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Beim Stockholm-Syndrom können Opfer Sympathie für Täter entwickeln. Aber warum ist das so? Das erfährst du hier und im Video!

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Inhaltsübersicht

Was ist das Stockholm-Syndrom?

Das Stockholm-Syndrom ist ein Phänomen, bei dem eine Verhaltensänderung von Geiseln während der Geiselnahme stattfindet. Die dabei entwickelte Sympathie und das Verständnis für den Geiselnehmer dauern meistens bis Jahre nach der Geiselnahme an.

Die drei Hauptursachen für das Stockholm-Syndrom sind die stattfindende Wirklichkeitsverzerrung, der Kontrollverlust der Opfer und das freundliche Verhalten der Täter während der Geiselnahme.

Diese drei Faktoren lassen sich auch im ersten bekannten Fall des Stockholm-Syndroms im Jahr 1973 finden. Dabei handelt es sich um einen Banküberfall in der Schwedischen Stadt Stockholm, daher auch der Name Stockholm-Syndrom. 

Es war damals ein normaler Arbeitstag für Kristin Enmark in der Svenska Kreditbank, bis plötzlich der vorbestrafte Jan-Erik Olsson das Gebäude betritt. Mit vorgehaltener Waffe nimmt er Kristin und drei ihrer Kollegen als Geiseln. 

Schon gewusst: Es gibt auch das umgekehrte Phänomen, bei dem die Entführer Sympathie für ihre Geiseln entwickeln. Dann nennst du es Lima-Syndrom.

Stockholm-Syndrom — Merkmale

Olssons erste Vorderung damals lautet, seinen ehemaligen Zellengenossen Olafsson zu entlassen und zu ihm zu bringen. Olafsson wird zum Mittäter. Kristin verbringt also die nächsten fünf Tage gefangen in der Bank. In dieser Zeit entwickeln Kristin und andere Geiseln Sympathie für ihre Entführer.

Eine Dynamik, die für alle unerwartet kommt und zuerst auch absurd erscheint. Dieses Phänomen fasziniert die Menschen so sehr, dass sogar Psychologen beginnen, das Verhalten zu studieren. Dabei entwickeln sie Merkmale des Stockholm Syndroms:  

  • Sympathie der Geiseln gegeüber dem Entführer
  • negative Gefühle gegenüber der Polizei
  • Verständnis für die Taten der Entführer

Positive Gefühle der Geiseln zum Entführer

Das auffälligste Merkmal des Stockholm-Syndroms ist die Sympathie der Geiseln gegenüber ihren Entführern. Sie kann sogar bis hin zu Loyalität zu den Geiselnehmern reichen. Wie es dazu kommen kann, siehst du am Stockholm-Fall:

In einer Nacht während der Geiselnahme ruft Kristin beim damaligen Ministerpräsidenten Palme an. Sie bittet ihn darum, die Forderungen von Olsson und Olafsson zu befolgen. Denn sie beteuert, dass sie keine schlechten Menschen sind, die jemandem etwas antun würden. Also versteht sie nicht, warum die Polizei sie nicht einfach laufen lässt.

Negative Gefühle gegenüber der Polizei

Ein weiteres Merkmal des Stockholm-Syndroms ist die Entwicklung von Misstrauen oder sogar Feindseligkeit gegenüber den Außenstehenden, wie der Polizei und den Rettungskräften.

Während Kristins Vertrauen zu Olsson und Olafsson immer weiter wächst, schwindet ihr Glaube an die guten Absichten der Polizei. Denn sie hat mitbekommen, dass die Polizei den Forderungen der beiden nicht nachkommen wird. Jetzt befürchtet sie, dass die Polizei die Bank stürmt und sie dabei alle erschießen.

Verständnis für die Taten der Entführer

Das letzte Merkmal des Stockholm-Syndroms ist das Verständnis der Geiseln für den Entführer. Sie beginnen die Beweggründe nachzuvollziehen und manchmal können sie sich sogar damit identifizieren. Diese starke emotionale Bindung führt dazu, dass Opfer noch nach dem Geschehen Kontakt zu ihren Geiselnehmern suchen.

