Literatur der Jahrhundertwende
Was zeichnet eigentlich die Literatur der Jahrhundertwende aus? Alles zu den Merkmalen und den Vertretern der Epoche erfährst du hier und im Video !
Inhaltsübersicht
Literatur der Jahrhundertwende — Epoche einfach erklärt
Die Literatur der Jahrhundertwende, also die Literatur um 1900, zeichnet sich durch ihre Vielfalt an literarischen Strömungen aus. Du sprichst in dem Zusammenhang auch von Stilpluralismus, weil Künstler zu dieser Zeit bewusst Elemente aus verschiedenen Stilen und Epochen in ihren Werken kombinierten.
Die wichtigsten Strömungen der Literatur um die Jahrhundertwende sind:
- Impressionismus
- Symbolismus
- Fin de Siècle
- Neuromantik
Trotz ihrer Unterschiede verbindet die Strömungen eine Gemeinsamkeit: Sie gelten als Gegenbewegung zum Naturalismus. Denn die Literaturepochen der Jahrhundertwende setzen mehr auf persönliche Gefühle und die Suche nach Bedeutung, statt sich ausschließlich auf realitätsgetreue Darstellungen zu konzentrieren.
Die Jahrhundertwende markiert den Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert und wird von gesellschaftlichen Veränderungen begleitet. In dieser Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit in Politik, Wissenschaft und Technologie entstand auch die „Literatur der Jahrhundertwende“. Im Zeitraum von 1890 bis 1910 experimentierten Autoren mit neuen Ausdrucksformen, Erzähltechniken und Themen, um die Menschen in einer sich wandelnden Welt darzustellen.
Tipp: Einen Überblick über alle Literaturepochen findest du hier.
Zeitraum: 1890-1910
Einordnung: parallel zu Moderne,
Symbolismus
und Impressionismus
Geschichte: Industrialisierung, Verstädterung, neue wissenschaftliche Erkenntnisse, Sigmund Freud
und Albert Einstein
Weltbild: Aufbruchstimmung, Melancholie, Ende einer Ära
Themen: viele unterschiedliche Themen von Fantasie- und Traumwelt bis zu Natur, Tod und Vergänglichkeit
Strömungen: Impressionismus, Symbolismus, Fin de Siècle,
Neuromantik
Literatur: Lyrik,
Prosagedichte, Kunstmärchen, Novellen,
Essays und Briefe
Wichtige Vertreter: Schnitzler, Rilke, Wedekind, von Hofmannsthal, George, Hauptmann
Literatur der Jahrhundertwende — Historischer Hintergrund
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war ein Großteil der Bevölkerung von Armut betroffen, da die Industrialisierung die Gesellschaft grundlegend veränderte. Die Erfindung der Dampfmaschine revolutionierte die Produktion von Gütern, führte jedoch zu Verlust von Arbeitsplätzen auf dem Land und einem starken Zuzug in die Städte.
Die Verstädterung brachte jedoch nicht für alle Arbeitssuchenden Beschäftigung, was zu zunehmender Arbeitslosigkeit und begrenztem Wohnraum führte. Außerdem stiegen die Kriminalität sowie der Alkoholkonsum und Krankheiten breiteten sich aus. Die Zeit war von Armut, schlechten Arbeitsbedingungen und gesellschaftlicher Spaltung geprägt.
Parallel dazu beeinflussten neue wissenschaftliche Erkenntnisse das Menschenbild. Die Milieutheorie von Hippolyte Taine betonte die Fremdbestimmung des Menschen durch äußere Faktoren. Das heißt, das Leben und Verhalten einer Person wird von ihrem Umfeld geprägt. Der Mensch wird also durch äußere Faktoren wie die Vererbung und die soziale Schicht, in die er hineingeboren wird, fremdbestimmt.
