Klinische Psychologie
Die klinische Psychologie geht psychischen Störungen auf den Grund. Was du sonst noch darüber wissen solltest, zeigen wir dir hier im Beitrag und im Video !
Inhaltsübersicht
Was ist klinische Psychologie?
Die klinische Psychologie ist ein Teilgebiet der Psychologie. Sie erforscht, wie psychische Störungen und körperliche Erkrankungen die Wahrnehmung und das Verhalten der Betroffenen beeinflussen. Außerdem bietet die klinische Psychologie Erklärungen und Modelle für die Entstehung, den Verlauf, die Behandlung und die Prävention von psychischen Störungen.
Entwicklung der klinischen Psychologie
Die ersten Forschungen zu psychischen Erkrankungen fanden bereits ca. 400 Jahre v. Chr. statt. Einen kleinen Auszug aus der Geschichte findest du hier:
Klassische Antike (400 v. Chr.- 200 Jahre n. Chr.) |
Der griechische Arzt Hippokrates und der griechische Philosoph Platon waren unter den Ersten, die einen Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und dem Körper sahen. Zur Behandlung nutzten sie z. B. Heilkräuter oder Hypnose-ähnliche Verfahren. |
Mittelalter |
Im Mittelalter waren die Menschen überzeugt, dass böse Geister und Dämonen der Grund für psychische Erkrankungen waren. Deshalb wurden hier Ausgrenzung, Isolation und teils brutale „Behandlungen“ wie Schläge oder Nahrungsentzug angewandt. |
ca. 1500 |
Um 1500 wurden die ersten „Irrenhäuser“ errichtet, um psychisch Kranke darin unterzubringen. Nicht aber um sie zu heilen, sondern um sie von der gesunden Bevölkerung abzugrenzen. |
ca. 1800 |
Um 1800 entstanden durch den deutschen Arzt Friedrich Anton Mesner die ersten Hypnosetherapien. Außerdem setzte der französische Arzt Philippe Pinel durch, dass psychisch Kranke befreit wurden und eine moralisch vertretbare Behandlung erhielten. Er war einer der Ersten, der Geisteskrankheit auf psychische Ursachen zurückführte. |
ca. 1900 |
Um 1890 entwickelte Sigmund Freud die Behandlungsmethode der Psychoanalyse. Hierbei liegt die Ursache psychischer Erkrankungen in unbewussten Gefühlen und inneren Konflikten, die mit der Psychoanalyse aufgedeckt werden. Der Psychologe Lightner Witmer gründete in den USA die erste psychologische Klinik und prägte als Erster den Begriff „clinical psychology“. |
20. Jahrhundert |
Zwischen 1920 und 1960 wurden zahlreiche Behandlungsmethoden für psychologische Erkrankungen entwickelt. Darunter zum Beispiel die Verhaltenstherapie oder die Familientherapie. Außerdem wurden weitere Konzepte wie Akzeptanz, Achtsamkeit, Meditation und Emotionen in die Behandlungen integriert. |
21. Jahrhundert |
Seit 2013 werden bei der Diagnose die Abstufungen Leicht, Mittel und Schwer verwendet. Ziel für die Zukunft ist es, das Auftreten solcher Störungen zu vermindern und das Leid der Patienten zu minimieren. |
Modelle der klinischen Psychologie
In der klinischen Psychologie gibt es verschiedene Modelle, die jeweils unterschiedliche Ursachen für psychologische Störungen sehen. Dabei unterscheidest du zwischen den medizinischen Modellen, dem biopsychosozialen Modell und den psychosozialen Modellen. Alle drei schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bauen aufeinander auf.
Was die einzelnen Modelle jeweils aussagen, zeigen wir dir jetzt!
Medizinische Modelle
Bei den medizinischen Modellen unterscheidest du zwischen dem biologischen und dem neurobiologischen Modell.
Biologisches Modell
Das biologische Modell behauptet, dass zwischen unserer Genetik und unserem Verhalten ein Zusammenhang besteht. Nach dieser Theorie liegt die Ursache für beispielsweise Angststörungen in fehlerhaften biologischen Prozessen wie der Überproduktion von bestimmten Hormonen.
Neurobiologisches Modell
Das neurobiologische Modell sieht die Ursache nicht in unserer Genetik, sondern als direkte oder indirekte Folge von Erkrankungen im Gehirn. Zum Beispiel verklumpt bei Alzheimer ein bestimmtes Eiweiß im Gehirn, was letztlich die Störung verursacht.
Beide Modelle sind der Ansicht, dass psychische Störungen nur durch Medikamente oder chirurgische Eingriffe korrigiert werden können. Problem beider Modelle ist jedoch, dass soziale und psychologische Faktoren, wie Erziehungsmethoden oder Traumata, nicht beachtet werden.
Biopsychosoziales Modell
Das biopsychosoziale Modell gilt als Zwischenform der medizinischen und psychosozialen Modelle. Neben biologischen Prozessen oder Erkrankungen des Gehirns liegt nach diesem Modell die Ursache auch in psychischen oder sozialen Faktoren. Dazu zählt zum Beispiel der Verlust eines geliebten Menschen. Betroffene werden bei diesem Ansatz sowohl mit Medikamenten, als auch mit einer Psychotherapie behandelt.
