Du möchtest wissen, was man unter Hermeneutik versteht? Dann bist du hier genau richtig! In unserem Beitrag und im Video  findest du eine einfache Erklärung und relevante Themen, die damit im Zusammenhang stehen.

Inhaltsübersicht

Hermeneutik — einfach erklärt

Der Begriff Hermeneutik kommt aus dem altgriechischen und bedeutet so viel wie „erkennen“ und „übersetzen“. Passend dazu beschäftigt sich die Hermeneutik mit dem Verständnis von Texten, Kultur und menschlicher Kommunikation. Die Hermeneutik versucht Zusammenhänge zu erkennen und sie zu verstehen.

Vor allem geht es hierbei um die Sinnzusammenhänge zwischen der Bedeutung und dem Verständnis einer Aussage. Deshalb bezeichnest du die Hermeneutik oft als „die Kunst des Verstehens“. Bei einem alltäglichen Gespräch zum Beispiel, kannst du durch aufmerksames Zuhören, Nachfragen und Interpretieren die wahre Bedeutung einer Aussage besser verstehen.

Übrigens: Weil das Verständnis in vielen verschiedenen Lebenssituationen wichtig ist, kannst du die Hermeneutik nicht nur in der Philosophie finden. Weitere Bereiche sind zum Beispiel Theologie sowie Rechts- und Sozialwissenschaft.

Einordnung Hermeneutik

Die allgemeine Hermeneutik ist die Wissenschaft der Interpretation. Sie wird in vielen Bereichen angewandt, wie zum Beispiel in der Rechtswissenschaft, der Sozialwissenschaft und der Theologie.

In den Rechtswissenschaften etwa ist die Hermeneutik für Richter wichtig, um einen Vorfall richtig zu deuten. Aber auch in der Sozialwissenschaft ist es naheliegend, die Hermeneutik einzusetzen, um beispielsweise ein Interview zu analysieren. Da heilige Texte wie die Bibel interpretiert werden, spielt die Hermeneutik in der Theologie ebenfalls eine wichtige Rolle.

Ursprünglich handelt es sich aber um einen philosophischen Ansatz. Die philosophische Hermeneutik ist eine philosophische Tradition, die sich mit dem Problem des Verstehens befasst. Sie geht davon aus, dass jedes Verstehen ein interpretierendes Verstehen ist. Das bedeutet, dass wir die Welt immer durch unsere eigenen Vorannahmen und Erfahrungen interpretieren.

Wie bei vielen philosophischen Ansätzen gibt es auch in der Hermeneutik wichtige Denker mit unterschiedlichen Interpretationen. Zu ihnen gehören Friedrich Schleiermacher, Wilhelm Dilthey, Martin Heidegger und Hans-Georg Gadamer.

Hermeneutik nach Friedrich Schleiermacher

Schleiermacher geht etwas anders an die Sache heran. Laut ihm wird das Verstehen wie folgt unterteilt:

  • grammatische Interpretation
  • psychologische Interpretation

Seiner Ansicht nach sind beide Formen notwendig, um einen Text vollkommen zu verstehen.

Die grammatische Ebene kannst du dir so vorstellen, dass die Zusammenhänge innerhalb eines Textes untersucht werden. Das heißt also, die Beziehung zwischen Wort und Satz, Satz und Absatz sowie Absatz und dem Text als Ganzes.

Bei der psychologischen Interpretation hingegen geht es mehr darum, den Zusammenhang zwischen dem Text und dem Autor nachzuvollziehen. Hierfür werden die gesamten Lebensumstände des Autors analysiert. Das sind zum Beispiel seine psychische Verfassung und das soziale Umfeld. Denn durch das Hi­n­ein­füh­len in den Autor sollen die Texte noch besser verstanden werden.

