Paradoxon
Ein Paradoxon ist eine scheinbar widersprüchliche Aussage. In diesem Beitrag erfährst du, wie das Stilmittel aussehen kann und wie du seine Wirkung bestimmst. Hier geht’s zum Video!
Inhaltsübersicht
Was ist ein Paradoxon?
„Weniger ist mehr!“ Diese Aussage hast du bestimmt schon öfter gehört. Auf den ersten Blick erscheint sie total widersinnig. Schließlich ist weniger das Gegenteil von mehr. Auf den zweiten Blick erkennst du allerdings doch einen Sinn: Ein Parfum entfaltet beispielsweise oft mehr seinen Duft, wenn du weniger davon aufträgst.
So eine Äußerung nennst du Paradoxon. Es ist eine eigentlich widersprüchliche Aussage, hinter der jedoch eine tiefere Wahrheit verborgen liegt. Diese Widersprüche werden in verschiedenen Bereichen als Stilmittel eingesetzt, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.
Das Paradoxon (gr. parádoxos = unerwartet, entgegen der gewöhnlichen Meinung) als rhetorisches Mittel bezeichnet einen vermeintlichen Widerspruch, der sich bei näherer Betrachtung jedoch auflöst. Oft tritt es in Form von überspitzten oder absurden Formulierungen auf.
Paradoxon – Beispiele
Die folgenden Beispiele zeigen dir, wie unterschiedlich das Paradoxon aussehen kann.
- „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ (- Sokrates)
Dieser berühmte Satz stammt vom griechischen Philosophen Sokrates . Mit dem Widerspruch zwischen wissen und nichts wissen stellt er Folgendes heraus: Das einzige, was er sicher wissen kann, ist die Tatsache, dass er nie ein völlig zweifelsfreies Wissen haben kann.
- Das Leben ist der Tod, und der Tod ist das Leben.
Diese Redewendung dreht die erste Behauptung Das Leben ist der Tod im zweiten Teil des Satzes einfach um in der Tod ist das Leben und widerspricht sich somit eigentlich selbst. Du kannst dieses Paradoxon jedoch auch so interpretieren: Das Leben wird durch den Tod bestimmt. Wenn es jedoch noch ein Leben nach dem Tod gibt, ist es mit diesem noch nicht beendet. So wäre Leben im Tod denkbar.
- Das einzig Beständige ist die Veränderung.
Wenn sich etwas verändert, bedeutet das eigentlich, dass es eben nicht beständig ist. Dieses Paradoxon beschreibt jedoch den Umstand, dass sich alle Dinge irgendwann verändern und nichts auf ewig unverändert oder eben beständig sein kann. Auch hier liegt also ein tiefergehender Sinn versteckt.
- „Und siehe, wir leben […] als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.“ ( – Bibel: 2. Korinther 6, 9-10)
In der Bibel gibt es viele paradoxe Textstellen. So ist auch dieser Textausschnitt: Wenn du arm bist beziehungsweise nichts hast, kannst du eigentlich andere nicht reich machen oder nicht gleichzeitig alles haben. Zumindest wenn von materiellen Dingen die Rede ist. Verständlich wird diese Bibelstelle jedoch, wenn du davon ausgehst, dass man auch durch nicht-materielle Dinge, wie beispielsweise Freundschaft und Gesundheit, reich sein kann.
Paradoxon – Wirkung
Paradoxe Äußerungen können unterschiedliche Wirkungen auf den Leser haben.
Zum einen regen die auf den ersten Blick widersprüchlichen Äußerungen den Leser zum Nachdenken an. Um den tieferen Sinn zu verstehen, musst du die Aussage in ihrem Kontext, also dem Gesamtzusammenhang, betrachten und interpretieren.
Zum anderen verdeutlicht das Stilmittel auch, dass es wenig Dinge gibt, die ganz eindeutig bewertet werden können. Es gibt also nicht nur schwarz und weiß. Stattdessen kann auch ein vermeintlich logisches Prinzip durch ein Paradoxon anders bewertet werden. So können sich für den Hörer oder Leser ganz neue Perspektiven auf die Welt ergeben.
