Bestimmt hast du schon einmal vom Naturalismus gehört. Was das genau ist und wer die Vertreter dieser Epoche sind, erfährst du in unserem Artikel und Video !

Inhaltsübersicht

Naturalismus Epoche einfach erklärt

Der Naturalismus war eine Epoche der Literatur, die von 1880 bis 1900 in Deutschland verbreitet war. Ziel ihrer Anhänger war es, die Realität möglichst realistisch und ungeschönt darzustellen. Sie kritisierten soziale Missstände durch die Beschreibung der schlechten Lebensbedingungen der Unterschicht, die sich durch die Industrialisierung verschlimmert hatten.

Um vollkommene Objektivität, also Sachlichkeit zu erreichen, benutzten sie naturwissenschaftliche Methoden für ihre Texte. Das Beschriebene sollte mit den Sinnen wahrnehmbar sein. Im Grunde war der Naturalismus eine Steigerung des Realismus , der negative Dinge noch verharmlosend umschrieben hatte. Im Naturalismus hingegen fand auch das Hässliche seinen Platz.

Naturalismus Definition

Die Epoche des Naturalismus umschließt in Deutschland den Zeitraum von 1880 bis 1900. Ziel der Autoren war es, die harten Seiten des Lebens möglichst sachlich, unbeschönigt und wirklichkeitsgetreu zu beschreiben. Sie übten damit Kritik an den schlechten Lebensumständen der unteren Gesellschaftsschichten, die durch die Industrialisierung immer mehr verarmten.

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Zeitstrahl literarische Epochen (bis 1920)
Steckbrief Naturalismus – Merkmale im Überblick
  • Zeitraum: 1880-1900
  • Einordnung: parallel zu Realismus und Moderne
  • Geschichtlicher Hintergrund: Industrialisierung, Verstädterung, Arbeiterklasse, wissenschaftliche Erkenntnisse, überfüllte Elendsviertel in den Städten, soziale Frage
  • Weltbild: der Mensch als fremdbestimmtes Wesen, das von seinen Genen und seinem sozialen Umfeld geprägt wird (Milieutheorie)
  • Themen: Kunst und Literatur als Wissenschaft, Darstellung des Hässlichen, unverfälschte Abbildung der Realität, Milieutheorie, Sekundenstil
  • Literatur: viele Dramen, kurze epische Textformen, wenig Lyrik
  • Vertreter: Hauptmann, Schlaf, Holz

Naturalismus Epoche – historischer Hintergrund

Um 1900 war die Welt in Aufruhr. Der wissenschaftliche und technologische Fortschritt veränderte das Leben der Menschen grundlegend. Durch die Industrialisierung wurden große Fabriken für Maschinen in den Städten gebaut. Die Produktion von Gütern wurde so schneller und billiger. Kleine Unternehmen auf dem Land wurden überflüssig. Viele Bauern verloren ihre Arbeit und zogen in die Städte, um in den Fabriken zu arbeiten. Es war eine schwere körperliche Arbeit, mit langen Arbeitszeiten und schlechter Bezahlung. Der Ansturm war allerdings so groß, dass die Städte schnell überfüllt waren und es nicht genug Arbeitsplätze gab.

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Die Industrialisierung brachte Arbeitsplätze, aber auch Schmutz und Elend in die Städte.

Die soziale Frage

Die Folgen waren Armut, Obdachlosigkeit und Elend. Das Bild der Städte hatte sich nicht nur durch die Verschmutzung der Fabrik-Schornsteine verändert, sondern auch durch die Bildung von Elendsvierteln. Das führte zu Kriminalität, Prostitution und Alkoholismus in den ärmeren Gesellschaftsschichten.

Naturalismus Epoche – Welt- und Menschenbild

Neue Entdeckungen der Naturwissenschaften beeinflussten die Denkweise des Bildungsbürgertums. Bahnbrechende Erkenntnisse wie Charles Darwins Evolutionstheorie und Sigmund Freuds Psychoanalyse veränderten das Welt- und Menschenbild nachhaltig. Philosophen wie Arthur Schopenhauer, Ludwig Feuerbach und Hippolyte Taine hinterfragten mit ihren Theorien das christliche Weltbild.

Der Mensch war demnach ein Lebewesen, dessen Freiheit von vornherein durch äußere Faktoren wie seine Herkunft begrenzt wird. Der christliche Glaube widersprach diesen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und verlor deshalb an Bedeutung. Viele glaubten nicht mehr an ein Jenseits nach dem Tod. Stattdessen konzentrierten sie sich auf das Leben im Hier und Jetzt. 