Sigmund Freuds Psychoanalyse und Albert Einsteins Relativitätstheorie revolutionierten ebenfalls das Denken über den Menschen und das Universum. Durch die neuen wissenschaftlichen Perspektiven nahmen auch die Bedeutung und der Glaube an die christliche Religion ab.
Die vielen Veränderungen lösten unterschiedliche Stimmungen aus: Die Bevölkerung war teils in Aufbruchsstimmung und feierte den Fortschritt. Gleichzeitig waren die Menschen geprägt von Angst und Pessimismus, da eine Ära zu Ende ging. Deshalb flüchteten viele Künstler und Schriftsteller in Gefühls- und Traumwelten.
Literatur der Jahrhundertwende — Strömungen
Die Veränderungen und Unsicherheiten am Ende des 19. Jahrhunderts spiegelten sich deutlich in der Literatur der Jahrhundertwende wider. Die Autoren dieser Zeit reagierten auf die sozialen, wissenschaftlichen und kulturellen Umbrüche, indem sie eine Vielzahl von literarischen Strömungen und Stilen erkundeten.
Mehr zu den Merkmalen und der Literatur der einzelnen Strömungen um die Jahrhundertwende siehst du hier:
Strömung | Merkmale | Literatur |
Impressionismus |
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Symbolismus |
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Fin de Siécle (franz. für „Ende des Jahrhunderts“) |
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Neuromantik |
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Literatur der Jahrhundertwende vs. Epoche der Moderne
Die Literatur der Jahrhundertwende und die Epoche der Moderne haben einige Ähnlichkeiten. Die Moderne ist auf den Zeitraum von 1880 bis 1920 datiert und steht klar im Gegensatz zu vorherigen Stilen wie dem Naturalismus und Realismus. Politische Botschaften gerieten in den Hintergrund, denn Vertreter verfolgten das Motto „Kunst um der Kunst willen“.
Die Moderne umfasst die Strömungen des Impressionismus, des Symbolismus und der Neuromantik, aber auch des Expressionismus und der Avantgarde. Letztere zwei entstanden nach der Jahrhundertwende, weshalb sie nicht mehr zur Literaturepoche der Jahrhundertwende zählen.
Literatur der Jahrhundertwende — Werke und Vertreter
In der Literatur der Jahrhundertwende stand vor allem eine neuartige Form der Selbstkritik im Mittelpunkt. Die Autoren und Künstler dieser Zeit entwickelten eine Haltung, bei der Literatur und Kunst nicht mehr gesellschaftlichen Normen verpflichtet waren, sondern vielmehr sich selbst gegenüber. Das bedeutet, dass die Vertreter bewusst von den etablierten Regeln abwichen und eine kreative Freiheit in der Gestaltung ihrer Werke suchten.
Diese Selbstkritik äußerte sich nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich. Die Schriftsteller nutzten viele sprachliche Mittel, wie Metaphern, um ihre Ideen und Gefühle auszudrücken.
Gut zu wissen: Die Autoren und Werke zu Zeiten der Jahrhundertwende lassen sich oft nicht einer bestimmten Strömung oder Epoche zuordnen. Verschiedene Werke des gleichen Autors können auch zu verschiedenen Strömungen passen.
Literatur der Jahrhundertwende — Gedichte und Gedichtzyklen
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„Nach der Lese“ (1897) — Stefan George: In diesem Gedichtzyklus setzt sich George mit Themen wie Vergänglichkeit, Liebe und Natur auseinander. Die Natur wird als Spiegel für menschliche Emotionen und Erlebnisse genutzt. Die Sprache ist reich an Symbolen, was typisch für die Epoche des Symbolismus ist.
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„Der Panther“
(1903) — Rainer Maria Rilke: Das Gedicht beschreibt einen gefangenen Panther im Zoo und vermittelt ein Gefühl der Unnahbarkeit. Die klaren Beobachtungen und Metaphern des Gedichtes sind ebenfalls Merkmale des Symbolismus und zeigen Rilkes intensive Gedankenwelt.
