Was ist das Stockholm Syndrom, wie wird es verursacht und kann man es behandeln? In diesem Artikel erfährst du genau das!
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Stockholm Syndrom einfach erklärt
Unter dem Stockholm Syndrom, auch Stockholmer Syndrom genannt, kannst du dir die Veränderung des Verhaltens einer Geisel während und auch nach einer Geiselnahme vorstellen. Dabei entwickelt das Opfer Sympathie und Verständnis gegenüber ihrem Peiniger. Diese Sympathie kann bis hin zur Liebe führen.
Den Namen hat das Stockholm Syndrom durch die gleichnamige Hauptstadt Schwedens bekommen. Dort wurde das paradoxe Phänomen zum ersten Mal bei einer Geiselnahme im Jahr 1973 entdeckt. Oftmals wird es allerdings fälschlicherweise als Helsinki Syndrom bezeichnet.
Außerdem musst du dir unbedingt merken, dass es sich nicht direkt um ein Syndrom im eigentlichen medizinischen Sinne handelt. Es ist vielmehr eine Verhaltensanpassung an diese komplett neue Ausnahmesituation. Dabei passiert die Adaption ohne Absicht und Bewusstsein der Opfer, da ihre Wahrnehmung durch die gegebenen Umstände verzerrt wird.
Die Definition des Stockholm Syndroms lautet wie folgt:
Das Stockholm Syndrom (eng. stockholm syndrome) beschreibt das psychologische Phänomen, bei welchem das Opfer während einer Geiselnahme, Entführung oder Kidnapping Sympathie gegenüber ihrem Täter entwickelt.
Stockholm Syndrom Beispiele
Das bekannteste Beispiel des Stockholm Syndrom spielte sich eben in der gleichnamigen Hauptstadt Schwedens ab. Bei dem Banküberfall im Jahr 1973 in Stockholm hielt der Täter Jan Erik Olsson 4 Bankangestellte für über fünf Tage als Geiseln in einem Tresorraum. Als erste Forderung holte er seinen Kollegen Clark Olofsson aus dem Gefängnis, der bei der Geiselnahme als zweiter Täter agierte. Diese Geiselnahme, war die erste, die so eine hohe mediale Präsenz fand. Dementsprechend war es das erste Mal bei dem diese Verhaltensstörung, heute als Stockholm Syndrom bekannt, mitverfolgt wurde.
Während und auch noch nach der Geiselnahme zeigten die Opfer ihre Sympathie für die Täter. Sie hatten sichtbar mehr Angst vor der Polizei als vor den eigentlichen Verbrechern. Nach Ende der Geiselnahme folgten sogar noch Gefängnisbesuche der Opfer und sie plädierten darüber hinaus vor Gericht für eine Strafmilderung der Verbrecher.
Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Fall von Entführungsopfer Patty Hearst aus den USA. Patty Hearst, eine Enkeltochter des einflussreichen amerikanischen Medienmoguls William Randolph Hearst, wurde 1974 von einer linksradikalen Gruppe (SLA) entführt. Im Alter von 19 wurde Patty monatelang von ihren Tätern gefoltert. Schließlich trat sie ihren Peinigern bei und wurde zur Mittäterin.
Stockholm Syndrom Ursachen
Ein Zusammenspiel aus verschiedenen Ursachen führt zum typischen Verhalten im Falle des Stockholm Syndroms.
Die erste Ursache ist, dass sich die Geiseln allein gelassen fühlen. Sie sind isoliert von der Außenwelt, haben keine Informationen über die allgemeine Situation und ihr einzig sozialer Kontakt ist ausschließlich der Geiselnehmer selbst. Das führt zur Veränderung der Wahrnehmung und zur Wirklichkeitsverzerrung.
Eine zweite Ursache ist, dass die Opfer alles dafür tun, um die eigene Existenz zu erhalten. Sie befinden sich in einer Ausnahmesituation mit komplettem Kontrollverlust über ihr eigenes Leben. Sie haben keine Informationen über die Situation an sich, außer die Gewissheit, dieser ausweglosen Situation nicht entkommen zu können. Die Opfer stecken in der Rolle der Geisel fest, das heißt als das Druckmittel der Geiselnehmer, um deren Forderungen durchzusetzen. Um das auszugleichen, identifizieren sich die Geiseln unterbewusst mit ihrem Peiniger. Das kann folglich von Sympathiebekundungen bis hin zur Allianz zwischen Geisel und Geiselnehmer führen.
