Euphemismus
Ein Euphemismus ist ein Stilmittel, bei dem bestimmte Wörter durch einen beschönigenden Ausdruck ersetzt werden. Hier erfährst du, woran du ihn erkennst und wie er funktioniert. Hier geht’s direkt zum Video!
Inhaltsübersicht
Was ist ein Euphemismus?
Wenn jemand gestorben ist, hörst du oft Wörter wie dahinscheiden, entschlafen oder das Zeitliche segnen. Die meisten Menschen vermeiden in dieser Situation die direkte Bezeichnung „sterben“ und versuchen, das unangenehme Wort durch ein anderes zu ersetzen – einen Euphemismus.
Euphemismen lassen sich häufig bei gesellschaftlichen Tabus finden, die nicht ausdrücklich benannt werden sollen. Stattdessen werden sie beschönigend umschrieben. So können Euphemismen aber auch zur Verschleierung von Sachverhalten dienen.
Der Begriff „Euphemismus“ leitet sich aus den altgriechischen Wörtern eu (gut) und phemein (reden, sagen) ab. Zusammen ergeben sie die Bedeutung „etwas Unangenehmes mit angenehmen Worten sagen“. Das ist gleichzeitig auch die Funktion des Stilmittels.
Euphemismus im Alltag
In der Alltagssprache gibt es viele euphemistische Ausdrücke für tabuisierte Begriffe. Ein Tabu ist sozusagen ein ungeschriebenes Verbot. Euphemismen umschreiben also Sachverhalte, die wegen gesellschaftlicher Verhaltensregeln nicht offen benannt werden sollen. Das sind etwa der Tod, Krankheiten, Armut oder Sexualität. Manche davon kommen dir bestimmt bekannt vor:
- stilles Örtchen: Toilette
- einschläfern: ein krankes Tier töten
- da unten: Geschlechtsteile
- die Regel: Menstruation
- sozial schwach: arm
Euphemismus in der Wirtschaft
Aus dem gleichen Grund vermeidet die Werbung diese schwierigen Begriffe, um die Käufer nicht abzuschrecken. Manchmal sollen aber auch ungünstige Seiten durch gut klingende Umschreibungen verdeckt werden.
- Transpiration: statt „Schwitzen“ in Werbeanzeigen für Deodorant
- Hautunreinheiten: statt „Pickel“ in Werbeanzeigen für Hautcremes
- „Damit die Regel sauber und diskret abläuft“: Werbung für Menstruationsprodukte
- Einsteigermodell: Modell mit wenigen Funktionen und geringerer Qualität
- Kundeninformation: Werbung
Auch in der Arbeitswelt begegnen dir immer wieder Euphemismen. Einerseits sollen sie bestimmte Tätigkeiten aufwerten, andererseits negative Tatsachen beschönigen.
- Facility Manager (engl. Verantwortlicher für eine Anlage): Hausmeister
- Event (engl. Ereignis): Veranstaltung
- Mitbewerber: Konkurrent
- kostenintensiv: teuer
- Preisanpassung: Preiserhöhung
Euphemismus in Politik und Geschichte
Politiker setzen das Stilmittel ein, um schlechte Nachrichten positiv zu „verpacken“. Euphemistische Formulierungen sollen eigene Fehler verschleiern und unliebsame Entscheidungen abmildern.
- Beitragsanpassung: Erhöhung von Gebühren
- Rückführung: Abschiebung
- Wachstumspause: Einbruch des Wirtschaftswachstums
- Ankerzentrum: Massenunterkunft für Geflüchtete
- bildungsfern: ungebildet
Das Thema „Krieg“ ist besonders schwierig und bringt deshalb viele Euphemismen mit sich:
- militärischer Konflikt: Krieg
- Gefallene: im Krieg getötete Soldaten
- Kollateralschaden: großer Schaden, der bei einer militärischen Aktion entsteht und von den Verantwortlichen in Kauf genommen wird
- Frontbegradigung: unfreiwilliger Rückzug von der Kriegsfront
- weiche Ziele: Beschuss von Menschen
In Diktaturen und anderen totalitären politischen Systemen kommt der Euphemismus in der Ideologie und der Propaganda zum Einsatz:
- antifaschistischer Schutzwall: Mauer zwischen der DDR und der BRD
- Endlösungder Judenfrage: Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten
- Euthanasie: Ermordung von kranken und behinderten Menschen durch die Nationalsozialisten
- Umsiedlung: Vertreibung
- liquidieren: ermorden
Euphemismus und Umweltschutz
In der Politik und in der Wirtschaft dienen Euphemismen immer wieder dazu, Themen rund um den Umweltschutz zu beschönigen. Beispielsweise lassen manche Firmen ihre Produkte umweltfreundlicher wirken, als sie eigentlich sind.
