Trochäus
Der Trochäus ist ein Versfuß, der sich aus einer betonten und einer unbetonten Silbe zusammensetzt. Wie du ihn bestimmst und welche Sonderformen es gibt, erfährst du hier. Schau dir auch gleich noch unser Video an!
Inhaltsübersicht
Was ist ein Trochäus?
Der Trochäus ist neben dem Jambus , dem Daktylus und dem Anapäst einer der vier Versfüße in Gedichten. Dabei bildet der Versfuß die kleinste rhythmische Einheit eines Gedichts und ist damit Bestandteil des Metrums . Ein Trochäus ist aus einer betonten und einer unbetonten Silbe aufgebaut.
Trochäen kommen in der deutschen Sprache sehr oft vor, zum Beispiel im Wort Liebe. Die erste Silbe „Lie-“ ist betont, darauf folgt die unbetonte Silbe „-be“.
Der Trochäus gehört zu den alternierenden zweisilbigen Versfüßen in deutschen Gedichten. Das bedeutet, dass sich hier regelmäßig betonte und unbetonte Silben abwechseln. Für die Gedichtanalyse kürzt du den Trochäus mit den Betonungszeichen – ∪ oder Xx ab.
Trochäus – Aufbau
In einem trochäischen Vers wiederholt sich die Abfolge von betonter und unbetonter Silbe mehrmals. Wenn du für die Gedichtanalyse den Trochäus bzw. allgemein das Metrum bestimmen willst, trennst du zunächst die Silben durch Längsstriche voneinander ab.
Danach siehst du dir an, welche Silben im Vers betont und welche unbetont sind. Wenn du damit noch Schwierigkeiten hast, kannst du die Verse auch besonders deutlich vorlesen. Denn die betonten Silben sprichst du dann automatisch lauter aus.
Eine genauere Anleitung, wie du beim Bestimmen des Metrums vorgehst, erhältst du in diesem Beitrag.
Die betonten Silben in einem Vers bezeichnest du als Hebungen. Du kannst sie für deine Gedichtanalyse mit – oder X abkürzen. Dagegen nennst du die unbetonten Silben auch Senkungen, die Betonungszeichen dafür sind ∪ oder x. Schauen wir uns das am besten an einem konkreten Beispiel – Eichendorffs „Wünschelrute“ – an.
Trochäus Beispiel:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Schläft | ein | Lied | in | al|len | Din|gen,
– ∪ – ∪ – ∪ –
die | da | träu|men | fort | und | fort,
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
und | die | Welt | hebt | an | zu | sin|gen,
– ∪ – ∪ – ∪ –
triffst | du | nur | das | Zau|ber|wort.
Trochäus – Hebungen und Kadenz
Wenn du den Versfuß – also Trochäus, Jambus, Daktylus oder Anapäst – schon bestimmt hast, zählst du die Hebungen. In unserem Beispiel sind es vier regelmäßig betonte Silben pro Vers. Damit ist das Metrum ein vierhebiger Trochäus.
Beim genaueren Hinsehen fällt auf, dass manche Verse auf eine betonte und andere auf eine unbetonte Silbe enden. Das hat mit der Kadenz der Verse zu tun. Unter der Kadenz verstehst du die Betonung der letzten beiden Silben im Vers. Weitere Informationen findest hier .
Ein kompletter Versfuß besteht – bezogen auf den Trochäus aus – aus zwei Silben, nämlich einer betonten und einer unbetonten Silbe. Wenn der letzte Versfuß nicht komplett ist, sprichst du von einem katalektischen Vers. Das ist zum Beispiel in Vers 2 der Fall. Bei einem vollständigen vierhebigen Trochäus müsste der Vers aus acht Silben (vier mal – ∪) bestehen. Die letzte unbetonte Silbe fehlt hier aber.
Trochäus – Wirkung
Das Versmaß sorgt in einem Gedicht für einen bestimmten Rhythmus und kann so auch eine gewisse Stimmung vermitteln.
Dadurch dass beim Trochäus immer die erste Silbe im Vers betont ist, wirkt das Gedicht oft feierlich. Schauen wir uns dazu einmal Schillers „Ode an die Freude“ an:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Freu|de,| schö|ner | Göt|ter|fun|ken,
– ∪ – ∪ – ∪ –
Toch|ter | aus | E|ly|si|um,
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
wir | be|tre|ten | feu|er|trun|ken,
– ∪ – ∪ – ∪ –
himm|li|sche,| dein | Hei|lig|tum.
