Garantenstellung
Du fragst dich, was eine Garantenstellung ist? Im Artikel und im Video erfährst du die Definition der Garantenstellung und bekommst viele Beispiele!
Inhaltsübersicht
Garantenstellung einfach erklärt
Die Garantenstellung ist ein Begriff aus dem Strafrecht (§ 13 StGB). Es handelt sich dabei um die Pflicht einer Person, dafür einzustehen, dass ein bestimmter tatbestandlicher Erfolg (z.B. Körperverletzung) nicht eintritt. Tut sie das nicht, macht sie sich strafbar wegen Unterlassen (Nichtstun).
Beispiel: Eltern helfen vorsätzlich (absichtlich) ihrem ertrinkenden Kind nicht. Sie werden dann wegen Totschlags bestraft. Durch das Unterlassen der Hilfe haben sie nämlich indirekt dafür gesorgt, dass das Kind stirbt.
Eine solche Verpflichtung (sog. Garantenpflicht) kann sich unter anderem aus dem Gesetz (z.B. unter Ehegatten, Eltern für ihre Kinder) oder aus einem Vertrag (z.B. Obhut im Kindergarten) ergeben.
Die Garantenstellung ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass bei sogenannten „unechten Unterlassungsdelikten“ eine Straftat vorliegt.
Jetzt kennst du die Definition der Garantenstellung nach § 13 StGB. Schau dir als Nächstes an, welche Rolle die Garantenstellung im Strafrecht genau spielt!
Echte vs. unechte Unterlassungsdelikte
Im Strafrecht unterscheidest du echte Unterlassungsdelikte und unechte Unterlassungsdelikte.
Echte Unterlassungsdelikte sind Straftaten, bei denen sich ein Täter dadurch strafbar macht, dass er in einer bestimmten Situation nicht gehandelt hat. Beispiele für echte Unterlassungsdelikte sind die unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) oder die Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB). Der Täter tut eine gebotene Handlung (z.B. Hilfeleistung für eine verletzte Person) nicht, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte und die Handlung zumutbar war.
Auch bei den unechten Unterlassungsdelikten unterlässt der Täter eine gebotene Handlung, obwohl sie zumutbar war und er die Möglichkeit hatte. Hinzu kommt aber noch, dass der Täter aufgrund seiner Garantenstellung die Pflicht gehabt hätte, zu handeln (Rechtspflicht zum Handeln): Er war also dazu verpflichtet, einen bestimmten tatbestandlichen Erfolg zu verhindern.
Achtung! „Erfolg“ bedeutet hier nichts Gutes! Damit ist nämlich ein tatbestandlicher Erfolg aus dem Gesetz gemeint, zum Beispiel eine Körperverletzung.
Ein Kind droht in einem See zu ertrinken. Wenn die Eltern ihrem Kind vorsätzlich (absichtlich) nicht helfen, werden sie wegen Totschlags bestraft. Denn die Eltern haben für ihr Kind eine Garantenstellung, die sich aus dem Gesetz ergibt (Personensorge nach §§ 1626, 1631 BGB).
Jetzt gibt es noch eine dritte Person am See, die mit der Familie nichts zu tun hat. Sie steht interessiert, aber tatenlos am Ufer (Gaffer). Diese Person besitzt im Gegensatz zu den Eltern aber keine Garantenstellung bezüglich des Kindes. Daher kann die Person auch nicht wegen Totschlags bestraft werden — aber trotzdem wegen unterlassener Hilfeleistung.
Bei den unechten Unterlassungsdelikten kann im Gegensatz zu den echten Unterlassungsdelikten also nur jemand Täter sein, der eine Garantenstellung und somit eine Garantenpflicht hat.
Du weißt jetzt, was eine Garantenstellung ist und welche Bedeutung sie im Strafrecht hat. Aber wann liegt eine Garantenstellung eigentlich vor?