Die Gesellschaft spaltete sich auf in Unternehmer auf der einen Seite und Arbeiter auf der anderen. Das Elend der Arbeiter beeinflusste die Ansichten der naturalistischen Autoren. Sie wollten ihren Alltag so unbeschönigt und realistisch wie möglich darstellen. Deswegen stellten sie sich auch gegen den Realismus, der ihnen die unschönen Seiten des Lebens zu sehr verschleierte.

Naturalismus Literatur – Themen und Motive

Die Vertreter des Naturalismus hatten ein gemeinsames Ziel: Sie wollten auf die sozialen Probleme der Industriegesellschaft aufmerksam machen. Dafür benutzen sie immer wieder bestimmte Motive und Naturalismus-Merkmale.

Darstellung des Hässlichen – Naturalismus Merkmale

Da die Naturalisten so nah an der Realität wie möglich sein wollten, beschrieben sie in ihren Werken auch das Hässliche des Alltags. Krankheit, Armut, Elend, Alkoholismus und Prostitution fanden sich in ihren Texten. Zudem spielten sich ihre Geschichten oft in „dreckigen“ Umgebungen und an verrufenen Orten ab, wie in Kneipen, Hinterhöfen oder Fabriken.

Die schlimmen Lebensbedingungen der Arbeiterklasse sollte den Menschen dadurch schonungslos näher gebracht werden. Durch diese Direktheit provozierten die Autoren das Bildungsbürgertum, die von den ehrlichen Beschreibungen geschockt waren. So war Kaiser Wilhelm II empört über Gerhart Hauptmanns Drama „Die Weber“. Und auch die Partei der Sozialdemokraten, die zunächst die Anliegen der Naturalisten geteilt hatte, wandte sich daraufhin ab.

Verwissenschaftlichung der Kunst – Naturalismus Merkmale

Der große wissenschaftliche Fortschritt im 19. Jahrhundert beeinflusste auch die Kunst, und besonders die Literatur. Traditionelle Textformen und Vorschriften sahen die Naturalisten als veraltet an. Stattdessen versuchten sie ihre Texte objektiv und mit wissenschaftlicher Methodik zu verfassen. Persönliche Meinungen sollten ihre Werke nicht beeinflussen. Ziel war es, alles aufzuschreiben, was mit den Sinnen wahrgenommen werden konnte, also eine möglichst objektive Realität abzubilden.

Diese Verwissenschaftlichung der Kunst fasste der Autor Arno Holz 1891 sogar als „mathematische“ Formel zusammen: Kunst = Natur − x. Natur bedeutet hier Realität. Kunst ist also die Wirklichkeit minus den Faktor x. Dieser stellte die persönliche Wahrnehmung des Autors dar. Seine Aufgabe war es, diesen Faktor so weit zu reduzieren wie möglich, damit so gut wie nichts die Darstellung der Wirklichkeit verfälschen konnte.

Wahrheitsbegriff – Naturalismus Merkmale

Um diese unverfälschte Darstellung der Wirklichkeit zu erreichen, benutzten die naturalistischen Autoren wissenschaftliche Techniken. Durch Experimente, Recherchen und Forschungen versuchten sie, allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten zu finden. Sie sahen ihre Werke als wissenschaftliche Experimente. In ihnen platzierten sie Figuren mit unterschiedlichen, vererbten Eigenschaften in ein bestimmtes soziales Umfeld. Sie ließen die Figuren miteinander streiten und bestimmten den Sieger oder Verlierer nach seinen (unveränderlichen) charakterlichen Merkmalen.

Milieu und Vererbung – Naturalismus Merkmale

Für ihre literarischen Experimente orientierten sich die Naturalisten an der Milieutheorie von Hippolyte Taine. Sie sieht den Menschen als fremdbestimmtes Lebewesen, dessen Leben durch seine Gene und sein soziales Umfeld entscheidend beeinflusst wird. Die Naturalisten übernahmen diese Auffassung und widersprachen somit dem Menschenbild des Realismus, wonach der Mensch ein selbständiges, freies Wesen sei.

Um die Wichtigkeit des Umfeldes für die Entwicklung eines Menschen zu verdeutlichen, beschrieben die Autoren die Schauplätze ihrer Texte sehr detailliert. So stellten sie das Milieu, das die Figuren umgab und prägte, sehr genau dar. Der Ort des Geschehens war also auch wichtig, um die Absichten und Handlungen der Figuren zu verstehen.