In den letzten fünf Tagen, die Kristin mit Olsson und Olafsson im Tresorraum der Bank verbrachte, hat sie immer mehr Sympathie und Verständnis für die beiden Männer entwickelt. Als sie nun von der Polizei abgeführt werden, findet sie das nicht fair. In ihren Augen haben sie nichts falsch gemacht. Trotzdem werden sie wieder eingesperrt. Noch Jahre nach dem Geiseldrama in der Bank hält Kristin Briefkontakt mit Olafsson.

Anhand dieser Merkmale und dem Stockholm-Fall erkennst du die Komplexität des Phänomens. Es zeigt, wie Menschen in Extremsituationen auf unerwartete Weise reagieren können.

Stockholm Syndrom — Ursachen

Für viele ist es unerklärlich, warum jemand zu seinem Entführer Kontakt halten möchte. Für dieses Verhalten gibt es jedoch drei einfache Gründe:

  • das freundliche Verhalten der Täter
  • die verzerrte Wahrnehmung der Realität
  • der Verlust der Kontrolle über das eigene Leben

Das freundliche Verhalten der Täter

Das freundliche Verhalten der Täter spielt eine wichtige Rolle für das Stockholm-Syndrom. Wenn sie Freundlichkeit und Mitgefühl zeigen, selbst nur um die Geiseln zu beruhigen, kann das schnell zu positiven Gefühlen führen. Dabei spielt es keine Rolle wie groß die Geste ist, denn durch die extreme Situation wird jede nette Handlung von den Geiseln überbewertet.

Auch wenn Olafsson sie und die anderen Geiseln nicht gehen lässt, kümmert er sich trotzdem mit einer gewissen Fürsorge um sie. Kristin beobachtet, wie er mit der Polizei ihre Sicherheit verhandelt, Essen für sie fordert und sogar einen Arzt für ihre kranke Kollegin bringen lässt. Sie hat das Gefühl, Olafsson vertrauen zu können.

Wirklichkeitsverzerrung

Bei einer Geiselnahme findet eine Verzerrung der Realitätswahrnehmung statt. Durch die Isolation der Opfer erhalten sie alle Informationen ausschließlich von ihren Geiselnehmern. Es kann also passieren, dass die Opfer beginnen, die Welt durch die Augen ihrer Entführer zu sehen.

Für Kristin war schnell klar, dass Olsson und Olafsson gar nicht die Bösen sind. Immerhin kümmern sie sich um sie. Stattdessen ist die Polizei bereit sie für Tage in der Bank zu lassen, nur damit die beiden Verbrecher nicht entkommen. Und dabei erkundigen sie sich noch nicht einmal nach ihrem Wohlergehen.

Kontrollverlust

Die dritte Ursache für das Stockholm-Syndrom ist der Konrollverlust der Opfer. Bei einer Geiselnahme haben sie nämlich keine Entscheidungsfreiheit mehr. Dadurch sehen die Geiseln in den Entführern eine Quelle der Sicherheit und des Schutzes. Um das Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen, entwickeln sie ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Entführern.

Kristin und ihre Kollegen verbrachten mehrere Tage in der Bank. Ohne Olsson und Olafsson hätten sie tagelang nichts zu essen bekommen und es würde ihnen deutlich schlechter gehen. Unterbewusst bauen die Geiseln also eine positive Beziehung zu den beiden auf, da sie ihnen Sicherheit und Schutz bieten. Dadurch versuchen sie auch ein Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen. Immerhin wissen sie nicht wie lange sie noch in der Bank bleiben müssen.

Übrigens: Das Stockholm Syndrom kann auch in „alltäglichen Situationen“ auftreten, beispielsweise bei häuslicher Gewalt oder Mobbing. Auch hier entwickeln die Opfer positive Gefühle wie Sympathie, Dankbarkeit oder sogar Liebe für ihre Peiniger. Betroffene verteidigen dann das Verhalten der Angreifer, um mit der Situation umgehen zu können.