Durch die Betonung wird dem Anfang der Verse viel Nachdruck verliehen. Wegen der Regelmäßigkeit des Versmaßes kann man solche Gedichte auch gut vertonen – also musikalisch umsetzen.
Trochäus – Begriff Geschichte
Den Trochäus nennst du auch einen fallenden Versfuß. Das liegt daran, dass die Betonung in der zweiten Silbe des Wortes jeweils abfällt. Ursprünglich kommt das Wort „Trochäus“ aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie „Läufer“.
Häufig kamen Trochäen in Chorliedern von griechischen Dramen zum Einsatz. Deswegen ist der Trochäus in der Antike auch unter dem Namen Choreus bekannt. Anders als heute war in der griechischen Verslehre aber nicht die Betonung, sondern die Länge der Silben entscheidend. Daher bestand ein Trochäus ursprünglich noch aus einer langen und einer kurzen Silbe.
Serbischer Trochäus
Den fünfhebigen Trochäus nennst du auch serbischen Trochäus. Dieses Versmaß setzt sich also aus zehn Silben mit fünf Hebungen zusammen und lässt sich so abkürzen: – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Das Versmaß war besonders in serbischer Volksdichtung beliebt. Gottfried Herder führte den serbischen Trochäus um 1800 in die deutsche Dichtung ein. Er kommt vor allem in deutschen Balladen vor, z. B. in Goethes „Die Braut von Corinth“:
Trochäus Beispiel:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Nach | Co|rin|thus | von | A|then | ge|zo|gen
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
kam | ein | Jüng|ling,| dort | noch | un|be|kannt.
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Ei|nen | Bür|ger | hofft‘ | er | sich | ge|wo|gen,
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
bei|de | Vä|ter | wa|ren | gast|ver|wandt,*
– ∪ – ∪ ∪ – ∪ – ∪ –
hat|ten | frü|he | schon | Töch|ter|chen | und | Sohn
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
Braut | und | Bräu|ti|gam,| im | Ernst,| ge|nannt.
*Gastverwandtschaft bedeutete in der Antike, dass zwei Familien befreundet waren und sich regelmäßig als „Gastfreunde“ besuchten.
Auch in diesem Gedicht findest du katalektische Verse, zum Beispiel in den Versen 4, 5 und 6: Sie bestehen nicht aus den regulären 10, sondern nur 9 Silben. Der letzte Trochäus ist dann nicht komplett. Außerdem steht im vorletzten Vers einmal ein Daktylus (– ∪ ∪) statt einem Trochäus (– ∪).
Romanzenvers
Der vierhebige Trochäus wird auch Romanzenvers genannt. Das Versmaß hierzu sieht also so aus: – ∪ – ∪ – ∪ – ∪. Hier wechseln sich viermal eine betonte und eine unbetonte Silbe ab. Der Romanzenvers besteht somit aus 8 Silben.
In der deutschen Dichtung war der Romanzenvers vor allem in der Romantik beliebt. Goethe setzte ihn z. B. im Gedicht „Deutsch-chinesische Jahres- und Tageszeiten“ ein.
Trochäus Beispiel:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Dämm’|rung | senk|te | sich | von | o|ben,
– ∪ – ∪ – ∪ –
schon | ist | al|le | Nä|he | fern;
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
doch | zu|erst | em|por|ge|ho|ben
– ∪ – ∪ – ∪ –
hol|den | Lichts | der | A|bend|stern.
Im Beispiel kannst du erkennen, dass der Trochäus sehr regelmäßig ist. Aber auch hier bestehen manche Verse aus nur 7 statt 8 Silben und damit aus „halben“ Trochäen (– statt – ∪). Vers 2 und 4 sind also katalektische Verse.
Trochäus – Jambus
Der Jambus ist praktisch die Umkehrung des Trochäus. Denn er besteht aus einer unbetonten und einer betonten Silbe (∪ –). Finde gleich noch mehr über den häufigsten deutschen Versfuß heraus und schau dir dieses Video zum Jambus an!