Damit du das Ganze besser nachvollziehen kannst, schauen wir uns ein Beispiel an: Wenn du an ein Gedicht denkst, kannst du auf grammatischer Ebene Metaphern und andere stilistische Mittel für ein tieferes Verständnis analysieren. Für das psychologische Verständnis kannst du dich in die emotionalen Zustände und Gedanken des Dichters hineinversetzen. So verstehst du die Intention des Autors besser.

Hermeneutik nach Wilhelm Dilthey

Wilhelm Dilthey unterscheidet zwischen Verstehen und Erklären. Dabei meint er mit dem Verständnis, das Erfassen von individuellen Erfahrungen. Bei diesem Schritt versuchst du, dich in die Lebenswelt des Anderen hineinzuversetzen und seine Gefühle, Gedanken und Handlungen zu verstehen. Das Erklären umfasst die wissenschaftliche Analyse. Hierbei ist vor allem der historische und kulturelle Kontext entscheidend.

Schauen wir uns das an dem Beispiel einer Analyse von einem historischen Tagebuch an. Anstatt nur Fakten zu sammeln, würdest du dich in die Lebenswelt des Tagebuchschreibers versetzen. Dadurch kannst du seine Gefühle, Gedanken und den sozialen Kontext besser verstehen. Außerdem bekommst du ein tieferes Verständnis für die historische Persönlichkeit und die Zeit, in der er lebte.

Hermeneutik nach Hans-Georg Gadamer

Bei Gadamers Ansatz hingegen, ist die Sprache ein wichtiger Teil des Verstehens. Seine Idee beruht auf dem Prinzip des „unendlichen Gesprächs“. Für die Erklärung vom nie endenden Gespräch spielen Vorwissen und neues Wissen eine wichtige Rolle.

Laut Gadamer gehst du nämlich in jedes Gespräch mit einem bestimmten Vorwissen. Während dem Gespräch kann sich dieses Wissen erweitern oder verändern. Das formt wiederum deinen Blickwinkel und deine Meinung zum Thema. Das heißt also, dass ein unendlicher Austausch von Informationen stattfindet, wodurch sich dein Wissensstand ständig weiterentwickelt. Deshalb bezeichnet Gadamer diesen Ansatz als „nie endendes Gespräch“.

Als konkretes Beispiel kannst du dir die Diskussion in einer Buchgruppe vorstellen. Menschen lesen gemeinsam Bücher und diskutieren darüber. Jede Person bringt ihre eigenen Erfahrungen und Perspektiven mit ein. Dadurch entstehen neue Einsichten und Interpretationen des Buches. Das Gespräch hört nie auf, da immer neue Leser hinzukommen und das Buch aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Es ist also ein kontinuierlicher Prozess des Verstehens und der Interpretation.

Gadamer über die Horizontverschmelzung

„Horizont ist der Gesichtskreis, der alles das umfaßt und umschließt, was von einem Punkt aus sichtbar ist.“

Damit beschreibt Gadamer, dass jeder Mensch einen individuellen Horizont hat. Der ist geprägt durch die eigenen Lebenserfahrungen, Vorurteile, kulturellen Hintergründe und persönlichen Standpunkte. Wenn wir einen Text oder ein Kunstwerk interpretieren, bringen wir also unseren eigenen „Horizont” mit. Dieser beeinflusst, wie wir das Wahrgenommene verstehen.

Wenn sich der Horizont des Autors und der des Empfängers annähern, wird das Horizontverschmelzung genannt. In diesem Fall gibt es dann eine gewisse Überschneidung zwischen Intention des Autors und Interpretation des Empfängers.

Hermeneutischer Zirkel

Eng mit Gadamer’s Theorie verbunden ist der hermeneutische Zirkel. Bei dieser Theorie geht es darum, dass du das große Ganze nur in Verbindung mit den Einzelteilen verstehen kannst und umgekehrt. Die Interpretation eines Textes oder Objektes erfolgt dabei immer von einem bestimmten Standpunkt aus. Dieser Standpunkt wird von dem Vorwissen und den Erfahrungen des Interpreten bestimmt.