Garantenstellung — Konstellationen
Nach der heutigen Rechtsprechung gibt es vier verschiedene Konstellationen, aus denen sich eine Garantenstellung ergeben kann:
- aus dem Gesetz
- aus einem Vertrag
- aus vorangegangenem gefährdendem Tun (Ingerenz)
- aus engen Lebensbeziehungen
Übrigens: Die neuere Lehre in der Rechtswissenschaft unterscheidet eine Garantenstellung aus Obhutspflichten (Beschützergaranten) und aus Sicherungspflichten (Überwachergaranten). Beide Ansichten basieren am Ende aber auf denselben Kriterien. Es handelt sich dabei also nur um einen akademischen Meinungsstreit.
1. Garantenstellung — Gesetz
Eine Garantenstellung kann aufgrund des Gesetzes bestehen. Das ist zum Beispiel der Fall:
- unter Ehegatten: Nach § 1353 Absatz 1 Satz 2 BGB sind Ehepartner dazu verpflichtet, sich bei Lebensgefahr gegenseitig zu schützen und zu helfen.
- bei Eltern für ihre Kinder: Eltern sind gesetzlich dazu verpflichtet, Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit von ihren Kindern fernzuhalten (§ 1626 II BGB).
2. Garantenstellung — Vertrag
Damit eine Garantenstellung aus einem Vertrag vorliegt, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Der Vertrag muss tatsächlich eine Verpflichtung festlegen,
- durch die eine besondere Vertrauenslage geschaffen wird,
- die zusätzlich noch eine Schutzfunktion hat.
Beispiele dafür sind der ärztliche Behandlungsvertrag oder die Obhut im Kindergarten. Der Kindergarten verpflichtet sich bei der Aufnahme eines Kindes, auf das Kind aufzupassen. Die Eltern vertrauen den Mitarbeitern des Kindergartens, dass sie das gewissenhaft tun. Dabei müssen die Mitarbeiter dafür sorgen, dass dem Kind während des Spielens nichts passiert.
3. Garantenstellung — Ingerenz
Eine Garantenstellung kann sich auch aus sogenanntem gefahrverursachendem Vorverhalten (Ingerenz) ergeben.
Angenommen, eine Person hat rechtswidrig durch ein vorangegangenes Verhalten eine konkrete Gefahr für andere geschaffen (z.B. indem sie eine Baustelle nicht gut genug gesichert hat). Dann ist die Person dazu verpflichtet, Rettungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn jemand anderes droht, dadurch zu Schaden zu kommen (z.B. in eine tiefe Grube auf der Baustelle zu fallen).
Eine Garantenstellung kann sich auch dann ergeben, wenn jemand eine Gefahr durch ein rechtmäßiges Vorverhalten schafft. Hier ist aber eine besondere Begründung für die Garantenstellung erforderlich.
Übrigens: Eine Garantenstellung lieg auf jeden Fall nicht vor, wenn es sich beim gefahrverursachenden Vorverhalten einer Person um Notwehr (§32 StGB) handelt. Gleiches gilt für einen Autofahrer, der einen anderen Verkehrsteilnehmer verletzt, obwohl er eigentlich sorgfältig und fehlerfrei gefahren ist.
4. Garantenstellung — enge Lebensbeziehungen
Eine Garantenstellung aus engen Lebensbeziehungen ergibt sich vor allem dann, wenn ein enges Gemeinschaftsverhältnis besteht.
Eine solche Garantenstellung kann sich zum Beispiel ergeben:
- unter Geschwistern
- zwischen anderen Verwandten
- bei besonders engen Partnerschaften, auch wenn die Betroffenen nicht verheiratet sind
Eine Garantenstellung aus engen Lebensbeziehungen kann sich aber auch bei sehr kurzfristigen Lebensgemeinschaften ergeben, wie zum Beispiel bei Expeditionen oder Klettergruppen. Nicht ausreichend für eine solche Garantenstellung sind hingegen Zufallsgemeinschaften, wie etwa bei Trinkkumpanen oder Drogenkonsumenten.
Tatbestand
Geschafft! Nun weißt du bestens darüber Bescheid, was eine Garantenstellung nach § 13 StGB ist und hast Beispiele gesehen. Die Garantenstellung ist eine Pflicht im Strafrecht, dafür einzustehen, dass ein bestimmter tatbestandlicher Erfolg nicht eintritt. Du willst mehr zum Thema Tatbestand erfahren? Dann schau dir unser Video dazu an!