Psychosoziale Modelle
Bei den psychosozialen Modellen unterscheidest du zwischen dem psychodynamischen und dem kognitiv-behavioralen Modell.
Psychodynamisches Modell
Bei diesem Modell sind psychische Störungen die Folge von Konflikten aus der Kindheit. Das resultiert bei Betroffenen in einer fehlerhaften Wahrnehmung eigener Bedürfnisse, einem falschen Selbstbild und führt schließlich zu Frustration. Um die Störung zu behandeln, wird dabei im Rahmen von Therapien versucht, die Lebensgeschichte der Patienten zu durchforschen und potenzielle Traumata aufzuarbeiten.
Kognitiv-behaviorales Modell
Das kognitiv-behaviorale Modell geht auf den Behaviorismus
zurück. Dieses Modell sieht die Ursache für psychische Störungen in fehlerhaft erlerntem Verhalten oder Denkfehlern. Beispielsweise liegt der Auslöser für eine Depression im falschen Umgang mit Kummer und den erlernten Verhaltensmustern, diesen zu unterdrücken. Zur Behandlung werden hier Verhaltenstherapien empfohlen.
Aufgaben der klinischen Psychologie
Die Aufgaben eines klinischen Psychologen sind breit gefächert. Im Mittelpunkt steht aber die Erforschung psychischer Störungen und Erkrankungen. Zu den Aufgaben gehören:
✓ die Feststellung einer Erkrankung (Diagnostik),
✓ die Kategorisierung psychischer Störungen (Klassifikation),
✓ die Suche nach den Ursachen (Ätiologie),
✓ die Prävention und Behandlung der Störungen (Intervention),
✓ die Wiedereingliederung der Betroffenen in die Gesellschaft (Rehabilitation) und
✓ die Ermittlung der Verbreitung psychologischer Störungen in der Bevölkerung (Epidemiologie).
Ziel der klinischen Psychologie ist es, psychische Erkrankungen besser zu verstehen, vorbeugen und behandeln zu können. Damit kann Patienten ein freies und selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden.
Was ist eine psychische Störung?
Bei psychischen Störungen weicht das Erleben oder Verhalten einer Person von dem psychisch gesunder Menschen stark ab. Das heißt, dass die Wahrnehmung, Gefühle oder Gedanken der Betroffenen beeinträchtigt sind.
Es gibt bestimmte Merkmale, um eine psychische Störung zu erkennen. Wichtig ist dabei aber, dass einzelne Merkmale nicht für die Bestimmung einer psychischen Erkrankung ausreichen. Nur zusammen ist eine Aussage möglich. Zu den Merkmalen gehören:
🧠 Seltenheit
Charakteristisch für psychische Störungen ist, dass sie bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht vorkommen oder deutlich schwächer ausgeprägt sind. Das heißt, sie kommen relativ selten vor.
🧠 Verletzung sozialer Normen
Werden andere Menschen von der betroffenen Person bedroht, verängstigt oder belästigt, kann es sich um eine psychische Störung handeln. Zum Beispiel können Personen mit einer bipolaren Störung sehr aggressiv werden. Aber nicht alle psychisch Erkrankten verletzen soziale Normen, wie die krankhafte Schlafstörung.
🧠 Leidensdruck der Betroffenen
Psychische Erkrankungen gehen meist mit einem hohen Leidensdruck einher. Gerade bei Störungen wie der Schizophrenie leiden manche Betroffene an Verfolgungswahn und haben Angst, „verrückt zu werden“.
🧠 Beeinträchtigung der Lebensgestaltung
Außerdem sind psychisch Erkrankte häufig nicht in der Lage, ihr Leben selbstbestimmt zu führen und sind in vielen Lebensbereichen eingeschränkt. Beispielsweise bei Essstörungen: Patienten isolieren sich von ihrem sozialen Umfeld und ihre Gedanken drehen sich nur um das eine Thema: Essen.
🧠 Unangemessenes Verhalten
Betroffene reagieren in bestimmten Situationen für Außenstehende oft in einer nicht nachvollziehbaren Art und Weise. Gerade Panikstörungen können sehr plötzlich und grundlos entstehen.
Eine Ursache für eine psychische Störung auszumachen, ist nicht so leicht. Meist entstehen sie aus einer Kombination von vielen Faktoren. Dazu zählen zum Beispiel genetische Faktoren oder Umweltfaktoren, z. B. Konflikte aus der Kindheit.
Übrigens: Am stärksten verbreitet sind Angststörungen, wie zum Beispiel die Angst vor großen Menschenmengen. Mehr als 16 % der deutschen Bevölkerung leidet unter einer Angststörung.
Psychische Erkrankungen werden anhand von Klassifikationssystemen kategorisiert. Das Wichtigste ist dabei das ICD-10 (10. Auflage der International Classification of Diseases). Demnach werden psychische Störungen in 11 Kategorien unterteilt.
Zum Beispiel umfasst die Kategorie F6 die Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen. Darunter zählen z. B. Glücksspielsucht, Fetischismus und Borderline.
