Interaktionen mit Umfeld  Outside-In Jerome Bruner Weiterentwickeln der angeborenen Fähigkeiten durch Interaktionen mit Erwachsenen

Spracherwerbstheorien — häufigste Fragen

  • Was ist eine Spracherwerbstheorie?
    Eine Spracherwerbstheorie versucht zu erklären, wie Sprache erlernt wird. In der Sprachwissenschaft gibt es verschiedene Ansätze. Laut ihnen hängt das Erlernen von Sprache von unterschiedlichen Faktoren ab. Dazu zählen unter anderem die Veranlagung eines Menschen und die Einflüsse der Umwelt, die auf ihn wirken.
     
  • Was sind die wichtigsten Spracherwerbstheorien?
    Es gibt verschiedene theoretische Ansätze zur Entstehung von Sprache, die sich in vielerlei Hinsicht ergänzen. Die vier am häufigsten genannten Spracherwerbstheorien sind der Behaviorismus, der Nativismus, der Kognitivismus und der Interaktionismus.

Sprachentwicklung Kind

Jetzt weißt du über die verschiedenen Spracherwerbstheorien Bescheid. Den genauen Ablauf der Sprachentwicklung bei Kindern zeigen wir dir hier!  

Zum Video: Sprachentwicklung Kind
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Kognitive Entwicklung

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