- recyclebar: Materialien, die sich theoretisch recyceln lassen würden – tatsächlich findet die Aufbereitung aber nicht statt, weil sie zu viel technischen Aufwand erfordern würde.
- umweltfreundlich: weniger umweltschädliches Produkt im Vergleich zur Konkurrenz
- entsorgen: wegwerfen
- Entsorgungspark: Mülldeponie
- 50% Verpackung eingespart: weniger Verpackungsmaterial als beim Vorgängermodell oder bei Konkurrenzprodukten. Das Produkt ist aber meistens immer noch in Plastik verpackt.
Euphemismus in der Literatur
Schriftsteller sind von gesellschaftlichen Normen geprägt wie alle anderen Menschen auch. In der Literatur kommen Euphemismen daher ebenso vor.
- „Sie wohnt im Schattenlande“ – Schiller: Die Glocke ⇒ Sie ist tot.
- „da Sie mich in guter Hoffnung finden“ – Goethe: Die Wahlverwandtschaften ⇒ Sie ist schwanger.
- „Maria, heil’ge, bitt für mich / Und nimm mich zu dir in dein himmlisch Leben!“ – Schiller: Maria Stuart ⇒ Er nimmt sich das Leben.
- „Unter der Linde / an der Heide, / wo unser beider Bett war, / da könnt ihr schön / gebrochen finden / Blumen und Gras.“ – W. von der Vogelweide: Lindenlied ⇒ Auf der Wiese wurde ein Mädchen entjungfert (Entjungferungsmetapher).
- „Er drückte sie auf das Bett / sodass sie laut schrie“ – Nibelungenlied ⇒ Beschreibung einer Vergewaltigung
Euphemismus – Wirkung
Wie du an den Beispielen erkennen kannst, setzt du den Euphemismus aus bestimmten Gründen ein. Je nachdem können dahinter gute oder schlechte Absichten stehen.
- Aufwertung: Hier findet der Euphemismus eine positive Verwendung. Du nutzt die beschönigende Bezeichnung, damit bestimmte Gruppen oder Tätigkeiten mehr Wertschätzung erfahren. Beispielsweise sprichst du heute vom Beruf der „Reinigungskraft“ statt von der „Putzfrau“.
- Milderung: Du setzt Euphemismen auch ein, damit bestimmte Tatsachen abgeschwächt werden und weniger drastisch wirken. So zeigst du Respekt und Höflichkeit in bestimmten Situationen, etwa wenn du bei einem Todesfall „von uns gehen“ statt „sterben“ sagst.
- Vertuschung: Eine weniger positive Motivation ist die Vertuschung. In diesem Fall soll der Euphemismus den tatsächlichen Sachverhalt verschleiern und die explizite Benennung vermeiden. Deshalb findest du das Stilmittel auch in ideologischer Propaganda. Zum Beispiel hat sich der Begriff „alternative Fakten“ etabliert. Diese Formulierung ist eine irreführende Bezeichnung von alternativen Meinungen, die von den realen Tatsachen abweicht.
Euphemismus – Bildung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Bildung von Euphemismen:
- Umschreibung: Um die Aussprache von Tabu-Wörtern zu vermeiden, umschreibst du den Sachverhalt mit anderen Wörtern. Die meisten Euphemismen fallen in diese Kategorie, wie zum Beispiel „in anderen Umständen“ statt „schwanger“.
- Abkürzung: Statt ein unangenehmes oder negatives Wort auszusprechen, verwendest du eine Abkürzung. Auf diese Weise ist etwa die Bezeichnung „BH“ für Büstenhalter entstanden.
- Wortspiel: Vor allem bei Schimpfwörtern greifst du manchmal humorvoll auf Wortspiele zurück, um sie nicht direkt auszusprechen. Vielleicht hast du schon einmal gehört, wie jemand „Schei…benkleister!“ ruft.
- Fach- und Fremdwörter: Wenn deutsche Wörter durch Fach- oder Fremdwörter ersetzt werden, wird das Bezeichnete aufgewertet. Im deutschen Sprachgebrauch handelt es sich dabei häufig um Anglizismen , also englische Wörter. Zum Beispiel klingt die Bezeichnung „Event“ aufregender und moderner als „Veranstaltung“.
Euphemismus – Gegenteil
Das Gegenstück zum Euphemismus unter den Stilmitteln ist der sogenannte Dysphemismus oder Pejorativ. Auch dysphemistische Aussagen sollen etwas umschreiben. Allerdings werten sie Gegenstände oder Menschen ab.
- Bulle: Polizist
- verrecken: sterben
- Penner: Obdachloser
- Hartzer: Empfänger von Arbeitslosengeld II
- Hintermänner: Verantwortliche
Euphemistische Metapher
Neben dem Dysphemismus gibt es noch weitere Stilmittel, die mit dem Euphemismus verwandt sind. Kennst du schon die euphemistische Metapher? In unserem Video zur Metapher erfährst du mehr dazu.