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Das Stockholm Syndrom ist ein bizarres Phänomen, das die Grenzen der menschlichen Psyche erforscht. Was es damit auf sich hat, erfährst du hier und im Video!

Inhaltsübersicht

Was ist das Stockholm Syndrom?

Der Ursprung des Stockholm-Syndroms beginnt in Stockholm, Schweden, im August 1973. Bei einem Banküberfall werden vier Angestellte als Geiseln genommen. Die Polizei umstellt das Gebäude und es beginnt ein Nervenkrieg, der fünf Tage dauern wird. Jede Minute ist für die Geiseln ungewiss. Angst und Stress dominieren die Szene.

Doch während dieser Zeit entwickelt sich zwischen ihnen und ihren Entführern eine unerwartete Dynamik: Die Geiseln empfinden Sympathie und sogar eine Art Loyalität zu den Tätern. Sie verteidigen ihre Entführer gegen die Polizei und zeigen nach der Befreiung keine Wut oder Hass auf sie.

Dieses Phänomen fasziniert die Öffentlichkeit und Psychologen beginnen, das Verhalten zu studieren. Sie nannten es „Stockholm Syndrom“, nach dem Ort, an dem es zuerst beobachtet wurde. Es stellte sich heraus, dass unter extremem Stress und Bedrohung die Grenzen zwischen Liebe und Hass, Freund und Feind verschwimmen können. Die Geiseln hatten eine emotionale Bindung zu ihren Entführern aufgebaut — als Überlebensstrategie

Lima Syndrom

Das Lima-Syndrom ist gewissermaßen das Gegenteil des Stockholm-Syndroms. Hier geschieht nämlich das Umgekehrte: Die Entführer fangen an, Sympathie für ihre Geiseln zu empfinden.

Dieses Phänomen wurde nach einem Ereignis in Lima (Peru) benannt. Eine bewaffnete Gruppe stürmte die japanische Botschaft und nahm Hunderte Geiseln. Doch die Entführer begannen, Mitgefühl für ihre Geiseln zu empfinden und ließen sie nach und nach frei

Stockholm Syndrom — Merkmale

Das Stockholm-Syndrom ist ein komplexes Phänomen. Es zeigt, wie Menschen in extremen Situationen auf unerwartete Weise reagieren können. Das Verhalten der Geiseln oder Entführten lässt sich durch einige Schlüsselmerkmale beschreiben:

  • Positives Verhältnis zwischen Geiseln und Entführern:
    Das auffälligste Merkmal des Stockholm-Syndroms sind die unerwarteten positiven Gefühle zwischen den Geiseln und ihren Entführern. Im Stockholm-Fall zeigte der Hauptgeiselnehmer neben Gewalt auch Fürsorge gegenüber den Geiseln. Er verhandelte mit der Polizei für ihre Sicherheit, forderte Essen für sie und ließ sogar einen Arzt für eine kranke Geisel kommen. Diese Gesten führten dazu, dass die Geiseln eine Art Vertrauensverhältnis und Sympathie für ihren Entführer entwickelten — trotz der Gefahr.
     
  • Negative Gefühle gegenüber Außenstehenden:
    Ein weiteres Merkmal ist die Entwicklung von Misstrauen oder sogar Feindseligkeit gegenüber den Außenstehenden, wie der Polizei und den Rettungskräften. Die Geiseln im Stockholm-Fall zeigten Skepsis gegenüber den Rettungsmaßnahmen und fürchteten, dass diese eher zu ihrem Schaden als zu ihrer Rettung führen könnten. 
     
