Faust – Epoche
Du bist dir unsicher, zu welcher Epoche Goethes „Faust“ gehört? Warum die Einordnung des Werks in eine einzige literarische Epoche nicht so eindeutig ist, erfährst du in diesem Beitrag und Video .
Inhaltsübersicht
Faust – Epochen
Goethes Meisterwerk „Faust 1“ hat die Besonderheit, die Epochen des Sturm und Drang, der Weimarer Klassik, der Romantik und der Aufklärung zu vereinen.
Du kannst „Faust“ also nicht eindeutig nur einer literarischen Epoche zuordnen. Das liegt daran, dass Goethe sehr lange für die Fertigstellung des Werks gebraucht hat und es mehrmals überarbeitet hat.
In dem Drama geht es um den Gelehrten Heinrich Faust, der auf der Suche nach dem Kern des Lebens in eine Sinnkrise gerät. In seiner Verzweiflung schließt er einen Pakt mit dem Teufel Mephistopheles. Hier findest du eine ausführlichere Zusammenfassung des Inhalts.
Faust – Epoche: Sturm und Drang
Die Figur des Faust kannst du als ein Ideal des Sturm und Drang deuten. Er lässt sich nämlich stark von seinen Gefühlen wie seiner Liebe zu Gretchen und seiner Gier nach Macht leiten. Faust gibt sich also seinen Emotionen hin, ohne wirklich auf mögliche Konsequenzen zu achten. Genau wie das Werk galt die Zeit des Sturm und Drangs als sehr chaotisch und stürmisch. Damals war man fest entschlossen, sich den Werten der Aufklärung wie Moral und Tugend zu entziehen. Folglich handelt Faust auffällig unmoralisch. Denn obwohl er sich bewusst ist, dass das junge naive Gretchen durch ihn ins Unglück gestürzt werden wird, lässt er nicht locker. Er drängt und verfolgt sie so lange, bis sie nachgibt. Denn Faust ist ein sehr egoistischer Mensch, der nur an sich selbst und seine Wünsche denkt.
Der sogenannte Geniekult verbreitete sich vor allem im Sturm und Drang. Die Menschen waren damals genau wie Faust überzeugt, eine Art Genie zu sein, das an sich selbst glaubt und sich aus den begrenzten Fängen der Welt befreien kann. Zeitweise wird auch Faust als ein solches Genie dargestellt. Er ist ein Gelehrter, der nach unendlichem Wissen strebt, er möchte alle Fragen der Welt beantworten können und wissen, woraus das Leben, die Welt, die Natur und die Menschen bestehen. Dieser unstillbare Drang nach Wissen und Überlegenheit führt schlussendlich aber zu seinem eigenen Ruin. Denn nur deshalb geht Faust den Pakt mit dem Teufel ein, wodurch sein Leben mit Tragödien gefüllt wird.
Faust – Epoche: Weimarer Klassik
Aber auch die Weimarer Klassik war maßgeblich für die Handlung in „Faust“. Hier ließ sich Goethe vom antiken Griechenland beeinflussen. Die Harmonie und Vollkommenheit der Antike galt als Ziel der Epoche, das auch in „Faust 1“ zu finden ist. Darin wird Gretchen nämlich als die schöne, höhere Seele dargestellt, die am Ende durch ihre Zuwendung zu Gott erlöst wird. Gretchens Begnadigung wirkt zunächst unlogisch, da sie so viele Fehlentscheidungen getroffen hat. Sie ist nämlich indirekt für den Tod ihrer Familie verantwortlich ist und hat ihr neugeborenes Kind ertränk. Dadurch, dass sie sich jedoch an Gott und dessen Gnade wendet, wird ihr Flehen erhört.
Auf der sprachlichen Ebene lässt sich die gehobene Sprache anmerken, die den strengen Vorgaben der Klassik folgt. Aber auch die Verwendung des Blankverses ist ein typisches Merkmal der Klassik. Es handelt sich dabei um ein Versmaß , das aus einer bestimmten Anordnung von Jamben besteht. Dieses sehr spezielle Versmaß findest du in der Szene „Wald und Höhle“ wieder. Es wird genutzt, um eine künstlerische, harmonisierende Wirkung nach dem Vorbild der Antike zu erzielen.