- „Das Stunden-Buch“ (1905) — Rainer Maria Rilke: Die Gedichtsammlung setzt sich mit Themen wie Liebe, Spiritualität und Zeit auseinander. Die Gedichte handeln von der Suche nach einer höheren Existenz und der Bedeutung der Mystik. Hier zeigt sich der Übergang von der Jahrhundertwende zur Moderne.
Literatur der Jahrhundertwende — Epische Werke
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„Der einsame Weg“ (1904) — Arthur Schnitzler: Schnitzlers Drama
thematisiert die soziale Isolation und den existenziellen Konflikt des Menschen. Es zeigt somit psychologische und soziale Herausforderungen, die mit der Jahrhundertwende einhergehen.
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„Reitergeschichte“ (1899) — Hugo von Hofmannsthal: Die Novelle behandelt den Übergang von der Jahrhundertwende zur Moderne. Die Erzählung reflektiert das Bewusstsein des Protagonisten und dessen Suche nach Identität und Sinn in einer sich wandelnden Welt.
- „Leutnant Gustl“ (1900) — Arthur Schnitzler: Der Autor verwendet hier die innere Monologtechnik, um das Bewusstsein und die Moral eines Offiziers aufzuzeigen. Die Erzählung spiegelt die Unsicherheit und moralische Verwirrung in der Gesellschaft um die Jahrhundertwende wider.
Literatur der Jahrhundertwende — Dramen
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„Jedermann“ (1911) — Hugo von Hofmannsthal: Das Drama von Hofmannsthal ist eine Neufassung des mittelalterlichen Mysterienspiels und stellt das Leben, die Moral und den Tod dar.
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„Der Thor und der Tod“ (1894) — Hugo von Hofmannsthal: Dieses Drama von Hofmannsthal erforscht die Beziehung zwischen einem Edelmann und dem Tod. Rhetorische Mittel beschreiben die Suche nach dem Sinn des Lebens.
- „Die Ratten“ (1911) — Gerhart Hauptmann: Das Drama handelt von sozialer Ungerechtigkeit und thematisiert Armut, schlechte Lebensbedingungen in Arbeitervierteln und die Hoffnungslosigkeit vieler Menschen. Es spiegelt die Realität und Konflikte der Jahrhundertwende in Deutschland wider.
Wichtig: Da sich die Literaturepochen um die Jahrhundertwende überschneiden, können gewisse Werke zu mehreren Epochen zugeordnet werden. Durch den Einsatz des Stilpluralismus wurden auch viele Merkmale mehrerer Epochen in den Werken miteinander vermischt.
Literatur der Jahrhundertwende — häufigste Fragen
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Was ist die Jahrhundertwende?
Die Jahrhundertwende ist die Übergangsphase, in der ein Jahrhundert in das nächste übergeht. Im Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert entstanden viele verschiedene literarische Bewegungen, die die kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen der Zeit widerspiegelten.
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Was gehört alles zur Epoche Literatur der Jahrhundertwende?
Zu den Strömungen der Jahrhundertwende Epoche gehören in der Zeitspanne von 1890 bis 1925 der Impressionismus, der Symbolismus, der Expressionismus, der Jugendstil, das Fin de Siècle, die Neuromantik, der Neoklassizismus und die Heimatbewegung.
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Was ist das Fin de Siècle?
„Fin de Siècle“ ist ein französischer Ausdruck, der übersetzt „Ende des Jahrhunderts“ bedeutet. Damit wird ein Lebensgefühl sowie eine künstlerische Epoche zwischen 1890 und 1914 bezeichnet. Themen der Strömung sind unter anderem Melancholie, Krankheit und Tod.
Moderne (Epoche)
Die Literatur der Jahrhundertwende und die Epoche der Moderne überschneiden sich. Die Moderne bezieht sich jedoch auf einen breiteren Zeitraum. Mehr dazu erfährst du im Video!