Bei dem Fachbegriff Paradoxon handelt es sich um ein Fremdwort. Deshalb sind dir vielleicht nicht immer alle Bedeutungen der Begriffe aus derselben Wortfamilie klar:
- Paradoxie bezeichnet einen paradoxen Sachverhalt. → Die bekannten Paradoxien einer Zeitreise haben unzählige Autoren beschäftigt.
- paradox ist das Adjektiv der Wortfamilie. → Eine paradoxe Situation/Äußerung.
- Paradoxa ist der richtige Plural von Paradoxon. → Paradoxa dieser Art sind in vielen Bereichen zu finden.
Formen des Paradoxons
Paradoxa kommen nicht nur als sprachliche Mittel vor. Es gibt sie auch in anderen Themenbereichen. Sie bezeichnen ebenfalls eine Widersprüchlichkeit. Allerdings lässt sich die Paradoxie in diesen Fragestellungen oft nicht beantworten oder lösen. Der Widerspruch löst sich also häufig nicht auf, wie es beim Paradoxon als Stilmittel schon der Fall ist.
Logische Paradoxa
Diese Art von Paradoxon wird vielleicht klarer mit dem Pinocchio-Beispiel:
Wie du bestimmt weißt, wächst die Nase von Pinocchio immer, wenn er lügt. Was passiert nun aber, wenn er sagt: „Meine Nase wächst gerade?“ Stelle dir vor, er sagt die Wahrheit, dann wächst seine Nase nicht und der Satz wäre falsch. Wenn du davon ausgehst, dass er lügt, würde seine Nase zwar wachsen, der Satz wäre aber trotzdem falsch – er hat ja gelogen. Solche Sätze widersprechen sich selbst in ihrer Logik, deshalb sprichst du von logischen Paradoxa.
Ein klassisches Beispiel für ein logisches Paradoxon ist außerdem der Satz: „Dieser Satz ist falsch.“ Kannst du die Paradoxie bei dieser Äußerung selbst herausfinden? Sie funktioniert nach demselben Prinzip wie das Pinocchio-Paradoxon.
Physikalische Paradoxa
Es gibt zwei bekannte physikalische Paradoxa, die auch außerhalb von Physikerkreisen bekannt geworden sind:
Das erste wurde nach seinem Erfinder Erwin Schrödinger „Schrödingers Katze“ genannt: Es handelt sich um ein Gedankenexperiment aus der Quantenphysik. Dabei wird eine Katze gemeinsam mit einem instabilen Atomkern in einer Kiste eingeschlossen. Innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zerfällt dieser Atomkern. Durch genau diesen Mechanismus wird dann Giftgas freigesetzt, das die Katze in der Kiste tötet. Da es sich um ein geschlossenes System ohne Beobachter handelt, kannst du von außen nicht feststellen, welcher Zustand in der Kiste vorherrscht. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem jemand die Kiste öffnet und nach der Katze sieht, musst du also annehmen, dass das Tier gleichzeitig tot und lebendig ist.
Das zweite bekannte Paradoxon trägt den Namen „Fermi-Paradoxon“. Der Physiker Enrico Fermi stellte folgendes paradoxes Verhältnis heraus: Der Mensch ist noch nie auf außerirdisches Leben gestoßen oder hat Hinweise darauf gefunden. Das steht aber im Widerspruch zu dieser Annahme: Überall in unserer Galaxie leben aller Wahrscheinlichkeit nach solche außerirdische Zivilisationen. Fermi fragt also eigentlich kurz gesagt: „Wenn es sie gibt, warum sind sie dann nicht hier?“
Metaphysische Paradoxa
Auch für diese Art gibt es ein bekanntes Paradoxon: Die Vorstellungen von der (Un-)Endlichkeit des Universums. Der menschliche Verstand kann sich nichts tatsächlich Unendliches vorstellen. Genauso wenig kannst du dir allerdings vorstellen, dass das Universum zu einem Zeitpunkt mal nicht existiert hat, denn was war dann davor? Kurz gesagt: Bei metaphysischen Paradoxa ist unsere menschliche Vorstellungskraft nicht ausreichend, damit wir uns so etwas überhaupt vorstellen bzw. begreifen können.
