Expressionismus Gedichte
Du willst wissen, wie du Expressionismus Gedichte analysierst und interpretierst? Im Beitrag und Video erfährst du, wie dir deine Gedichtanalyse gelingt und wie du die Merkmale der Epoche in Gedichten ganz leicht erkennst.
Inhaltsübersicht
Expressionismus Gedichte – einfach erklärt
Gedichte aus der Literaturepoche des Expressionismus sind geprägt von Themen wie Krieg, Orientierungslosigkeit oder dem Verlust des Individuums in der Großstadt. Diese Motive beruhen auf dem geschichtlichen Hintergrund dieser Epoche — dem Ersten Weltkrieg und der Industrialisierung.
Um ein Expressionismus Gedicht zu erkennen, sind vor allem der Verfasser und das Erscheinungsjahr wichtig. Wie du weitere Merkmale dieser Literaturepoche sowohl inhaltlich als auch sprachlich interpretieren kannst, erfährst du jetzt.
Expressionismus Gedichte – geschichtlicher Hintergrund
Der Expressionismus war eine künstlerische Bewegung. Sie enststand als Reaktion auf die Veränderungen des menschlichen Lebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Industrialisierung und Urbanisierung.
Diese Entwicklungen führten zu einer modernen Industriegesellschaft, in der die Landwirtschaft an Bedeutung verlor und die Arbeiterklasse in schlechten Verhältnissen lebte. Das Bürgertum war eher konservativ geprägt, während die Frauenrechtsbewegung aktiv war und 1918 in der neu gegründeten Weimarer Republik das Frauenwahlrecht eingeführt wurde.
Die neuen Technologien brachten Fortschritte wie:
- Straßenbahnen, U-Bahnen, Omnibusse und Automobile
- fließendes Wasser und elektrisches Licht
- Telefon und Telegrafie
- Fotografie, Film und Schallplatten hervor.
Das einschneidendste Ereignis der Epoche war jedoch der Erste Weltkrieg (1914-1918), der zunächst mit Begeisterung aufgenommen wurde, aber zu einer völligen Fehleinschätzung führte. Der Krieg war extrem langwierig und zahlreiche Soldaten wurden während des Krieges verwundet und traumatisiert.
Expressionismus Gedichte – Themen und Motive
Noch aussagekräftiger als der Verfasser und das Erscheinungsjahr ist natürlich der Inhalt des Gedichts. Es gibt verschiedene Themen und Motive, die du in der Lyrik des Expressionismus immer wieder finden kannst. Dazu gehören:
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Großstadt
Die Menschen waren überfordert mit dem rasanten Wachstum der Städte. Die Expressionisten thematisierten in ihren Gedichten die Lebensumstände in der Stadt: die Anonymität, die Enge, den Lärm, die vielen Menschen. Oft wurde die Stadt als etwas Bedrohliches gesehen.
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Krieg
Expressionistische Dichter verarbeiteten ihre Eindrücke des Ersten Weltkriegs und behandelten Themen wie Kriegstraumata und Tod.
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Orientierungslosigkeit
Vor allem in den überfüllten Städten fühlten sich die Menschen einsam und verloren und es war schwer, enge Kontakte zu knüpfen. Auch in den Kriegsjahren herrschte eine große Verunsicherung — denn niemand wusste, wohin der Krieg führen würde.
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Verlust des Individuums
Die Angst, in der anonymen Masse unterzugehen, war groß. Gerade im Hinblick auf die Industrialisierung wurden die Menschen nur auf ihre Arbeitskraft reduziert. Subjektive Gefühle schienen dafür keinen zu interessieren. Die Expressionisten thematisierten deshalb individuelle Emotionen und Eindrücke in ihren Gedichten.
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Ende und Neubeginn
Die Auswirkungen des Krieges und das zunehmende Elend schien für viele wie ein Ende, eine Sackgasse. Die junge Generation jedoch hoffte auf einen Neuanfang und hatte den Wunsch, mit den traditionellen, konservativen Denkweisen zu brechen.
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Das Hässliche
In expressionistischen Gedichten wird oft das Hässliche ganz genau beschrieben. Nicht selten findest du in den Gedichten deshalb unangenehme, abstoßende und eklige Beschreibungen von Krankheiten oder dem menschlichen Körper allgemein.
Expressionismus Gedichte – sprachliche Merkmale
Du kannst ein expressionistisches Gedicht auch an seiner Sprache erkennen. Im Gegensatz zu anderen Epochen findest du im Expressionismus keine strengen sprachlichen Regeln und die Autoren waren experimentierfreudig. Nach folgenden Merkmalen kannst du Ausschau halten:
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unregelmäßige und/oder freie Rhythmen; abgehakter Stil mit kurzen Sätzen
→ Je nach Thema des Gedichts kann das die Orientierungslosigkeit der Menschen oder den Lärm in der Großstadt widerspiegeln.
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Zeichensetzungs- oder Grammatikregeln
werden gebrochen
→ Das kann ebenfalls für Orientierungslosigkeit stehen, aber auch für den Wunsch nach einem Neubeginn und einem Bruch mit Traditionen.
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auf feste Reimschemata
, Metren
, Strophen- und Reimformen
wird verzichtet
→ Auch dieses Merkmal kannst du als Zeichen für Orientierungslosigkeit oder Neubeginn deuten, aber auch als Gegensatz zum Verlust des Individuums sehen: Subjektive, eigene, einzigartige äußere Merkmale des Gedichts sind viel wichtiger, als eine strenge, monotone Form, in der es schon massenweise andere Gedichte gibt.