Stockholm-Syndrom — Kritik

Auch wenn die Merkmale des Stockholm-Syndroms bei vielen Ereignissen beobachtet werden konnten, stößt das Phänomen auf eine Reihe von Kritikpunkten.

Keine psychische Krankheit

Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass das Stockholm-Syndrom keine psychische Krankheit im herkömmlichen Sinne ist. Laut der American Psychological Association handelt es sich vielmehr um eine emotionale Reaktion, die Opfer in extremen und traumatischen Situationen entwickeln. Auch von den gängigen diagnostischen Handbüchern (DSM-5 und ICM-11) für psychische Störungen wird es nicht als solche anerkannt.

Für eine diagnostische Krankheit fehlen außerdem allgemein akzeptierte „Symptome“. Dadurch ist es für Fachleute schwierig, das Syndrom eindeutig zu identifizieren. Denn es unterscheidet sich kaum von anderen traumabedingten psychischen Reaktionen oder Bindungsstörungen. 

Kritische Entstehungsumstände

Ebenso waren die Umstände, unter denen das Stockholm-Syndrom definiertwurde nicht optimal. Denn es wurde vom Polizeipsychologen Nils Bejerot geprägt, dem es zugutekam, die polizeikritisierenden Opfer als psychisch krank abzustempeln.

Ebenfalls konnten dadurch Fehler der damaligen Polizeiarbeit verschleiert werden. Zum Beispiel kommunizierten die Polizisten während den kompletten fünf Tagen kein einziges Mal mit den Geiseln in der Bank.

Unter diesen Entstehungsumständen ist es also nicht verwunderlich, dass bis heute die Existenz des Stockholm-Syndroms angezweifelt wird.

Stigmatisierung der Opfer

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das Verhalten der Opfer oft als irrational abgestempelt wird, welches es aber nicht ist. Denn es ist völlig normal sich auf seine äußeren Umstände anzupassen. Durch das „Abstempeln“ verlieren Opfer jegliche Glaubwürdigkeit.

Diese Erfahrung machte auch Kristin: „[M]an [drückte] mir mit dem Stockholm-Syndrom lieber einen Stempel auf […], statt wirklich zu verstehen, was damals eigentlich passierte“, erzählt sie in einem Interview mit „Norran“ 2015.

Außerdem deutet die Bezeichnung „Syndrom“ auf eine Schuld der Opfer hin. Es wirkt so, als ob die Opfer für ihre positive Bindung zu den Entführern verantwortlich seien. Das tatsächliche Trauma und der Stress der Situation werden dadurch ignoriert. Deswegen wird heute bevorzugt der Begriff „Traumabindung“ für das Phänomen verwendet.

Stockholm-Syndrom — häufigste Fragen

  • Was ist das Stockholm-Syndrom?
    Das Stockholm-Syndrom ist ein Phänomen, bei dem Geiseln, während der Geiselnahme, eine Verhaltensänderung durchlaufen. Diese kann bis zu Jahren nach der Geiselnahme andauern. Das Opfer entwickelt dabei Sympathie und Verständnis für den Täter.
     
  • Was sind die Ursachen für das Stockholm-Syndrom?
    Die Hauptursachen des Stockholm-Syndroms sind: Wirklichkeitsverzerrung, Kontrollverlust, Verhalten der Täter.
     
  • Woher kommst der Name des Stockholm-Syndroms?
    Der Name des Syndroms beruht auf der Stadt Stockholm, in der das Phänomen 1973 zum ersten Mal beobachtet werden konnte. Dabei handelte es sich um einen Banküberfall, bei dem der Täter vier Angestellte für fünf Tage festhielt.
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Abwehrmechanismen

Das Verhalten von Personen beim „Stockholm-Syndrom“ ist eine Art Abwehrmechanismus. Da es ihnen hilft, mit der Situation umzugehen. Welche Abwehrmechanismen es noch gibt, erfährst du in unserem Video!

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