Reichsgründung 1871
Die Reichsgründung 1871 gilt als Wendepunkt der deutschen Geschichte. Was sie so besonders macht und wie es dazu kam, erfährst du hier und im Video!
Inhaltsübersicht
Die Reichsgründung 1871 im Überblick
Bei der Reichsgründung am 18. Januar 1871 wurde im Schloss Versailles das Deutsche Kaiserreich gegründet. Zuvor bestand das Kaiserreich nämlich aus vielen kleinen Staaten, die jeweils ihre eigenen Herrscher hatten. Die Bürger wünschten sich daher einen gemeinsamen deutschen Staat.
Der preußische Politiker Otto von Bismarck nutzte diesen Wunsch für seine Politik. Durch drei Einigungskriege in den 1860er Jahren gelang es ihm, die deutschen Staaten unter preußischer Führung zu vereinen.
So wurde Deutschland zum ersten Mal ein einheitlicher Nationalstaat. Die Reichsgründung machte Deutschland damit zu einer neuen Großmacht, was das Gleichgewicht zwischen den europäischen Staaten verschob.
Wie es zur Reichsgründung kam — die Vorgeschichte
Deutschland war lange Zeit kein einheitlicher Staat. Nach den Napoleonischen Kriegen entstand 1815 der Deutsche Bund — ein lockerer Zusammenschluss aus vielen Fürstentümern und Königreichen aus den Gebieten von Preußen und Österreich. Doch dieser Bund war nicht besonders stark: Es gab keine gemeinsame Regierung und keine einheitliche Armee.
Viele Menschen wünschten sich deshalb, dass Deutschland endlich vereint und einheitlicher organisiert würde. 1848 kam es daher zur Märzrevolution. Bürger und Studenten forderten dabei mehr Mitbestimmung, einen vereinten Nationalstaat und eine gemeinsame Verfassung.
Doch die Revolution scheiterte. Viele Fürsten und der preußische König Wilhelm IV. wollten ihre Macht nicht teilen und lehnten die Verfassung ab. Der Traum von einem vereinten Deutschland rückte wieder in die Ferne.
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Deutscher Dualismus — Preußen gegen Österreich
Nach dem Ende der Revolution blieb der Deutsche Bund bestehen. Preußen und Österreich bestimmten weiterhin die Politik. Beide wollten die führende Rolle im Bund übernehmen und es kam zum Konflikt: Österreich wollte den alten Bund bewahren und seinen Einfluss sichern, während Preußen ein geeintes Deutschland unter eigener Führung anstrebte.
Dieser Machtkampf zwischen Österreich und Preußen wird „Deutscher Dualismus“ genannt. In dieser angespannten Lage trat nun Otto von Bismarck mit einem Plan hervor, wie sich eine „Einigung“ durchsetzen ließ — nämlich durch ein starkes Heer.
Politische Spannungen und der Verfassungsbruch in Preußen
In den 1860er-Jahren wollte der preußische König Wilhelm I. seine Armee stark ausbauen. Das Parlament lehnte das ab, weil es einen Machtzuwachs des Königs fürchtete.
Otto von Bismarck nutzte den Konflikt. Er stellte sich offen auf die Seite des Königs und erklärte, dieser dürfe trotz fehlender Zustimmung des Parlaments handeln.
Bismarck stützte sich dabei auf eine Lücke in der Verfassung (Lückentheorie). Er behauptete, dass die Verfassung für den Fall einer Pattsituation zwischen König und Parlament keine klare Regelung enthält. Und als Oberhaupt des Staates dürfe der König deshalb allein handeln. So setzte Bismarck die Heeresreform gegen den Widerstand des Parlaments durch. Dieser Schritt galt als Verfassungsbruch.
Die Kritik war groß, doch als preußischer Ministerpräsident verfolgte Bismarck ein klares Ziel: Er wollte Preußens Position im Deutschen Bund stärken und die Grundlage für eine deutsche Einigung unter preußischer Führung schaffen.
Die Einigungskriege — Bismarcks Weg zur Einheit
Um dieses Ziel zu erreichen, setzte Bismarck auf gezielte außenpolitische Konflikte. In drei aufeinanderfolgenden Kriegen konnte Preußen seine Macht ausbauen und Schritt für Schritt die deutsche Einheit vorbereiten.
In den folgenden Abschnitten schauen wir uns an, wie die Kriege verliefen.
Deutsch-Dänischer Krieg 1864
Der erste große Schritt auf dem Weg zur deutschen Einheit war der Krieg gegen Dänemark.
| Fakt | Information |
| Zeitpunkt | Februar bis Oktober 1864 |
| Konfliktparteien | Dänemark gegen Preußen und Österreich |
| Auslöser | Dänemark versuchte, Schleswig enger an sich zu binden. Das verletzte frühere Verträge. |
| Verlauf | Preußen und Österreich führten gemeinsam einen kurzen, erfolgreichen Krieg. |
| Ergebnis | Dänemark verlor. Schleswig, Holstein und Lauenburg gingen an Preußen und Österreich. |
| Folgen | Die gemeinsam verwalteten Gebiete führten zu Streit zwischen Preußen und Österreich. Dieser Konflikt löste den Deutschen Krieg aus und ebnete den Weg zu einem Deutschland unter preußischer Führung. |
Deutsch-Deutscher Krieg 1866
Den Konflikt mit Österreich nutzte Bismarck gezielt, um den Deutsch-Deutschen Krieg vorzubereiten. Damit wollte er Österreich aus Deutschland heraushalten, damit Preußen die Führung übernehmen konnte.