Die dritte Ursache hängt vom Verhalten der Täter ab. Oftmals schaffen sie es, die Geiseln davon zu überzeugen, dass sie keine Gewalt anwenden wollen. Geiseln sind schließlich ihr wichtigstes Druckmittel. Das vermittelt den Geiseln den Eindruck, dass die Täter nur Gewalt anwenden, wenn sie von den Behörden gezwungen werden und eben nicht aus eigener Initiative. In ihrer verzerrten Wahrnehmung könnten die Geiseln das als Schutz und auch Vertrauen deuten.
Stockholm Syndrom Merkmale
Ein wichtiges Merkmal des Stockholmer Syndroms ist ein positives Verhältnis zwischen Geisel und Geiselnehmer. Das äußert sich durch verschiedene Verhaltensmuster, die alle aus der Sympathie der Geiseln gegenüber ihrem Peiniger entstehen. So versteht die Geisel zunehmend die Forderungen der Geiselnehmer und fasst schon kleinste Zugeständnisse wie die Lockerung der Fesseln als großen Akt der Gnade und Dankbarkeit auf. Dabei sehen sich die Geiseln selbst nur als zufälligen Teil der Situation, weshalb sie die Schuld nicht direkt den Geiselnehmern zuschieben.
Diese Verbindung kann so weit führen, dass die Geiseln ihren Peinigern vertrauen und sie sogar als Opfer der Polizei oder Regierung wahrnehmen. Durch diese Entwicklung haben die Opfer zunehmend Angst vor der Polizei oder Regierung. Das rührt daher, da sie durch ihre Handlungen indirekt entscheiden, wann und ob die Geiseln freikommen.
Auch nach der Geiselnahme kann es sein, dass sich die Opfer dankbar gegenüber den Tätern für die Freilassung zeigen, um dessen Gnade beten oder diese gar im Gefängnis besuchen.
Stockholm Syndrom Behandlung und Therapie
Aber ist das Stockholm Syndrom nun behandelbar und heilbar?
Das Verständnis und die Sympathie der Opfer dem Peiniger gegenüber lassen in der Regel nach gewisser Zeit nach. Dabei kann es Tage, aber auch Jahre dauern, bis das Opfer sich vom Täter lösen kann, beziehungsweise sich die Wahrnehmung der Situation verändert. Unterstützend kann mit einer Psychotherapie gearbeitet werden. So kann in der Therapie die vergangene Situation erneut erlebt, jedoch mit anderen Emotionen verknüpft werden.
Zum Beispiel werden beim Stockholm Syndrom häufig kleine Handlungen des Täters, wie das Lockern der Fesseln, als große Geste anerkannt. Wenn dieses Erlebnis jedoch erneut durchlebt wird, kann die Emotion der Dankbarkeit umgewandelt werden, indem den Opfern vor Augen geführt wird, dass sie erst durch die Geiselnehmer in diese Situation gekommen sind.
Das Lima Syndrom
Ein verwandter Begriff des Stockholm Syndroms ist das Lima Syndrom. Es beschreibt das Phänomen, bei dem der/die Täter Sympathie für ihre Opfer entwickeln. Der Begriff findet seinen Ursprung durch die Geiselnahme in der peruanischen Hauptstadt Lima im Jahr 1996. Während der Entführung entwickelten die Täter eine Bindung zu ihren Geiseln und versetzten sich in diese hinein. Typische Merkmale des Lima Syndroms sind, dass der Täter beginnt sich um die Opfer zu kümmern und sich für ihr Wohlergehen einsetzt. Dabei gibt der Entführer oftmals Persönliches an die Opfer weiter und kann sich sogar zu seinen Opfern hingezogen fühlen. Im Falle von 1996 in Lima ließen die Geiselnehmer letztendlich ihre Geiseln frei.
Stockholm Syndrom — häufigste Fragen
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Was ist das Stockholm Syndrom?
Das Stockholm-Syndrom ist ein psychologischer Effekt, bei dem Opfer von z.B. Geiselnahmen positive Gefühle für ihre Entführer entwickeln. Das kann von einfacher Sympathie, bis hin zu Kooperation und sogar Liebe für den Täter reichen.
- Woher kommt der Name Stockholm Syndrom?
Der Name Stockholm Syndrom geht auf die Hauptstadt Schwedens zurück. In Stockholm wurde das Phänomen bei einem Banküberfall im Jahr 1973 das erste Mal beobachtet. -
Wie heißt das Syndrom wenn man sich in seinen Entführer verliebt?
Beim Stockholm Syndrom kann es sein, dass sich Opfer von Entführungen oder Geiselnahmen in ihre Entführer verlieben.
Abwehrmechanismen
Beim Stockholm Syndrom handelt es sich um einen sehr speziellen Selbstschutzmechanismus. Welche Abwehrmechanismen es ganz allgemein gibt und wofür sie gut sind, erfährst du hier.