Synästhesie
Synästhesie ist eine ganz besondere Form der Wahrnehmung. Was sie ausmacht, ob es sich um eine Erkrankung handelt und wie der Alltag von Synästheten aussieht, erfährst du hier im Beitrag!
Inhaltsübersicht
Was ist Synästhesie?
Stell dir vor du hörst Musik und siehst gleichzeitig Farben oder du liest einen Text und hast einen bestimmten Geschmack im Mund?
Dabei handelt es sich um Synästhesie (‚Mitempfinden‘) — eine ganz besondere Art der Wahrnehmung. Ein bestimmter Reiz, wie ein Ton, ruft dabei gleichzeitig mehrere Sinneswahrnehmungen hervor, obwohl nur eine einzige erregt wurde — neben dem Hören also beispielsweise noch das Sehen (z. B. Farben). Etwa 4 Prozent der Bevölkerung sind Synästheten oder Synästhetiker.
Wichtig: Synästhesie ist keine psychische oder neurologische Erkrankung und keine Halluzination! Viel eher sehen Synästhetiker ihre außergewöhnliche Fähigkeit als Vorteil an, da sie zum Beispiel häufig kreativer sind oder sich Dinge besser merken können.
Synästhesie (engl. synesthesia) ist die Kopplung von Sinnesempfindungen. Ein Sinnesorgan wird gleichzeitig bei der Reizung eines anderen miterregt.
Synästhesie Begriffserklärung
Der Begriff ‚Synästhesie‘ leitet sich aus den altgriechischen Wörter syn für „zusammen“ und aisthesis für „Empfinden“ ab. Das bedeutet also, dass mehrere Sinne gleichzeitig empfunden werden. Das passiert durch zusätzliche Verbindungen zwischen zwei (oder mehreren) Gehirnarealen , in denen die Sinnesreize verarbeitet werden. Das kann auch mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) festgestellt werden. Bei Synästhetikern sind nämlich zwei (oder mehr) unterschiedliche Gehirnregionen zur gleichen Zeit aktiv — beim Farben hören beispielsweise das Hör- und das Sehzentrum.
Synästhesie beinhaltet dabei nicht nur die fünf klassischen Sinne — also Sehen, Riechen, Hören, Tasten und Schmecken –, sondern ist breiter gefasst: Beispielsweise können auch Emotionen bestimmte Farben auslösen (Gefühlssynästhesie).
Merkmale von Synästhesien
Es gibt verschiedene Merkmale, die eine Synästhesie beschreiben. Hier sind ein paar Wichtige aufgeführt:
- Synästhesien sind unwillkürlich, also nicht selbst steuer- und auslösbar.
- Sie brauchen einen Auslöser: Auf einen Reiz (Inducer) folgt die Reizerfahrung (Concurrent).
- Synästhesien unterscheiden sich jeweils: Verschiedene Reize lösen verschiedene Wahrnehmungen aus. Beispiel: Buchstabe B ist hellrot und Buchstabe C dunkelrot.
Merke: Die Sinneseindrücke sind bei jedem Menschen individuell. Beispielsweise ist der Buchstabe B für eine Person rot, für die andere hingegen grün.
Synästhesie Formen: Beispiele
Es ist schwierig zu sagen, wie viele Formen von Synästhesie es genau gibt — etwa 80 Varianten sind bisher bekannt. Einige treten dabei allerdings häufiger auf als andere.
Hier haben wir dir einige Formen des neurologische Phänomens aufgelistet:
Form | Erklärung | Beispiel |
Graphem-Farb-Synästhesie |
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Zahlen in Farben sehen: Die Zahl 1 hat die Farbe grün. |
Lexikalisch-gustatorische-Synästhesie |
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Das Wort ‚Gefängnis‘ schmeckt nach kaltem, hartem Speck. |
Farbiges Hören |
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Ton C hat die Farbe blau. |
Sequenz-Raum-Synästhesie |
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Wochentage sind in der eigenen Vorstellung kreisförmig angeordnet. |
Gefühls-Synästhesie |
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Unbehagen wird als weißer Tropfen wahrgenommen. |
Person-Farb-Synästhesie: |
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Mama ist orange. |
Mirror-Touch-Synthesia (‚Spiegel-Berührungs-Synästhesie‘) |
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Jemand wird am Arm berührt, der Betroffene spürt genau an der Stelle auch eine Berührung. |
Ticker-Tape-Synästhesie |
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Bei einer Unterhaltung läuft beim Betroffenen das Gespräch als Band mit. |
Ordinal Linguistic Personification (OLP) |
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Die Zahl 1 ist weiblich, der Monat Juni ist männlich. |
Synästhesie Häufigkeit
Heute gehen Forscher davon aus, dass etwa 4 Prozent aller Menschen eine Synästhesie haben. Zum Vergleich: Vor 30 Jahren hielten Wissenschaftler nur jeden 1000. Menschen mit synästhetischen Wahrnehmungen für wahrscheinlich.