Faust – Epoche: Romantik
Elemente der Romantik findest du ebenfalls viele in Goethes Werk. In der Epoche der Romantik galt die Literatur als eine Art Flucht aus dem bürgerlichen Alltag. Die Menschen verspürten eine tiefe Sehnsucht nach Neuem, etwas, das sie weg von ihrem alltäglichen Leben brachte. Man versuchte damals, die innere Gefühlswelt der Menschen zu betonen. In diesem Fall werden vor allem die Emotionen Fausts häufig angesprochen, damit der Leser genau versteht, warum er gewisse Entscheidungen trifft. Faust drückt also seine Freude, seine Lust, seine Sorge und sein Bedauern offen aus.
Aber auch Motive wie Sinnlichkeit, Abenteuerlust, Fantasie und Schauer waren stark vertreten. Vor allem der Aspekt des Fantastischen kehrt in „Faust“ immer wieder zurück. Mephisto setzt zum Beispiel Magie ein, um Faust bei seinem Duell mit Valentin zu helfen. Aber auch der Hexenkeller und die Walpurgisnacht sind typische fantastische Merkmale. Beides sind Orte, die man sich rational nicht erklären könnte. Teilweise wirkt die Verwendung von Magie fast schon merkwürdig.
Faust – Epoche: Aufklärung
Zuletzt kannst du noch Verbindungen zur Aufklärung ziehen. Zu dieser Zeit wurden die Menschen dazu aufgefordert, sich aus ihrer sogenannten Unmündigkeit zu befreien und ihren Verstand zu gebrauchen. Unter Unmündigkeit verstehst du einen Zustand, bei dem man nicht in der Lage ist, seinen eigenen Verstand ohne die Führung eines anderen zu benutzen. In dieser Situation befinden sich sowohl Faust als auch Gretchen.
Faust, der zu Beginn des Werkes ein sehr selbstständiger, rationaler Mensch ist, wird nach dem Zusammentreffen mit Mephisto immer abhängiger von ihm. Mephisto wird zu der treibenden Kraft, die ihn anleitet und ihm oft Anweisungen gibt. Dass Faust viel zu sehr auf Mephisto vertraut, merkst du vor allem daran, dass er ihn immer wieder fragt, wie er mit Gretchen umgehen soll.
Neben Faust ist aber auch Gretchen unmündig. Sie ist zunächst abhängig von ihrer Mutter, die das Sagen über alles hat. Später, nachdem sie sich aus der Herrschaft ihrer Mutter befreit, wird sie jedoch abhängig von Faust und seiner Liebe. Hier soll deshalb die Figur des Gretchens aufgeklärt werden. Für sie wäre es nämlich ratsam, ihre Vernunft zu nutzen, um den Verführungen Fausts zu entgehen.
Außerdem wird passend zu den Glaubenskonflikten der Aufklärung die Rolle der Kirche und Religion ausführlich in „Faust“ behandelt. Goethe übt nämlich offen Kritik an der Kirche aus, die sehr macht- und profitorientiert scheint. Das merkst du zum Beispiel daran, dass der Pfarrer Gretchens Mutter dazu überredet, den geschenkten Schmuck der Kirche zu übergeben. Der Schmuck wird also nur den Reichtümern der Kirche hinzugefügt.
Aber auch die Gesellschaft im Werk drückt oft ihren Groll über die Kirche aus. In Auerbachs Keller machen sich die Studenten etwa über die Kirche und Gott als den einzig wahren Schöpfer lustig. Sie vertrauen der Kirche und ihren Abgesandten nicht, die viel zu sehr an sich selbst und ihren Profit denken.
Faust 1 Epoche – Zusammenfassung
Welche Merkmale der einzelnen Epochen du in „Faust“ wiederfindest, siehst du auf einen Blick in unserer Tabelle:
Epoche | Merkmale/Motive | Beispiele |
Sturm und Drang |
Gefühle Geniekult |
Faust als aufbrausender, impulsiver Mensch Faust als Gelehrter, der ständig auf der Suche nach unendlichem Wissen ist |
Weimarer Klassik | Vorgaben der Antike | Blankvers (fünfhebiger Jambus) |
Romantik | Abenteuerlust, Fantasie |
Magie Hexenküche Walpurgisnacht |
Aufklärung | Glaubenskonflikt |
Kritik an der profitorientierten Kirche Gretchens Schmuck wird der Kirche gespendet |
Interpretation
In welche Epochen du „Faust“ einordnen kannst, weißt du jetzt. Suchst du außerdem nach einer passenden Interpretation zu dem Werk? Wie du dabei vorgehst und was du in deiner Interpretation zu Goethes Drama schreiben kannst, erfährst du hier .