Abgrenzung von anderen Stilmitteln
Es gibt noch weitere Stilmittel, die auch die Gegensätzlichkeit von etwas beschreiben. Deshalb ist es manchmal schwierig, sie voneinander zu trennen. Sieh dir die Erklärungen im Anschluss an, um die Abgrenzungen besser zu verstehen:
Parallelismus – Chiasmus
Ein Paradoxon kann in seiner Satzstruktur durch die beiden Stilmittel Parallelismus und Chiasmus verstärkt werden.
Sieh dir zum Beispiel die paradoxe Redewendung von oben noch einmal an:
Paradoxon + Parallelismus – Beispiel: Das Leben ist der Tod, und der Tod ist das Leben.
Ein Parallelismus liegt immer dann vor, wenn einzelne Satzglieder in aufeinanderfolgenden Sätzen oder Satzteilen gleich angeordnet sind. Wie du an den Farben erkennst, ist das auch bei dieser paradoxen Redewendung der Fall. So wird der inhaltliche Widerspruch auch strukturell verdeutlicht.
Eine weitere Möglichkeit, um das Paradoxon auch in seiner Satzstruktur zu unterstützen, bietet der Chiasmus.
Paradoxon + Chiasmus – Beispiel:
Je mehr man weiß, desto mehr vergisst man.
Je mehr man vergisst, desto weniger weiß man.
Der Chiasmus steht im Gegensatz zu dem Parallelismus. Hier werden also nicht Satzglieder gleich aneinandergereiht, sondern entgegengesetzt. Dadurch kannst du die jeweiligen Wörter kreuzweise miteinander verbinden. Die Widersprüchlichkeit der beiden Aussagen wird also auch hier durch die Anordnung der Satzglieder verdeutlicht.
Antithese
Mit antithetischen Äußerungen können Autoren die Gegensätzlichkeit zweier Begriffe oder Aussagen gegenüberstellen. Im Gegensatz zum Paradoxon verbirgt sich hinter der Antithese jedoch kein tieferer Sinn, es geht eben gerade darum, den Gegensatz zu betonen.
Antithese – Beispiel: „Ach Gott! die Kunst ist lang! / Und kurz ist unser Leben.“ (- J.W. v. Goethe: Faust I)
Die beiden Stilmittel kannst du allerdings nicht immer eindeutig voneinander trennen. Sieh dir noch einmal das obere Beispiel an: Umsonst ist nur der Tod und der kostet das Leben. Hier erkennst du, dass in dem Paradoxon selbst eine Antithese steckt. Dadurch wird die Widersprüchlichkeit noch einmal stärker betont. In unserem Beitrag zur Antithese erfährst du mit vielen Beispielen, wie dieses Stilmittel noch aussehen kann.
Oxymoron
Das Oxymoron gilt als Sonderform der Antithese. Hier werden die gegensätzlichen Begriffe jedoch nicht nur gegenübergestellt. Stattdessen geht es darum, zwei Wörter zu kombinieren, die sich gegenseitig ausschließen. Auch beim Oxymoron löst sich der Widerspruch bei genauerer Betrachtung nicht auf. Darin unterscheidet er sich also von den sprachlichen Paradoxa.
Oxymoron – Beispiel: Du siehst ja aus wie eine lebende Leiche!
Wenn du den Unterschied zwischen den Stilmitteln der Gegensätze noch besser verstehen möchtest, dann sieh dir hier gleich unser Video zum Oxymoron an.