Reimformen (Reimarten)
In der Lyrik begegnen dir sehr viele verschiedene Reimformen, die du auch Reimarten nennst. Welche es gibt und wie du sie erkennen kannst, erfährst du hier! Im Video erfährst du alles über Reimschemata, die wichtigste Reimform.
Inhaltsübersicht
Was sind Reimformen?
Reimformen sind Unterarten von Reimen. Doch halt – was ist denn eigentlich ein Reim?
„Rose – Hose” – diese zwei Wörter reimen sich. Aber was macht einen Reim überhaupt aus? Unter einem Reim verstehst du den Gleichklang der Endsilben zweier Wörter. Im weiteren Sinne kannst du auch von Reimen sprechen, wenn Wörter durch einen ähnlichen Klang verbunden sind. Das findest du vor allem in Gedichten.
Anhand verschiedener Kriterien kannst du zahlreiche Reimformen, die du auch Reimarten nennen kannst, unterscheiden. Mit ihrer Hilfe kannst du herausfinden, welche Wörter sich reimen und auf welche Weise sie das tun. Das ist ein wichtiger Schritt bei der Gedichtanalyse . Im Folgenden findest du eine Übersicht aller Reimformen.
Reimformen – Übersicht
Du kannst Reime in Gedichten mithilfe von verschiedenen Kriterien in Reimarten einteilen. Dabei helfen dir zum Beispiel die Stellung im Vers, die Anordnung am Versende, die Silbenanzahl, die lautliche Struktur oder Besonderheiten auf der Wortebene. Mehr dazu erfährst du hier anhand von vielen Beispielen. Die häufigsten Reimarten sind fett markiert.
Reimformen nach Stellung im Vers
Je nachdem, an welcher Stelle im Vers sich ein Reim befindet, unterscheidest du verschiedene Reimarten. Der Reim kann sich am Anfang, in der Mitte oder am Ende von Versen befinden.
Endreim | Beim Endreim stehen die Reimwörter am Ende des Verses. |
Max und Moritz, gar nicht träge, Sägen heimlich mit der Säge. (Wilhelm Busch) |
Binnenreim | Hier befindet sich mindestens eines der Reimwörter im Inneren des Verses. |
Ritzeratze! voller Tücke, In die Brücke eine Lücke. (Wilhelm Busch) |
Mittelreim | Sonderform des Binnenreims: Zwei Wörter im Inneren zweier aufeinanderfolgender Reime reimen sich. |
Mit Entzücken stellt sie fest, Dass das Obst sich Pflücken lässt. |
Anfangsreim/ Eingangsreim | Beim Anfangsreim stehen die Reimwörter am Beginn der Verszeile. |
Munter malt das Kind ein Bild, Bunter wird’s auf dem Papier. |
Schlagreim | Zwei Wörter stehen direkt nacheinander und reimen sich. |
Quellende, schwellende Nacht (Friedrich Hebbel) |
Echoreim | Sonderform des Schlagreims, bei dem die Reimwörter am Versende stehen. |
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe (Rainer Maria Rilke) |
Überschlagender Reim | Das Versende reimt sich auf das erste Wort der folgenden Zeile. |
Mein Kind, du musst noch üben Drüben bei der Großmutter! |
Übergehender Reim | Das erste und das letzte Wort eines Verses reimen sich. |
Geld regiert die Welt. |
Zäsurreim | (1) Reim des Wortes vor der Verszäsur mit dem am Versende (2) Reim der Wörter vor der Zäsur in zwei Versen (Langzeile) |
(1) Kommt her und schaut || was wurde gebaut. (2) Uns ist in alten mæren || wunders vil geseit von Helden lobebæren,|| von grôzer arebeit. (Nibelungenlied ) |
Eine Zäsur ist ein metrischer Einschnitt innerhalb eines Verses. Du hältst an dieser Stelle etwas inne. Zäsuren kommen etwa in Sonetten sehr häufig vor.
Reimformen nach Versende (Reimschema)
In den meisten Gedichten reimen sich die Wörter am Ende des Verses. Es handelt sich folglich um Endreime. Das Muster, nach dem die Endreime in einem Gedicht angeordnet sind, bezeichnest du als Reimschema. Wenn du noch mehr darüber wissen willst, ist die Übersicht zu den Reimschemata
genau das Richtige für dich!