| Fakt | Information |
| Zeitpunkt | Juni bis August 1866 |
| Konfliktparteien | Preußen gegen Österreich und dessen Verbündete |
| Auslöser | Preußen und Österreich konnten sich nicht auf die Verwaltung von Schleswig und Holstein einigen. Preußen marschierte in Holstein ein, was Österreich als Angriff wertete. |
| Verlauf | Österreich erklärte den Krieg. Preußen gewann schnell mehrere Schlachten. |
| Ergebnis | Preußen siegte. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst und der Frieden von Prag beendete den Krieg. |
| Folgen | Österreich verlor seinen Einfluss in Deutschland. Preußen übernahm die Führung und gründete den Norddeutschen Bund — eine Vorstufe zum späteren Deutschen Reich. |
Mit dem norddeutschen Bund wurde zum ersten Mal ein großer Teil Deutschlands politisch vereint. Er bestand aus 22 Staaten, hatte eine gemeinsame Verfassung, ein Parlament und eine Armee unter preußischem Oberbefehl.
Deutsch-Französischer Krieg 1871
Der letzte Schritt zur deutschen Einheit war der Deutsch-Französische-Krieg. Bismarck wollte nun auch die süddeutschen Staaten endgültig an Preußen binden.
| Fakt | Information |
| Zeitpunkt | Juli 1870 bis Mai 1871 |
| Konfliktparteien | Preußen und die süddeutschen Staaten gegen Frankreich |
| Auslöser | Frankreich wollte verhindern, dass ein Verwandter des preußischen Königs spanischer König wird. Nach der provokant gekürzten Emser Depesche fühlte sich Frankreich beleidigt und erklärte Preußen den Krieg. |
| Verlauf | Preußische und süddeutsche Truppen besiegten Frankreich, u. a. in der Schlacht bei Sedan. |
| Ergebnis | Frankreich verlor den Krieg. Elsass und Teile Lothringens mussten im Frieden von Frankfurt an Deutschland abgetreten werden. |
| Folgen | Der gemeinsame Sieg über Frankreich vereinte Nord- und Süddeutsche endgültig. Dadurch entstand die nötige Zustimmung für die Reichsgründung. |
Gut zu wissen: Obwohl die Reichsgründung schon am 18. Januar 1871 stattfand, war der Krieg zu diesem Zeitpunkt noch nicht offiziell beendet. Der Sieg über Frankreich stand bereits fest, aber Frankreich willigte erst im Mai in Friedensverhandlungen ein. Mit dem Frieden von Frankfurt am 10. Mai 1871 war der Krieg beendet.
Das neue Deutsche Kaiserreich
Am 18. Januar 1871 wurde schließlich das Deutsche Kaiserreich im Spiegelsaal des Schloss Versailles gegründet. Zu diesem neuen Staat gehörten nun 25 deutsche Bundesstaaten, die sich unter preußischer Führung vereinigten. Otto von Bismarck wurde zum ersten Reichskanzler ernannt.
Die Reichsgründung galt als „Reichsgründung von oben“. Das bedeutet, sie wurde nicht vom Volk getragen, sondern von den Fürsten und Militärführern beschlossen. Es war also kein Ergebnis einer Revolution, sondern eine Entscheidung der politischen Eliten.
Dass die Kaiserproklamation in Frankreich stattfand, war kein Zufall. Paris war zu dieser Zeit noch von deutschen Truppen besetzt. Bismarck wollte damit zeigen, dass Deutschland nun die neue Großmacht in Europa war. Für Frankreich war das demütigend.
Wichtig: Der Begriff „Kaiserproklamation“ ist nur ein anderes Wort für die offizielle Verkündung, dass es nun einen deutschen Kaiser und damit ein Deutsches Reich gab.
Übersicht — Reichsgründung 1871
- 1815: Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress
- 1848/49: Revolution in Deutschland — Versuch, einen Nationalstaat zu schaffen (scheitert)
- 1862: Otto von Bismarck wird preußischer Ministerpräsident
- 1864: Deutsch-Dänischer Krieg — Preußen und Österreich besiegen Dänemark
- 1866 (Juni–August): Deutscher Krieg (Preußisch-Österreichischer Krieg) — Sieg Preußens; Auflösung des Deutschen Bundes
- 1867: Gründung des Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung
- 1870 (Juli): Beginn des Deutsch-Französischen Krieges
- 1870 (2. September): Sieg in der Schlacht bei Sedan — französischer Kaiser Napoleon III. wird gefangen genommen
- 1870 (Dezember): Süddeutsche Staaten treten dem Norddeutschen Bund bei
- 1871 (18. Januar): Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles — Wilhelm I. wird Kaiser
- 1871 (10. Mai): Friede von Frankfurt — offizielles Ende des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich
- 1871 (16. April): Inkrafttreten der Reichsverfassung
Deutsches Kaiserreich
Die Reichsgründung war erst der Anfang des Deutschen Kaiserreichs. Wie es sich danach politisch und gesellschaftlich entwickelte, zeigen wir dir hier.