  • Identifikation mit den Zielen der Entführer:
    Geiseln beginnen oft, die Beweggründe und Ziele ihrer Entführer zu verstehen und sich sogar mit ihnen zu identifizieren. Das führt schließlich zu einer noch stärkeren emotionalen Bindung. Dadurch zeigten die Opfer selbst nach der Geiselnahme anhaltende Sympathie oder Sorge für das Wohl ihrer ehemaligen Entführer. Manche suchten weiter den Kontakt zu ihnen oder sprachen sich gegen ihre Bestrafung aus. 
Stockholm-Syndrom Beispiel

Die Geiselnahme in Stockholm ist aber kein Einzelfall. Auch weitere Entführungen und Überfälle zeigten ähnliche Verhaltensweisen der Opfer. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Fall der entführten Patty Hearst in den USA. Sie wurde 1974 von einer linksradikalen Gruppe (SLA) entführt und monatelang von ihren Tätern gefoltert. Schließlich unterstützte sie ihre Entführer und wurde sogar zur Mittäterin bei einem Banküberfall.

Stockholm Syndrom — Ursachen

Das Verhalten der Opfer mag auf den ersten Blick paradox erscheinen. Doch es gibt drei einfache Gründe, die ihre Reaktionen erklären:

  • das Verhalten der Täter
  • die verzerrte Wahrnehmung der Realität
  • der Verlust der Kontrolle über das eigene Leben

Verhalten der Täter

Das Verhalten der Täter spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Stockholm-Syndroms. Denn meist zeigen sie Freundlichkeit und Mitgefühl, um die Geiseln zu beruhigen. Auch kleine Gefallen wie das Lockern der Fesseln und die Erlaubnis sich zu bewegen, schaffen Vertrauen bei den Opfern. Denn selbst solche minimalen Akte der Freundlichkeit werden von den Geiseln durch ihre verzweifelte und isolierte Lage überbewertet.

➡️ Beispiel: Ein Beispiel hierfür könnte sein, wenn ein Entführer einer Geisel zusätzliche Decken oder Nahrung anbietet. Solche Gesten können bei den Opfern zu einem Gefühl der Dankbarkeit führen, selbst wenn diese im Kontext der Gesamtsituation unbedeutend erscheinen.

Wirklichkeitsverzerrung

Bei einer Geiselnahme oder Entführung wird die Wahrnehmung der Realität oft verzerrt. Die Opfer sind isoliert von der Außenwelt und erhalten Informationen ausschließlich von ihren Entführern. Diese Isolation kann dazu führen, dass die Opfer beginnen, die Welt durch die Augen ihrer Entführer zu sehen. Sie fangen an zu glauben, dass ihre Entführer die Unschuldigen sind oder dass sie gemeinsame Ziele haben — vor allem, wenn die Täter gelegentlich Freundlichkeit zeigen oder Empathie simulieren.

➡️ Beispiel: Beim Banküberfall in Stockholm konnten die Geiseln die Beweggründe ihrer Entführer ab einem bestimmten Punkt nachvollziehen. Denn sie kannten ja nur deren Perspektive. Diese Verzerrung der Realität macht es den Opfern schwer, ein objektives Bild der Situation zu bewahren. Gleichzeitig fördert das die Entwicklung positiver Gefühle gegenüber den Tätern.

Kontrollverlust

Die dritte Ursache ist der Verlust von Kontrolle, den die Opfer erleben. Bei einer Geiselnahme oder Entführung wird ihnen nämlich jede Entscheidungsfreiheit genommen. Das führt dazu, dass Geiseln in den Tätern eine Quelle der Sicherheit und des Schutzes sehen. Deshalb entwickeln sie ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Entführern, um das Gefühl von Kontrolle zurückzuerlangen.

➡️ Beispiel: Die Geiseln in Stockholm sympathisierten mit ihren Entführern, um ein Mindestmaß an Kontrolle über ihre Situation zu gewinnen. Indem sie eine „positive“ Beziehung zu ihren Entführern aufbauten, hofften sie, ihre Überlebenschancen zu verbessern.

Übrigens: Das Stockholm-Syndrom kann auch in „alltäglichen Situationen“ auftreten, beispielsweise bei häuslicher Gewalt oder Mobbing. Auch hier entwickeln die Opfer positive Gefühle wie Sympathie, Dankbarkeit oder sogar Liebe für ihre Peiniger. Betroffene verteidigen dann das Verhalten der Angreifer, um mit der Situation umgehen zu können.