Sekundenstil – Naturalismus Merkmale

Für diese detailreiche Beschreibung benutzten die Schriftsteller den sogenannten Sekundenstil. Erzählzeit und erzählte Zeit waren dabei genau gleich lang. Manchmal war die Erzählzeit sogar länger als die erzählte Zeit. Letzteres nennst du den Zeitlupeneffekt. Jedes kleinste Detail war den Naturalisten so wichtig, dass sie es mit Worten beschreiben wollten.

Sie waren der Meinung, dass jede Kleinigkeit im Alltag eine Auswirkung auf den Menschen und sein Verhalten hatte. Es gab also nichts, das zu unbedeutend erschien, um beschrieben zu werden. Jede Sekunde war wichtig und beinhaltete kleinste Gesten, Handlungen, konkrete Dinge oder Gesagtes. Der tatsächlichen mündlichen Alltagssprache konnten sie sich somit sehr annähern. Sie schrieben jeden Dialekt, jedes Stottern, jedes Stöhnen und jeden Satzabbruch nieder.

Naturalismus – Literatur und typische Vertreter

Die Vertreter des Naturalismus sahen sich, ähnlich wie die Stürmer und Dränger , als Protestgeneration. Sie machten auf soziale Probleme aufmerksam und kritisierten in ihren Werken die schlechten Lebensumstände der ärmeren Gesellschaftsschichten.

Dramatik

Dramatische Texte waren in dieser Epoche sehr bedeutend. In ihnen konnten die Autoren die charakterlichen Eigenschaften ihrer Hauptfigur detailliert darstellen. Das Geschehen oder der Inhalt des Dramas war nicht so wichtig. Dafür wurden bestimmte, einzelne Gegenstände betont, die dem Stück mehr Authentizität, also Glaubwürdigkeit, verleihen sollten. Sie nahmen Bezug auf das soziale Milieu der Figur.

Zudem benutzten die Dramatiker alltägliche Sprache in ihren Stücken. Umgangssprache und Dialekte unterstrichen den Realitätsanspruch ihrer Werke. Um ihren Vorstellungen möglichst nahe zu kommen, griffen die Autoren teilweise auf sehr genaue Regieanweisungen zurück. Der Umfang dieser Anweisungen verlieh den naturalistischen Dramen zusätzlich Merkmale der Epik, wofür sie oft kritisiert wurden.

Epik

Epische Texte waren im Naturalismus eher kurz. Novellen , Skizzen oder kurze Erzählungen eigneten sich gut zur Verwendung des Sekundenstils. Oft benutzten die Autoren auch innere Monologe , die die Gedanken und Gefühle der Figuren genau wiedergaben.

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Gerhart Hauptmann

Lyrik

Die Lyrik war in der Naturalismus-Epoche weniger bedeutend. Die wenigen Gedichte thematisierten oft das Leben in der Großstadt und gingen besonders auf ihre weniger schönen Seiten ein. Armut und Verschmutzung dienten als typische Motive. Die Dichter stellten sich gegen lyrische Traditionen, indem sie auf Metrum und Reimschema verzichteten. Dafür spielten sie gerne mit der äußeren Symmetrie der Texte, beispielsweise mit der Mittelachsenzentrierung. Die Verszeilen wurden dabei mittig gedruckt. Ein wichtiges Werk der naturalistischen Lyrik ist „Das Buch der Zeit“ von Arno Holz.

Wichtige Autoren und Werke des Naturalismus (Literatur)

  • Gerhart Hauptmann: „Die Weber“, „Die Ratten“, „Bahnwärter Thiel
  • Johannes Schlaf: „Meister Oelze“
  • Arno Holz und Johannes Schlaf: „Die Familie Selicke“, „Papa Hamlet“
  • Karl Schönherr: „Der Judas von Tirol“
  • Max Halbe: „Jugend“
  • Georg Hirschfeld: „Die Mütter“
  • Clara Viebig: „Dilettanten des Lebens“
  • Hermann Sudermann: „Frau Sorge“

Realismus und Naturalismus

Die Naturalismus Epoche ist aus dem Realismus entstanden. Wenn du wissen willst, was genau die Unterschiede zwischen den beiden Literaturepochen sind, dann schau dir gleich noch unser Video zum Realismus an!

Zum Video: Realismus
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