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sehr bildhafte und ausdrucksstarke Sprache mit Metaphern
, Vergleichen
und Personifikationen
→ Die Stilmittel können ebenfalls für die Betonung des Individuums, also des einzelnen Menschen mit all seinen Gefühlen stehen. Sie können aber auch die Verlorenheit des Menschen widerspiegeln und zeigen, dass er nur ein Spielball seiner Umwelt ist. Das kannst du beispielsweise an einer Personifikation in „Der Gott der Stadt“ von Georg Heym beobachten. Dort unterwirft sich der Mensch dem übermächtigen Stadt-Gott Baal und selbst „die großen Städte knien“ (V. 6) vor Baal nieder.
- ausdrucksvolle, metaphorische Sprache
- großteiliger Verzicht auf Metrum, Reimschema, feste Gedicht- oder Strophenform
- sprachliche Stilmittel: Wortneuschöpfungen (Neologismen), Ellipsen, Enjambements, Personifikationen, Metaphern, Übertreibungen und Ironie.
Expressionismus Gedichte – Interpretation
Wirf bei der Interpretation einen Blick auf das Erscheinungsjahr des Gedichts. Die Epoche des Expressionismus dauerte von 1905 bis 1925 — somit sind auch die meisten expressionistischen Gedichte in diesem Zeitraum erschienen. Aber Achtung! Es kann natürlich auch Gedichte geben, die früher oder später veröffentlicht wurden und trotzdem expressionistische Merkmale aufweisen, wie z. B. „Augen in der Großstadt“
von Kurt Tucholsky
aus dem Jahr 1932.
Achte auch auf bekannte Autoren, die viele expressionistische Gedichte verfasst haben. Dazu gehören Georg Heym („Die Stadt“ , „Der Gott der Stadt“ ), Georg Trakl und Gottfried Benn. Wenn du also ein Gedicht von ihnen analysieren musst, dann kannst du dir sicher sein, dass es sich um ein expressionistisches Gedicht handelt.
Du kannst nun anfangen, das Expressionismus Gedicht zu interpretieren. Wie das in zwei Schritten ganz einfach funktioniert, zeigen wir dir jetzt.
- „Die schöne Stadt“ und „Grodek“ ; Georg Trakl (1887-1914)
- „Weltflucht“ und „Weltende“ ; Else Lasker-Schüler (1869-1945)
- „Morgue und andere Gedichte“ (Gedichtband); Gottfried Benn (1886-1956)
- „Weltende“ und „Die Stadt“; Jakob van Hoddis (1887-1942)
- „Der Gott der Stadt“ und „Berlin VIII“; Georg Heym (1887-1912)
Schritt 1: Lesen und Besonderheiten notieren
Nachdem du festgestellt hast, dass du dein Gedicht dem Expressionismus zuordnen kannst, beginnst du mit der Analyse. Zuerst liest du dir das Gedicht mehrmals aufmerksam durch und markierst dir auffällige oder wichtige Stellen. Außerdem kannst du dir Notizen in Form von Stichpunkten, einer Mindmap oder einer Tabelle machen.
Konzentriere dich vor allem auf die sprachlichen, formalen und inhaltlichen expressionistischen Merkmale, die du im ersten Schritt bereits kennengelernt hast. Sie helfen dir, deine Gedichtinterpretation zu schreiben. Versuche dabei auch, Inhalt und Sprache miteinander zu verknüpfen. Bringe also zum Beispiel den Lärm und Hektik in der Großstadt mit dem unregelmäßigen Rhythmus des Gedichts in Verbindung.
Schritt 2: Die Analyse schreiben
Nachdem du dich ausführlich mit dem Gedicht und den Expressionismus Merkmalen beschäftigt hast, kannst du deine Gedichtanalyse ausformulieren. Der Aufbau ist dabei immer gleich:
- Einleitung: Hier nennst du die wichtigsten Eckdaten des Gedichts, also den Titel, den Autor, das Erscheinungsjahr und die Epoche. Außerdem fasst du den Inhalt in ein bis zwei Sätzen zusammen.
- Hauptteil: Du untersuchst das Gedicht auf Inhalt, Form und Sprache und baust deine Notizen und dein Wissen über den Expressionismus und seine Merkmale mit ein. Belege deine Aussagen dabei immer mit Beispielen aus dem Gedicht.
- Schluss: Hier fasst du deine Erkenntnisse noch einmal kurz zusammen und überlegst, was das Gedicht für eine Bedeutung haben könnte.
Expressionismus Gedichte – Beispiel:
Hier siehst du noch ein Beispiel für ein bekanntes Gedicht aus dem Expressionismus:
Georg Trakl
Grodek
Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tötlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düster hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt,
Das vergossne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre,
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungebornen Enkel.
Bei einer Interpretation des Gedichts könntest du in der Einleitung zum Beispiel so etwas schreiben:
Das Gedicht „Grodek“ von Georg Trakl wurde im Jahre 1914 veröffentlicht und lässt sich somit der Epoche des Expressionismus zuordnen. Es handelt von schrecklichen Erfahrungen während des Ersten Weltkriegs. Trakl verarbeitet selbst seine Kriegserfahrung von der Schlacht zwischen Russland und Österreich mithilfe dieses Gedichts.
Tipp: Du möchtest eine ausführliche Interpretation zu „Grodek“? Dann schau dir hier unseren Beitrag dazu an! In dieser Playlist findest du auch viele weitere Analysen!
Expressionismus (Literatur)
Jetzt weißt du, wie du ein Gedicht aus dem Expressionismus analysieren kannst. Damit deine Analyse perfekt wird, musst dich gut mit der Epoche auskennen. Dabei hilft dir unser ausführliches Video sicher weiter!