Behandlungsmethoden der klinischen Psychologie
Zur Behandlung psychischer Störungen gibt es verschiedene Methoden. Neben Medikamenten sind das vor allem Psychotherapien. Dabei werden psychologische Verfahren, Methoden und Konzepte angewendet.
Am häufigsten werden kognitiv-behaviorale, psychodynamische (tiefenpsychologische) und humanistische Therapieverfahren verwendet.
Kognitiv-behaviorale Therapieverfahren
Im Rahmen kognitiv-behavioraler Therapieverfahren wird versucht,
- fehlerhaftes Verhalten zu löschen,
- dessen Auftretenswahrscheinlichkeit zu reduzieren
- oder dafür zu sorgen, dass sich der Patient an den auslösenden Reiz gewöhnt wie z. B. bei einer Spinnenphobie.
Das Anwendungsgebiet der Methode ist breit gefächert und reicht von Störungen durch psychotrope Substanzen (Alkohol, Drogen) und wahnhaften Störungen bis zu Ess- und Angststörungen.
Zu den kognitiv-behavioralen Therapieverfahren zählt zum Beispiel die Verhaltenstherapie. Dabei wird unter anderem durch operante Verfahren versucht, das problematische Verhalten wieder zu verlernen. Der Fokus liegt hier auf der Veränderung der Konsequenzen, die auf das Verhalten folgen.
Beispielsweise liegt das Problem bei einer Spinnenphobie darin, dass Betroffene Spinnen (den angstauslösenden Reiz) meiden. Das wird als positive Konsequenz erlebt. Somit kann der Patient aber nicht die Erfahrung machen, dass bei der Begegnung mit einer Spinne nichts passiert. Um daher das erlernte Verhalten zu löschen, werden Betroffene regelmäßig mit einer Spinne konfrontiert, sodass sie sich an sie gewöhnen.
Psychodynamische Therapieverfahren
Bei diesem Therapieverfahren wird versucht, verborgene Gefühle und Konflikte, die Körper und Seele der Betroffenen beeinträchtigen, bewusst zu machen. Daher eignet es sich vor allem für Angst-, Belastungs-, Persönlichkeits– und Verhaltensstörungen.
Zu den psychodynamischen Therapieverfahren gehört zum Beispiel die Hypnosepsychotherapie. Dabei wird der Patient in einen Zustand der Trance versetzt. Während der Patient sich in der Hypnose befindet, kann der Therapeut Veränderungen anstoßen, wie z. B. Ängste lösen und den Patienten dazu anregen, schlechte Gewohnheiten abzulegen.
Humanistische Therapieverfahren
Bei humanistischen Therapieverfahren wird der Patient bei der Selbstverwirklichung und persönlichen Weiterentwicklung unterstützt. Durch emphatische und wertschätzende Kommunikation versucht der Therapeut, die Problemeinsicht beim Patienten zu fördern. Diese Behandlungsmethode eignet sich zum Beispiel bei Depressionen, Essstörungen, Suchterkrankungen und Schizophrenie.
Zu den humanistischen Therapieverfahren gehört zum Beispiel das Psychodrama. Dabei stellen Betroffene ihre Probleme mithilfe weiterer Teilnehmer wie in einem Theaterstück dar. Dadurch sollen innere, seelische Probleme und Ängste sichtbar gemacht werden.
In den Anfängen der klinischen Psychologie gab es noch ganz andere Therapiemethoden. In den 1930er Jahren wurden zum Beispiel „Schockkuren“ angewandt. Dabei wurden Patienten mit Stromschlägen und Medikamenten stimuliert, die den Kreislauf anregen sollten. Grundidee war, dass ein künstlich hervorgerufener Schock die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren würde.
Klinische Psychologie — häufigste Fragen
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Was ist die klinische Psychologie?
Die klinische Psychologie beschäftigt sich mit psychischen und psychisch bedingten körperlichen Störungen. Im Mittelpunkt der Forschung steht, wie sich die Störungen auf die Wahrnehmung und das Verhalten der Betroffenen auswirken. Dabei bietet sie Modelle, die Entstehung und Behandlung psychischer Erkrankungen erklären.
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Was macht man als klinischer Psychologe?
Klinische Psychologen beschäftigen sich mit der Erforschung von psychischen Störungen. Neben der Ursachenforschung zählt auch die Weiterentwicklung von Behandlungsmethoden zu ihren Aufgaben. Damit soll zukünftig das Entstehen von Krankheiten vorgebeugt und der Leidensdruck von Patienten vermindert werden.
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Was muss man studieren, um klinischer Psychologe zu werden?
Klinische Psychologie und Psychotherapie lässt sich nur als Master studieren. Daher benötigst du vorher einen Bachelor in einem psychologischen oder gesundheitswissenschaftlichen Studiengang.
Bipolare Störung
Affektive Störungen gehören zu den zweithäufigsten psychischen Erkrankungen. Dabei ist die Gefühlslage der Betroffenen stark verändert. Zu den affektiven Störungen gehört zum Beispiel die bipolare Störung. Was das ist und wie ihr Krankheitsverlauf aussieht, erfährst du hier !