Paarreim | Beim Paarreim reimen sich jeweils zwei aufeinanderfolgende Verse: aabb |
a Es war einmal ein buntes Ding, a Ein so genannter Schmetterling. b Er nippte hier – er nippte dort b Und war er satt, so flog er fort. (Heinz Erhardt) |
Kreuzreim | In diesem Fall reimt sich immer ein Versende mit dem übernächsten Versende: abab |
a Schläft ein Lied in allen Dingen, b Die da träumen fort und fort, a Und die Welt hebt an zu singen, b Triffst du nur das Zauberwort. (Joseph v. Eichendorff) |
Umarmender Reim | Das erste Reimpaar (aa) schließt das zweite Reimpaar (bb) ein: abba |
a Frühling läßt sein blaues Band b Wieder flattern durch die Lüfte; b Süße, wohlbekannte Düfte a Streifen ahnungsvoll das Land. (Eduard Mörike) |
Haufenreim | Alle Versenden einer Strophe / eines Gedichts reimen sich: aaaa |
a Auf den hohen Felsenklippen a Sitzen sieben Robbensippen, a Die sich in die Rippen stippen, a Bis sie von den Klippen kippen. |
Schweifreim | Der Schweifreim besteht aus sechs Versen. Auf zwei paargereimte Verse folgt ein umarmender Reim: aabccb |
a Ich kann sie kaum erwarten, a Die erste Blum‘ im Garten, b Die erste Blüth‘ am Baum. c Sie grüßen meine Lieder, c Und kommt der Winter wieder, b Sing‘ ich noch jenen Traum. (Johann Wolfgang Goethe) |
Kettenreim | Jeweils drei Verse bilden eine Strophe. In jeder der Strophen befindet sich ein mittlerer Vers, der erst in der nächsten Strophe seinen Reim findet. |
aba bcb cdc |
Waise | Die Waise ist kein Reimschema im eigentlich Sinn. Du verstehst darunter einen reimlosen Vers innerhalb einer Strophe, die ansonsten gereimt ist. |
a Veilchen träumen schon, b wollen balde kommen. a Horch, ein leiser Harfenton! x Frühling, ja du bist’s! b Dich hab ich vernommen! (Eduard Mörike) |
Reimformen nach Silbenanzahl (Kadenz)
Du kannst Endreime auch danach einteilen, wie viele Silben am Versende sich reimen und welche davon betont sind. Diese Reimarten nennst du Kadenz .
einsilbig |
Die letzte Silbe eines Verses reimt sich und ist betont. Du nennst das auch männliche oder stumpfe Kadenz. |
Der Nebel drückt die Dächer schwer. Und durch die Stille braust das Meer. (Theodor Storm ) |
zweisilbig | Die letzten beiden Silben reimen sich. Die Betonung liegt auf der vorletzten Silbe (weibliche/klingende Kadenz). |
Er stand auf seines Daches Zinnen, Er schaute mit vergnügten Sinnen (Friedrich Schiller) |
dreisilbig | Auf eine betonte Silbe am Versende folgen zwei unbetonte. Zusammen bilden sie den Reim (reiche/volle Kadenz). |
Wir sind die Treibenden […] Im immer Bleibenden. (Rainer Maria Rilke) |
Reimformen nach lautlicher Struktur (Phonologie)
Du kannst Reime aber auch anhand ihrer Qualität beurteilen. Du sprichst dann auch von der Reinheit der Reime. Je nachdem, ob die Silben der Reimwörter genau übereinstimmen oder geringfügige Unterschiede aufweisen, ordnest du sie verschiedenen Reimformen zu.
Reimart | Merkmale | Beispiel |
Reiner Reim | Die Silben nach dem betonten Vokal stimmen genau überein, sind also identisch. Es handelt sich um die häufigste Reimart. | Rose – Hose |
Unreiner Reim | Beim unreinen Reim werden Silben kombiniert, die sich nur annähernd reimen. Sie sind also nicht identisch. |
grüßen – fließen (lautlicher Unterschied) Fluss – Fuß (Silbenlänge) |
Identischer Reim | Beim identischen Reim wird das gleiche Wort wiederholt. |
Wer sind die tausendmal tausend, Die myriadenmal hundert tausend? (Friedrich Gottlieb Klopstock) |
Äquivoker Reim | Hier werden Wörter gereimt, die gleich klingen, aber unterschiedlich geschrieben werden – sogenannte Homonyme . | Waise – weise |
Assonanz | In diesem Fall stimmen nur die Vokale der Reimwörter überein, nicht aber die Konsonanten. Eine weitere Bezeichnung lautet vokalischer Halbreim. Es ist eine der beliebtesten Reimarten im Rap. |
Ich weiß, die primitive Prollschiene |
Parareim | Bei diesem Reim stimmen die Konsonanten überein, aber die betonten Vokale unterscheiden sich. | Rosen – Rasen |
Reicher Reim | Der reiche Reim beginnt schon in der vorletzten betonten Silbe. | Tugendreiche – Jugendstreiche |
Doppelreim | Alle Silben zweier mehrsilbiger Wörter reimen sich. | Nun wird das Meer nicht mehr bitter sein, […] Wirst du der seligste Ritter sein. (Clemens Brentano) |
Schüttelreim | Sonderform des Doppelreims: Die anlautenden Konsonanten eines mehrsilbigen Reims werden vertauscht und zu einem neuen Wort zusammengefügt. | Satteldecke – Dattelsäcke |
Historischer Reim | Früher wurden die Wörter anders ausgesprochen und haben sich gereimt. Heute funktioniert der Reim aber nicht mehr. |
lieber – brüeder Im Mittelalter wurden das ie und das üe als getrennte Laute ausgesprochen. (heute „lieber – Brüder“) |
Vorreim | Die Reimwörter werden durch gleich klingende Vorsilben ergänzt. | Beklagen – Betragen |
Endsilbenreim | Hier werden unbetonte / nebentonige Silben miteinander gereimt. |
Die Blitze zucken wenn Die Hexen wieder fliegen |
Stabreim | Alte Reimform: Die Germanen haben ihre Gedichte statt mit Klangreimen mit Stabreimen geschrieben, die du heute auch als Alliteration kennst. |
Eines weiß ich, das ewig lebet: der Toten Tatenruhm (Edda – isländische Dichtung) |
Reimformen nach Besonderheiten auf der Wortebene (Morphologie und Lexik)
Manche Reime weisen bestimmte Besonderheiten in der Wortebene auf. Das betrifft etwa die Wortbildung (Morphologie) oder den Wortschatz (Lexik), woraus sich weitere Reimarten ableiten lassen.