Stockholm Syndrom — Therapie

Obwohl das Stockholm-Syndrom keine Krankheit im klassischen Sinne ist, können die emotionalen und psychischen Auswirkungen auf die Opfer schwerwiegend sein und eine professionelle Behandlung notwendig machen. Das kann sich jedoch manchmal als schwierig erweisen. Denn die Betroffenen sind Ärzten und Therapeuten gegenüber eher negativ eingestellt. Immerhin wollen sie die Täter in Schutz nehmen.

Eine Therapie zielt deshalb darauf ab, den Opfern zu helfen ihre Erlebnisse zu verarbeiten und letztlich die entstandene Bindung zu überwinden. Es geht darum, die eigenen Reaktionen und Gefühle zu verstehen. Außerdem lernen sie dabei Strategien für den Umgang mit zukünftigem Stress und Trauma.

Beispielsweise kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie hilft den Betroffenen, ihre Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die während und nach der Geiselnahme entstanden sind, zu verstehen und zu verändern. Durch gezielte Gespräche und Übungen können Opfer lernen, die Realität der Situation zu erkennen. Wenn all das erneut durchlebt wird, kann die Emotion der Dankbarkeit umgewandelt werden. Denn dabei wird den Opfern vor Augen geführt, dass sie erst durch die Geiselnehmer in diese Situation gekommen sind.

Kritik am Stockholm Syndrom

Auch wenn die Merkmale des Stockholm-Syndroms bei vielen Ereignissen beobachtet werden konnten, stößt das Phänomen auf eine Reihe von Kritikpunkten.

Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass das Stockholm-Syndrom keine psychische Krankheit im herkömmlichen Sinne ist. Vielmehr ist es eine Überlebensstrategie, die Opfer in extremen und traumatischen Situationen entwickeln. Auch von den gängigen diagnostischen Handbüchern (DSM-5 und ICM-11) für psychische Störungen wird es nicht als solche anerkannt.

Außerdem gibt es keine allgemein akzeptierten „Symptome“. Dadurch ist es für Fachleute schwierig, das Syndrom eindeutig zu identifizieren. Denn es unterscheidet sich kaum von anderen traumabedingten psychischen Reaktionen oder Bindungsstörungen. 

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das Verhalten der Opfer oft als irrational abgestempelt wird. Somit verlieren sie jegliche Glaubwürdigkeit und ihre Meinungen werden nicht mehr ernst genommen. Außerdem deutet die Bezeichnung „Syndrom“ auf eine Schuldzuweisung an die Opfer hin. Es wirkt so, als ob die Opfer für ihre positive Bindung zu den Entführern verantwortlich seien. Das tatsächliche Trauma und der Stress der Situation werden dadurch ignoriert.

Stockholm Syndrom — häufigste Fragen

  • Was ist das Stockholm Syndrom?
    Das Stockholm-Syndrom ist eine psychologische Reaktion, bei der Geiseln positive Gefühle gegenüber ihren Entführern entwickeln. Dabei handelt es sich oft um eine Überlebensstrategie in extremen Situationen. Dieses Phänomen zeigt, wie Stress und Trauma tiefe emotionale Bindungen hervorrufen können.
     
  • Was ist ein Beispiel für das Stockholm Syndrom
    Ein bekanntes Beispiel für das Stockholm-Syndrom ist der Fall von Patty Hearst, die 1974 von der Symbionese Liberation Army entführt wurde. Trotz ihrer Gefangenschaft entwickelte Hearst eine Loyalität zu ihren Entführern und beteiligte sich an ihren kriminellen Aktivitäten.

Abwehrmechanismen

Das Verhalten von Personen mit dem „Stockholm-Syndrom“ ist auch eine Art Abwehrmechanismus. Denn es hilft ihnen, mit der Situation umzugehen. Welche Abwehrmechanismen es noch gibt, erfährst du in unserem Video!

Abwehrmechanismen
zum Video: Abwehrmechanismen

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