Angenommen, du liest einen Roman. Aufgrund deiner Erfahrung mit Romanen, hast du eine Annahme, worum es in dem Buch gehen könnte. Beim Lesen verstehst du die einzelnen Sätze basierend auf deiner Annahmen. Außerdem überprüfst du deine Annahmen basierend auf deinem Verständnis der einzelnen Sätze.

Das Gleiche gilt für den Zusammenhang zwischen dem Gesamttext und den einzelnen Sätzen. Du interpretierst den Gesamttext nämlich basierend auf deinem Verständnis der einzelnen Sätze und umgekehrt. Dieser Prozess wiederholt sich kontinuierlich, während du das Buch liest.

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Hermeneutischer Zirkel

Gleich wie bei Gadamers Theorie mit Vorwissen und neuem Wissen, entsteht so ein kreisender Prozess, der hermeneutischer Zirkel genannt wird.

Hermeneutischer Kreislauf

Den Kreislauf des hermeneutischen Zirkels kannst du mit einem anderen Prozess durchbrechen: der hermeneutischen Spirale. Hier geht es darum, dass du die Situation, sowie die daraus gezogenen Schlüsse ständig überdenkst, hinterfragst und reflektierst. Konkret beinhaltet der Prozess folgende Schritte:

  • Wahrnehmen
  • Erfassen
  • Verstehen
  • Erklären

Insgesamt kannst du dir das wie einen ständigen Kreislauf des Verstehens vorstellen. Du startest mit einer groben Vorstellung und schaust dir die Details genauer an. Dadurch verfeinert sich deine ursprüngliche Idee. Diesen Prozess wiederholst du dann immer wieder.

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Hermeneutischer Kreislauf

Der Unterschied zum Zirkel besteht darin, dass du nicht nur dein Wissen erweiterst, sondern auch dein Verständnis vielfältiger und tiefer wird. Denn beim hermeneutischen Zirkel wechselst du ständig zwischen Detail und Kontext. Die hermeneutische Spirale hingegen ist ein Prozess der schrittweisen Verbesserung des Verständnisses. Dadurch können die Problemfelder des hermeneutischen Zirkels umgangen werden. Welche das genau sind, erklären wir dir jetzt.

Hermeneutik Kritik

Wie bei den meisten Theorien gibt es auch bei der Hermeneutik einige Kritikpunkte.

  • Verständnis der Zusammenhänge
    Beim hermeneutischen Zirkel leitet sich das Gesamtbild von den Einzelteilen ab. So hängt bei einem Roman das Verständnis der Charaktere von der gesamten Geschichte ab, und umgekehrt. Deshalb kann es herausfordernd sein, alle Zusammenhänge aufzufassen.
     
  • Subjektivität
    Die Interpretation von Texten und Erfahrungen ist immer von den persönlichen Erfahrungen und Vorannahmen geprägt. So können beispielsweise zwei Historiker denselben Text je nach Überzeugung und eigenen Ansichten unterschiedlich interpretieren
     
  • Kulturelle Unterschiede
    Außerdem können kulturelle Unterschiede ein Problem darstellen. Wenn zum Beispiel jemand aus Europa ein altes chinesisches Gedicht interpretieren möchte, kann er die kulturellen Konzepte und Metaphern möglicherweise nicht vollständig verstehen.
     
  • Andere Bedeutung der Begriffe
    Es ist ebenso der Fall, dass sich Bedeutungen von Begriffen und Texten im Laufe der Zeit ändern, was die Interpretation historischer Dokumente komplex macht. Zum Beispiel hatte das Wort „Freiheit“ vor hundert Jahren eine andere Bedeutung als heute.

Griechische Philosophen

Neben der Hermeneutik gibt es noch viele weitere philosophische Ansätze. Einer der bekanntesten ist Ich denke, also bin ich von Réne Descartes. Was genau er damit gemeint hat, erfährst du in unserem Beitrag!

Zum Video: Ich denke, also bin ich
Zum Video: Ich denke, also bin ich

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