Augenreim | Der Augenreim stimmt zwar das Schriftbild überein, ausgesprochen reimen sich die Wörter aber nicht. | Lage – Garage |
Ohrenreim | Beim Ohrenreim unterscheidet sich das Schriftbild der Wörter zwar deutlich, die Laute reimen sich aber. | mobile phone – derweil schon |
Gebrochener Reim | Nur der erste Teil eines Wortes reimt sich, während der zweite Teil in der nächsten Verszeile steht. Dabei handelt es sich gleichzeitig um ein Enjambement (Zeilensprung). |
Jeder weiß, was so ein Mai– Käfer für ein Vogel sei. (Wilhelm Busch) |
Gespaltener Reim | Ein mehrsilbiges Wort reimt sich auf mehrere einzelne Wörter. |
Und verwundert steht und spricht er: „Zapperment! Das Ding werd lichter!“ (Wilhelm Busch) |
Zwillingsreim | Zwillingsreime bestehen aus den gleichen Buchstaben in der gleichen Reihenfolge. Durch eine andere Worttrennung entstehen aber unterschiedliche Bedeutungen. |
Alter Eimer, zeige Treue, alte Reimer zeiget Reue! (Günter Nehm) |
Grammatischer Reim | Zwei Wörter des gleichen Wortstamms werden kombiniert. Der Gleichklang spielt dabei keine Rolle. |
Verse, wie sie Bassus schreibt, Werden unvergänglich bleiben: Weil dergleichen Zeug zu schreiben Stets ein Stümper übrig bleibt. (Gottfried Ephraim Lessing ) |
Vexierreim/Fehlreim | Der Leser erwartet ein bestimmtes Reimwort, das aber ausbleibt. |
Am Dienstag hört er einen Marsch Und Bums, da liegt er auf dem Bauch. (Hans J. Preil) |
Umgekehrter Reim | Bei einem umgekehrten Reim werden einzelne Buchstaben der Reimwörter ausgetauscht. |
Du musst dich nicht wundern, |
Mehrere Reimformen gleichzeitig
Wie du siehst, gibt es eine lange Liste verschiedener Reimarten. Wenn du ein Gedicht analysierst, muss aber nicht nur eine Reimform zutreffend sein. Da die einzelnen Reimformen unterschiedliche Merkmale betreffen, kannst du oft mehrere zuordnen. Das sieht dann zum Beispiel so aus:
Mancher gibt sich viele Müh
Mit dem lieben Federvieh:
Einesteils der Eier wegen,
Welche diese Vögel legen,
Zweitens, weil man dann und wann
Einen Braten essen kann;
Drittens aber nimmt man auch
Ihre Federn zum Gebrauch.
In Wilhelm Buschs „Max und Moritz“ gibt es folgende Reimarten zu entdecken: unreiner Reim, reiner Reim, Binnenreim, Paarreim, einsilbiges Versende. Kannst du alle finden? Eine Auflösung findest du am Seitenende.
Reimformen — häufigste Fragen
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Was gibt es für Reimformen?
Das sind die grundlegenden Reimschemata: Der Paarreim (aabb), der Kreuzreim (abab), der Haufenreim (aaaa), der umarmende Reim (abba), der Schweifreim (aabccb), der verschränkte Reim (abcabc), der Kettenreim (aba bcb cdc) und der Kehrreim, der keine festgelegte Reimstruktur hat.
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Was ist ein unreimer Reim?
Der unreine Reim ist eine Reimform, bei der die Lautfolge der Reimsilben nur teilweise übereinstimmt. Dabei können Abweichungen in der Klangfarbe und Betonung auftreten. Gelegentlich werden auch Variationen in der Wortwahl oder Grammatik zugelassen.
Gedichtanalyse
Mit der Kenntnis der Reimformen bist du schon gut für die Gedichtanalyse gewappnet. Doch es gibt noch mehr Merkmale, die du dabei untersuchen solltest. Mehr dazu erfährst du in unserem Video zur Gedichtanalyse !
Auflösung
- unreiner Reim: Müh – Federvieh
- Reiner Reim: wegen – legen, dann – wann – kann, auch – Gebrauch
- Binnenreim: dann und wann
- Paarreim: alle Verse (aabbccdd)
- einsilbiges Versende: Müh, Federvieh, wann, kann, auch, Gebrauch