Vor allem in Familien tritt die Wahrnehmungsform gehäuft auf, weshalb von einer Erblichkeit ausgegangen werden kann.
Oft merken Synästheten gar nichts von ihrer besonderen ‚Begabung‘. Erst im Laufe ihres Lebens — etwa bei Gesprächen — finden sie heraus, dass nicht jeder die Welt so wahrnimmt wie sie.
Synästhetiker: Merkmale und Alltag
Wie erleben Synästhetiker die Welt? Die meisten Synästhetiker merken schon recht früh, dass sie ihre Umgebung etwas anders wahrnehmen. In der Regel sehen sie es als besondere Begabung an, die ihren Alltag bereichert: So sind sie zum Beispiel meist kreativer, da sie Informationen auf andere Weise verknüpfen. Auch ihre Gedächtnisleistung ist häufig besser.
Merkmale, die Synästhetiker aufweisen, sind beispielsweise:
- erhöhte Kreativität
- bessere Merkfähigkeit (z. B. beim Auswendiglernen von Vokabeln)
- verstärkte Wahrnehmung von Details
- besseres räumliches Vorstellungsvermögen
Allerdings: Für manche Menschen kann es eine Überforderung darstellen, so viele Sinneseindrucke auf einmal zu verarbeiten. So kann es schneller zu einer Reizüberflutung oder verringerter Aufmerksamkeit kommen. Vor allem Personen mit mehreren Synästhesie-Formen sind davon betroffen.
Synästhesie Test
Wie erkennt man eine Synästhesie? Mit verschiedenen Tests kann herausgefunden werden, ob jemand wirklich Synästhetiker ist. Ein Beispiel für einen Synästhesie Test ist folgendes:
Eine Person, bei der eine Graphem-Farb-Synästhesie vermutet wird, soll die Farbe eines vorgelegten Buchstabens benennen. Ist der Buchstabe A für die Person normalerweise blau, auf dem Blatt jedoch schwarz, braucht sie deutlich länger, um die Farbe zu benennen. Andersherum gilt: Handelt es sich um die ‚richtige‘ Farbe (hier: blau) ist die Person deutlich schneller als der Durchschnitt.
Auch Verhaltenstests und Hirnscans finden Einsatz in der Diagnostik.
Berühmte Synästhetiker
Synästhesie verbinden viele mit Kreativität und Intelligenz. Dafür spricht, dass es viele berühmte Künstler und Wissenschaftler gibt, die als Synästhetiker gelten, wie beispielsweise:
- Sängerinnen Lady Gaga, Billie Eilish
- Sänger Pharrell Williams
- Physiker Nikola Tesla
- Maler Wassily Kandinsky
- Komponist Franz Liszt
Übrigens: Wenn Lady Gaga ihren Song ‚Pokerface‘ hört, dann sieht sie eine gelbliche Wand. Auch Pharrell Williams assoziiert seinen Song ‚Happy‘ mit einem gelben Farbeindruck.
Synästhesie Ursachen
Wie entsteht Synästhesie? Die genauen Ursachen dafür sind heute noch unklar. Die Genetik soll aber eine Rolle spielen — vermutlich ist aber nicht nur ein einzelnes Gen , sondern einer Reihe von Genen betroffen.
Außerdem sind sich Wissenschaftler uneinig, ob bei jeder Form der Synästhesie derselbe ‚Prozess‘ im Gehirn abläuft — oder ob das bei jeder Form individuell ist. Bei letzterem spielen Umweltfaktoren wie Interessen, das Umfeld oder Vorlieben des Synästhetikers eine Rolle.
Zudem herrscht Uneinigkeit, ob Synästhesie angeboren ist oder ob sie sich nach der Geburt entwickelt. Manche Forscher gehen außerdem davon aus, dass wir alle als Synästheten geboren werden — also mit Verknüpfungen zwischen den einzelnen Hirnregionen. Bei Nicht-Synästheten bilden sich diese aber im Lauf der Entwicklung zurück.
Synästhesie — häufigste Fragen
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Was ist ein Beispiel für eine Synästhesie?
Ein Beispiel für eine Synästhesie ist die Graphem-Farb-Synästhesie. Betroffene verbinden dabei Buchstaben, Zahlen oder andere grafische Symbole automatisch mit bestimmten Farben. Sie sehen beispielsweise die Zahl 5 nicht nur als eine Ziffer, sondern denken gleichzeitig an eine Farbe wie Rot.
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Ist Synästhesie ein Stilmittel?
Die Synästhesie begegnet dir auch in der Literatur als rhetorisches Stilmittel. Dabei werden in einer Aussage verschiedene Sinne miteinander verbunden. Das bedeutet, dass der Sprecher z. B. Gerüche sieht, Töne schmeckt oder Farben hört.
Gedächtnis
Für Wissenschaftler ist die Erforschung von Synästhesie von großem Interesse. Sie erhoffen sich dadurch mehr über kognitive Prozesse beim Menschen herauszufinden — zum Beispiel wie Informationen im Gedächtnis verarbeitet werden.